Zwei Rettungsringe im Wasser

Rettung aus höchster Not – aber welcher Weg ist richtig? © Elliott Brown under cc

Die Rolle des Glaubens, im Sinne einer inneren Zuversicht bis Gewissheit, ist ein starkes psychisches Moment bei Wunderheilungen.

„Aber ich kann doch nicht einfach irgendwas glauben“, lautet der Einwand und er ist berechtigt. Ich muss das finden, was zu mir passt, an was ich wirklich glauben kann. Und die nächste Frage ist gleich, in welche Richtung man gehen soll. Wer schwerstkrank ist, klammert sich vielleicht an jeden Strohhalm, aber welcher ist der richtige? Das neue Medikament, die noch aggressivere Therapie, die sanfte Medizin, zum Superspezialisten gehen, beten oder doch zum Wunderheiler? Auf welches Pferd setze ich, wie sicher ist das, woher weiß ich, dass ich keinen Fehler mache?

Pech gehabt?

Vielleicht ist das schon ein Baustein. Keinen Fehler machen wollen, das Zweifeln, der Schock, die Ungewissheit. Leben wir nicht zu einem großen Teil schon so, auf Vermeidung von Fehlern ausgerichtet? Und jetzt einfach weiter so? Ein schwieriges Terrain.

Die Aussagen der Studien sind eindeutig: Es gibt keine Krebspersönlichkeit.

Die vielleicht auf den ersten Blick erleichternde Botschaft, dass es keine Krebspersönlichkeit gibt, hat jedoch noch einen zweiten Aspekt. Er heißt: Du kannst wenig tun. Alles was zur Entstehung von Krebs geführt hat, liegt nicht in deiner Hand. Vielleicht hättest du anders leben sollen, früher, aber der Zug ist jetzt abgefahren. Du kannst nichts mehr machen, jedenfalls nichts, was Deine Persönlichkeit betrifft. Dabei ist die Studienlage, was den Zusammenhang von Psyche und Krebs betrifft, keinesfalls klar, sondern es gibt eine Pattstellung, wie der Psychoonkologe Tschuschke belegt. Und das heißt, Persönlichkeit hin oder her, wir können was machen.

Wir leben nun mal in einem Weltbild in dem alles seine Ursachen hat. Wir glauben daran. Und da es Wunderheilungen gibt, müssen auch sie ihre Ursachen haben. Und wenn wir uns nur einbilden das Muster zu sehen, den Mechanismus zu verstehen und Wunderheilung in Wahrheit nur wie ein Lottogewinn ist? Das wäre okay.

Hier geht es darum, unsere Psyche zu verstehen, wie wir denken und fühlen. Der Lottogewinn ist ein gutes Stichwort. Menschen, die den 6er im Lotto gewinnen, sind in der Regel nicht glücklich damit. Nicht wegen der Neider, sondern sie selbst empfinden ihren Gewinn als unverdient. Ebenso leiden viele Menschen, die als einer von wenigen ein großes Unglück überlebt haben, einen Unfall, einen Krieg. Auch hier fragen sich die Menschen, warum gerade sie überlebt haben. Viele nimmt das mit (behalten wir das im Hinterkopf, es wird später noch wichtig).

Ähnlich bei schweren Erkrankungen: „Warum ausgerechnet ich?“ Die Frage ist wichtig, weil sie dem Betroffenen wichtig ist. Wir wollen verstehen, erkennen, einen Sinn sehen.

Die Antwort, die wir geben, ist psychologisch gesehen oft verheerend: „Tja, Pech, bei manchen passiert sowas eben, statistischer Ausreißer.“ Man sagt es behutsamer, aber es ist die Antwort, die man bekommt. Wer sollte auch eine andere geben, wir wissen es ja selbst nicht. Und doch sind wir nicht zum Nichtstun verurteilt.

Psyche und Zuversicht

Zahnräder

Die Welt ein großes Uhrwerk? Eher nicht. © Arthur John Picton under cc

Wir wollen verstehen und Einfluss auf das Geschehen haben. Und wir wollen uns etwas verdienen. Auch unsere Zuversicht wollen sich viele erarbeiten. Es gab eine, lange Zeit recht verbittert geführte, Kontroverse, die den Vetretern einer ins Weltanschauliche erweiterten Psychosomatik vorwarfen, sie würden dem Patienten die Schuld für ihre eigene Krankheit aufbürden und das sei das letzte, was chronisch oder schwerkranke Menschen brauchen. Manchmal wirken diese Vorwürfe instrumentalisiert, dennoch muss man den Gedanken ernst nehmen.

Doch wenn wir das belastete Wort „Schuld“ durch den Begriff „Verantwortung“ ersetzen und einmal durchatmen, wird eine Tür erkennbar, die man benutzen kann. Auf einmal kann ich etwas tun, bin als Akteur wieder im Spiel. Wäre der Einfluss lediglich ein angenommener, was solls? Glaube und Zuversicht entstehen und verstärken sich dadurch, dass wir glauben oder zuversichtlich sind.

Aber der Aufruf zur Sinnsuche ist mehr, es ist der Aufruf, seinen eigenen Weg zu finden und da die Zukunft immer mehr in Richtung personalisierte Prävention geht, gilt das umso mehr für die Psyche. Denn wenn es um Wunder geht, ist vielleicht die Kombination der Faktoren das Entscheidende und sehr schnell kann die Psyche zum Zünglein an der Waage werden.