
Farbe und Größe beeinflussen die Wirkung von Tabletten © e-Magine Art under cc
Was ist nun der Placeboeffekt: Heilung aus dem Nichts? Irgendwie ist das schwer aufzulösen, denn fest steht, materiell – im Sinne einer pharmakologischen Wirkung – ist beim Placeboeeffekt nichts zu finden. Genau das definiert ihn ja gerade.
Er hat etwas mit Konditionierungen und vermutlich noch mehr mit Erwartungen zu tun. Mit komplexen Erwartungen, die von unseren Erfahrungen abhängen, von dem Ruf, den ein Behandler oder Verfahren hat, von dem Vertrauen, das wir ihm entgegenbringen, aber vermutlich auch davon, dass wir nicht genau Bescheid wissen, was noch möglich ist. Es scheint von Vorteil zu sein, wenn man noch ein Ass im Ärmel hat oder auch nur meint, es zu haben (vgl. hierzu auch das lesenswerte Buch „Die Vermessung des Glaubens“ von Ulrich Schnabel).
Entgegengesetze Wirkung
Die Heilung aus dem Nichts kann erstaunlich kraftvoll sein. Gibt man Menschen ein Medikament, das die Bronchien erweitert, mit der Information, es würde sie verengen, bekommen sie schlechter Luft. Und umgekehrt können sie besser durchatmen, obwohl sie ein Mittel bekommen, das pharmakologisch das Gegenteil bewirken müsste, wenn sie die Information erhalten, dass sie danach besser atmen können.
Medizinische Wirkungen werden also nicht einfach unspezifisch verstärkt, sondern können sogar, aus pharmakologischer Sicht, in ihr Gegenteil verkehrt werden. Das ist merkwürdig bis befremdlich, zeigt zum einen die Kraft unserer Psyche, zum anderen, dass mindestens ein Teil in uns gesund werden möchte.
Generika
Generika sind Medikamente mit gleichem Wirkstoff, aber anderem Handelsnamen, einer unterschiedlichen Verpackung und anderem Preis. Obwohl (oft) chemisch identisch, sind Generika unter Placebo-Gesichtspunkten eher problematisch. Ihnen haftet der Geruch des Zweitklassigen an.
Placebo versus Nocebo
Denn der Effekt der Wirkung aus dem Nichts führt nicht nur zu positiven Erwartungen, sondern auch zu negativen. Dann wird vom Noceboeffekt gesprochen. Der Glaube an die Wirkung ist dahin, das Vertrauen verspielt. Wer die Kraft der Psyche kennt und der Placeboeffekt beweist sie, ahnt, dass das keine Kleinigkeit ist.
Was heißt Heilung aus dem Nichts?
Auch psychische Vorgänge kommen ja nicht aus dem Nichts, sondern es gibt mindestens eine Korrelation mit hirnorganischen Strukturen. Dabei ist ja etwas auch physisch da, vorhanden. Nur sind Gedanken eben mit einem alten Materiebegriff kaum fassbar und ein neuerer verweist auf eine Interaktion die ungeheuer kompliziert ist, bei der man zwischen materiellen Ursachen und soziokulturellen Gründen hin- und herpendelt, eine Geschichte, die bisher noch nicht aufgelöst werden konnte. Biologische Grundlagen und gesellschaftliche Erwartungen, plus individuelle Zusammenstellung, mindestens das macht unser Ich aus. Unsere Hirnstruktur beeinflusst unsere Gedanken und unsere Gedanken verändern unsere Hirnstruktur.
Wie weit reicht der Placeboeffekt?
Wie einflussreich, stark und bedeutend ist nun der Placeboeffekt, wie weit reicht die Heilung aus dem Nichts? In einigen Studien heißt es, der Placeboeffekt mache ungefähr 50% aus, doch bei solchen Aussagen gilt es vorsichtig zu sein. In weit optimierten Bereichen ist ein Zuwachs von 3% schon bedeutend. Man weiß nicht, wann genau die Schwelle zur Heilung überschritten ist. Viele sind der Auffassung, dass die Psyche oft das Zünglein an der Waage ist, vielleicht ist sie viel mehr als nur dies, das hätte aber eventuell Folgen für unser ganzes Weltbild.
An dieser Stelle sollte bereits klar werden, dass man die, medizinisch harmlose, weil nebenwirkungsfreie, Heilung aus dem Nichts ganz offensiv stärker nutzen und nicht als unvorhergesehene Peinlichkeit zu verschweigen braucht. Die Trennung zwischen wahrer Wirkung und Placebowirkung ist insofern künstlich, weil man ganz besondere Bedingungen braucht um den Placeboeffekt zu messen: sogenannte Doppelblindstudien.
Diese kommen aber in unserem normalen Umfeld eben nicht vor, dort sind wir immer eingebunden in einen sozialen Kontext von fremden und privaten Erwartungen, Vorlieben, Abneigungen, Ängsten und Hoffnungen.