Dass sie sich für andere Menschen interessieren und sogar nur deren Bestes wollen, behaupten viele von sich, auch dann, wenn der- oder diejenige im Fokus dieses Interesses eventuell ein ganz eigenes und anderes Gefühl dazu hat. Die Aussage man würde sich für andere Menschen interessieren steht in einem weit gespannten Kontext, der sowohl warme Empathie und aufrichtige Sorge um das Wohlergehen der anderen beinhaltet, wie auch ein kontrollierendes und mitunter stark manipulatives Eigeninteresse.
Erschwerend kommt hinzu, dass demjenigen, der vorgibt sich zu interessieren, die eigenen Motive oft gar nicht richtig präsent sind und so Kontrolle gar nicht immer aus niederen Motiven geschieht sondern hier Überlappungen stattfinden, die im Privaten für Unstimmigkeiten sorgen und sogar Sprengstoff in sich bergen können.
Interesse in der öffentlichen Arbeit
Sich für andere Menschen zu interessieren ist zunächst einmal besser, als allen anderen gegenüber desinteressiert zu sein. Sich öffentlich zu engagieren ist vielleicht der unproblematischste Bereich, weil es hier im Grunde immer und in den verschiedensten Bereichen etwas Sinnvolles zu tun gibt, das anderen Menschen hilft oder sie erfreut. Es kann, durch die psychologische Brille betrachtet sein, dass der Helfer seine eigenen ungelösten Probleme projiziert und sozusagen öffentlich bearbeitet was besser Teil einer Therapie wäre, aber das ist eher das private Problem des Helfers. Denjenigen, um die er sich sorgt und denen dabei tatkräftig geholfen wird, bringt die Unterstützung in sehr vielen Fällen dennoch etwas, unabhängig vom Motiv des Helfers.
Eine gewisse Problematik besteht im Rahmen eines Helfersyndroms, das neben dem Aspekt, dass ein Helfer oft ausbrennt, oft noch die Zusatzproblematik hat, dass derjenige, der sich überstark für andere einsetzt, sie manchmal in der Unmündigkeit hält und eigene Entwicklungsschritte verhindert. Der kluge Helfer, Lehrer, Unterstützer erkennt, wann es an der Zeit ist, sich selbst zurück zu ziehen, wer aber hilft, weil er selbst in einem hohen Maße Lob und Anerkennung braucht, die er in anderen Lebensbereich nicht erwerben kann oder um dieses Bedürfnis vielleicht gar nicht weiß, der ist hier gefährdet.
Der vielleicht nobelste Ansatz ist die Hilfe zur Selbsthilfe, die den anderen wirklich fit macht, eigene Kompetenzen zu erwerben und das Band zum anderen als zeitlich befristet ansieht. Im besten Fall kann man sich hier umsorgend und empathisch einbringen und Lebensbereiche in denen das gefragt und wichtig ist, gibt es reichlich.
Im Rahmen der öffentlichen Arbeit ist der vielleicht problematischste Bereich beim sich für andere Menschen interessieren, eine politische Motivation, die ebenfalls eine ganze Spannbreite kennt und Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft benennt, aufzeigt und sich hier engagiert, auf der anderen Seite ist auch hier die Gefahr einer Verfestigung gegeben in der man sich pragmatischen Lösungen verschließt und Menschen erklärt, dass sie hilflose Opfer sind, die ohne Unterstützung ihr Leben nicht bewältigen können.
Interesse im Rahmen des Privaten
Im privaten Bereich gibt es die vielfältigen Beziehungen zur Familie und den Freunden, Menschen, die einen in einem besonderen Maße interessieren. Wenn wir uns für andere Menschen interessieren, dann ganz sicher für diese.
Eltern haben zu ihren Kindern eine besondere Beziehung, sie sind besonders verpflichtet sich für sie zu interessieren und in aller Regel tun sie das auch. Das kann und wird den Kindern nicht immer gefallen, denn es bedeutet auch, dass Eltern Grenzen setzen müssen und das ist bei keinem Kind beliebt, heißt aber auch, dass das Kind sich auf die Eltern verlassen kann, wenn die Regeln klar und nicht willkürlich sind und täglich verändert werden. Wenn das dreijährige Mädchen im Haus den Ton angibt, dann ist etwas gewaltig schief gelaufen.
Es ist verständlich, dass Eltern in halbwegs normalen und allen guten Fällen das Beste für ihre Kinder wollen, obendrein sind sie tatsächlich juristisch für sie und ihr Wohlergehen verantwortlich. Und das Beste ist nicht nur das, was jetzt im Augenblick Spaß macht, denn das hieße in einem bestimmten Alter rund um die Uhr zu spielen und Schokokuchen zu essen, verständlich, dass die Eltern da ihr Veto einlegen. Denn, wie schon eben erwähnt, gehört nicht nur Empathie dazu, wenn man sich aufrichtig für andere Menschen interessieren zu können, auf die Sorge ist eine Aspekt. Die Empathie weiß, dass das Kind jetzt jede Mengen Spaß hat und spielen und Schokolade besser sind als Hausaufgaben und Salat. Doch die Sorge sagt, dass das nur spielende und Schokolade essende Kind recht schnell Probleme haben wird und das Beste für das Kind zu wollen, heißt auch an das zu denken, an was das Kind – weil es eben Kind ist – jetzt nicht denken kann.
Es ist unmittelbar klar, was an nur Spielen und Schokolade problematisch ist, aber Erziehung wäre nicht so schwer, wenn man nicht auch die andere Richtung übertreiben könnte. Wo der kleine König und die Prinzessin recht sicher Probleme bekommen, geht es dem nur vernünftig erzogenen Kind nicht viel besser. Pünktlich, ordentlich, anständig darf es nie einfach nur Kind sein, in einer Zeit, in der die Kindheit ohnehin eher verkürzt ist. 13-Jährige bemühen sich, im Hinblick auf die Zukunft um Praktika in der Ferien und das, damit sie im Lebenslauf was vorzuweisen haben und früh Verantwortung lernen.
Die meisten ahnen, dass die Mitte golden ist, aber so richtig leicht ist die eben nicht zu finden, aber ja unverkrampfter das stattfindet, umso besser den den Perfektionismus nun auch noch auf die Kinder zu übertragen ist sicher nicht gut. Superbesorgte Eltern die vor allem Angst haben, auf der anderen Seite Helicopter-Eltern, die einfach alles besser wissen, als Ärzte, Lehrer, Erzieher und alle anderen, schließlich kennen sie ihre Kindern am besten, haben diese eher noch nicht gefunden.
Und zumindest nach meinen Beobachtungen ist es selten der böse Wille, der diese Eltern antreibt, oft eine eher etwas eigenwillige Form der Aufmerksamkeit für das Kind, in der das Element der Sorge überbetont wird und natürlich die Gefahr besteht, dass das Kind in dem Gefühl aufwächst, die Welt habe sich stets nach seinen Bedürfnissen zu richten, was heute deutlich kritischer gesehen wird, als vor einigen Jahren.
Als letztes Motiv sei hier die Überaufmerksamkeit aus schlechtem Gewissen aufgeführt, bei der Eltern oft an den eigene hohen Ansprüchen scheitern und im Grunde wissen, dass das Kind einfach auch mal Zeit mit den Eltern verbringen möchte, lachen, spielen und die aus Gründen der Lebensführung und der Umstände in denen sie selbst stecken, mindestens ahnen, dass sie ihrem Kind nicht optimal gerecht werden. Hier kann es helfen die Kirche im Dorf zu lassen und nicht die gute alte Zeit zu sehr zu verklären, besser laufen könnte es immer, aber das gilt eben für alle Zeiten und nicht optimal ist nicht gleichbedeutend mit ganz und gar schlecht, das ist der leichte Irrsinn unserer Zeit, bei der weniger als optimal und perfekt nicht gut oder durchschnittlich im besten Sinn ist, sondern gleich ins Tal des Nichtswürdigen durchgereicht wird. Kompensatorisch versucht man dann das Kind mit Liebe und Aufmerksamkeit in den verbleibenden Stunden zu überschütten und auch hier sind die Folgen nicht immer gut, man isst ja auch nicht Sonntags, für die ganze Woche.