Mann macht kniend Physiotherapie, Mann in weiß hockt im Hintergrund, lila Matte

Bewegung ist ein integraler Bestandteil jeder effizienten Schmerztherapie. © Army Medicine under cc

Die Weltbild-Methode hat notwendigerweise Überschneidungen mit der multimodalen Schmerztherapie, doch es gibt Neuerungen und Details der Weltbild-Methode, in denen sie von der multimodalen Schmerztherapie abweicht. Diese will ich kurz aufzeigen und dann auf einige wichtige Details eingehen.

Die multimodale Schmerztherapie ist zum überwiegenden Teil verhaltenstherapeutisch orientiert und in vielen Bereichen gut und sinnvoll. Unser Schwerpunkt liegt darauf, von den Überzeugungen des Menschen mit chronischen Schmerzen auszugehen und ihn in den Prozess der Heilung eigenverantwortlich einzubinden, so dass er erlebt, dass er schmerzreduzierte oder -freie Intervalle selbst erzeugen kann und versteht, dass und wie dies funktioniert. Dieses Erleben wird wiederholt und schließlich wird dem Betroffenen erklärt, dass er es ist, der diese schmerzarmen Intervalle produziert, so dass er sie sich auch in einem anderen Umfeld diese Phasen gönnen kann.

Dabei vertrauen wir auf imaginative Verfahren, die eine Lockerung der Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem ermöglichen, so dass die Erlebnisse auf der rationalen und emotionalen Ebene verankert werden und hoch individuell auf die Bedürfnisse und das Weltbild des Menschen mit chronischen Schmerzen zugeschnitten werden können. Wir können gezielt mit dem arbeiten, was jemand für möglich hält und umgehen psychische Widerstände und Überzeugungsarbeit, die auf anderen Einstellungen beruhen. Das Ziel ist eine stärkere Individualisierung und höhere Motivation.

Das Weltbild des Menschen mit chronischen Schmerzen ist dabei unser Ausgangs- und Orientierungspunkt, mit dem man ein Band herstellt und beibehält, so dass man sowohl die Motivation als auch die Eigenverantwortung gleichermaßen aufrechterhalten und immer wieder auffrischen kann. Der Betroffene merkt, dass es um ihn, seine Einstellungen und Überzeugungen geht und er gemeint ist. Im Rahmen dessen gehen wir, falls nötig, auch in eine theoretisch psychosomatische Richtung, bei der wir versuchen, uns der individuellen Funktion der chronischen Schmerzen zu nähern, falls es notwendig erscheint, deutend darauf einzugehen.

Chronische Schmerzen und psychische Erkrankungen

Chronische Schmerzen haben eine hohe Korrelation zu mindestens zwei großen Gruppen psychischer Erkrankungen, zum einen zu den Depressionen, zum anderen zu den schweren Persönlichkeitsstörungen. Zudem sind psychosomatische Symptome zu erwähnen, die sich mit den Depressionen oder schweren Persönlichkeitsstörungen überschneiden können, aber nicht müssen und unabhängig davon auftreten können.

Bei den Depressionen ist nicht unbedingt klar, was Ursache und was Wirkung ist, sprich, es ist denkbar, dass eine bestehende Depression die Schmerzen verstärkt, aber es ist ebenso denkbar und wahrscheinlich, dass chronische Schmerzen zu depressiven Erkrankungen führen. So oder so, ist die Depression etwas, das es im Auge zu behalten und abzuklären gilt und was in die Weltbild-Methode mit eingebracht werden muss.

Da Bewegung und diverse psychisch stabilisierende Methoden ohnehin integraler Bestandteil der Weltbild-Methode sind, ergibt sich das recht organisch, soll hier aber noch einmal, auch wegen der Bedeutung der Depressionen, erwähnt werden.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf den schweren Persönlichkeitsstörungen bei Menschen mit chronischen Schmerzen. Es gibt inzwischen unterschiedliche Studien, die tendenziell zeigen, dass es eine mal stärkere, mal schwächere Signifikanz im Zusammenhang zwischen chronischen Schmerzen und schweren Persönlichkeitsstörungen gibt.[1][2] In diesen Fällen ist eventuell eine Therapie der Persönlichkeitsstörung angeraten. Die Aufgabe der Weltbild-Methode liegt hier auch in einem koordinativen Bereich, der helfen kann und soll, dass Zeit, Geld und Energie nicht unnötig verbraucht werden und dem Menschen mit chronischen Schmerzen der Zusammenhang zwischen Schmerzen und der psychischen Disposition erklärt werden kann.

Die Weltbild-Methode arbeitet ohnehin stark psychosomatisch, so dass hier eine organische Verbindung ohnehin gegeben ist. Bilder sind dem emotionalen Gehalt oft näher und wirken unmittelbarer als Argumente. Affekte und Emotionen sind die Bausteine des Motivationssystems und Motivation spielt bei chronischen Schmerzen eine überragende Rolle, Menschen mit chronischen Schmerzen müssen verstehen, dass und warum sich das Blatt auf einmal doch noch wenden könnte.

Die Grunderfahrung der Psychosomatik besteht in der Erkenntnis, dass körperliche Symptome nicht selten eine Stellvertreterfunktion haben und etwas ausdrücken, was der Menschen mit chronischen Schmerzen sich nicht auszudrücken traut, oder was ihm zuweilen gar nicht bewusst ist. Gerade in imaginativen Verfahren kann der erkennende Zusammenhang zwischen Symptomen und Gefühlen unmittelbar hergestellt werden.

Die Abneigung gegen Psycho-Verfahren

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass man immer wieder Menschen mit chronischen Schmerzen findet, bei denen eine mehr oder weniger große Abneigung gegenüber allem, was mit Psyche und/oder Psychotherapie zu tun hat, besteht. Das mag im Einzelfall nicht immer gut begründet und bedauerlich sein, da hier ein großes Potential für Besserung vorhanden ist, aber es ist der Fall, dass diese Abneigung mitunter besteht. Wenn die Weltbild-Methode sich selbst ernst nimmt, ist in diesem Fall ein psychosomatischer Ansatz erledigt, der Raum für imaginative Methoden ist aber weiterhin gegeben, da diese zwanglos im Rahmen eines Gesprächs über die Vorstellungen des Menschen mit chronischen Schmerzen eingeführt werden können, sodass die Vorteile direkt erlebt und Vorbehalte oder Ängste abgebaut werden können. Die Grenzen zwischen Anamnese, Diagnostik, Gespräch und psychologischem Verfahren können hier fließend gestaltet und individuell angepasst werden.