Liebe bedeutet zunächst, sich selbst lieben und annehmen zu können. Das ist keine Floskel, sondern eine Notwendigkeit. Erst wenn man sich selbst annimmt, kann man von einem anderen Menschen die Liebe annehmen. Doch wie soll man nach emotionalem Missbrauch wieder lieben können – sich selbst oder einen anderen Menschen –, wenn einem durch einen zum Beispiel narzisstischen Partner stets ein Minderwert eingeflüstert wurde? Die Angst, nicht gut genug zu sein, schwingt in einer neuen Beziehung stets mit. Selbst wenn der emotionale oder körperliche Missbrauch faktisch beendet ist, die Folgen einer chronischen Traumatisierung sind noch lange nicht aufgearbeitet.

Nach emotionalem Missbrauch wieder lieben können

Die erste Beziehung nach einer toxischen Beziehung erfordert jede Menge Selbstreflexion. Nimmst du bei deinem neuen Partner negative Aspekte wahr, musst du für dich versuchen zu ergründen, ob diese Wahrnehmung deiner negativen Erfahrung geschuldet ist oder ob du eventuell schon wieder an einen toxischen Menschen geraten bist.

Informiere dich über toxische Taktiken

Hier ist die gute Nachricht. Wenn du weißt, wie die subtilen Manipulationen eines toxischen Menschen sich gestalten, kannst du diese schneller erkennen. Gibst du dir selbst sozusagen das Handwerkszeug in die Hand, in dem du aufarbeitest, was dir in deiner vergangenen Beziehung passiert ist, weißt du, wie narzisstische Menschen vorgehen, um sich selbst zu erhöhen und ihren Partner abzuwerten. Je mehr du darüber weißt, desto gewappneter bist du für die Zukunft.

Vertraue deinem Bauchgefühl

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Nach emotionalem Missbrauch wieder lieben können, ist eine Gratwanderung, bei der die Selbstaufmerksamkeit gefragt ist. © Giuseppe Milo under cc

Natürlich ist es nach einer Traumatisierung durch einen toxischen Partner wichtig, seine Gedanken und Gefühle zu prüfen. Wie misstrauisch ist man? Wittert man ständig etwas Schlechtes bei jedem? Doch eine weitere gute Nachricht ist: Du kannst viel mehr auf dein Bauchgefühl vertrauen, als du denkst. Deine Intuition hat dich schon bei deiner Ex-Beziehung nicht getäuscht. Wenn du diese frühere Beziehung aufarbeitest, wirst du merken, wie oft du im Grunde die Red Flags für toxische Partnerschaften in deiner eigenen längst wahrgenommen hattest. Die Crux war jedoch: dass du deinem toxischen Partner mehr vertraut hast als dir selbst. Lass dein Erleben in deiner neuen Partnerschaft ein Zusammenspiel zwischen einem kühlen Kopf und dem Vertrauen in deine Intuition sein. Sei dir selbst zugewandter und vertraue auf deine Wahrnehmung, deine Stärken und deinen Geist.

Bleibe selbstständig

Um nach emotionalem Missbrauch wieder lieben zu können, benötigt man viel Zeit für sich. Schaffe dir in deiner neuen Beziehung immer wieder Tage, in denen du ganz für dich sein kannst oder mit anderen Menschen Zeit verbringst. Vielleicht erinnerst du dich noch an die Anfangszeit in deiner Ex-Beziehung? Das anfängliche Love-Bombing eines Narzissten, um dich stark und schnell an ihn zu binden. Schließlich soll dir das in deiner neuen Beziehung nicht passieren. Du brauchst Zeit für dich, um selbst heilen und wachsen zu können. Deine Gedanken und Gefühle brauchen immer mal wieder eine Ruhepause zwischendrin. Du musst dich erden und eichen. Man erlangt mehr psychische Stärke, wenn man hin und wieder auch mit sich selbst allein sein kann. Bleibe selbstständig, damit du nicht Gefahr läufst, eventuell wieder in einer toxisch-abhängigen Beziehung zu landen.

Rede regelmäßig mit Freunden

Ein toxischer Partner wurde in der Vergangenheit womöglich zu deinem Hauptbezugspunkt in deinem Leben. Ein Grund, warum er dich derart manipulieren konnte, war, weil du keinen moralischen Gegenpol mehr hattest. Wenn du regelmäßig mit einem guten Freund oder einer Freundin sprichst und dabei bedingungslos ehrlich bist – mit der Beziehungssituation und deinen Stärken und Schwächen –, wirst du mehr gewahr für toxische Manipulationen und weniger anfällig für eine toxische Beziehung sein. Es kann sein, dass du nach den ersten Streits mit einem Partner einen narzisstischen Charakter vermutest, aber ungeachtet dessen trotzdem bei ihm bleibst. Du willst nicht vorschnell urteilen, vielleicht hast du auch Angst vor dem Alleinsein. Alles darf sein, du musst nur ehrlich mit dir selbst bleiben. Deshalb: Vereinbare mit deiner vertrauten Person (Freundin/Freund/Geschwister etc.) die Regel, dass ihr zwar bedingungslos ehrlich miteinander seid, euch in euren Gesprächen aber nicht gegenseitig bewertet. Nur so könnt ihr wirklich authentisch das Erlebte aufarbeiten und aneinander reifen.

Drossele das Tempo

»Das ist der/die Eine!« »Nie zuvor habe ich mit einem Menschen eine solch besondere Bindung gespürt!« Das sind Sätze, bei denen wir hellhörig werden sollten. Sowohl wenn unser Partner sie sagt, aber auch, wenn wir sie selbst aussprechen. Nicht immer erkennen wir, ob wir uns in ungesunder Weise und mit Selbstaufgabe von jemandem abhängig machen, indem wir uns unter dem Deckmantel des Besonderen allzu rasch an ihn binden. Ein gemächliches Tempo ist viel eher das Gebot der Stunde. Eine Partnerschaft sollte nicht deine innere Leere füllen, sondern dein sowieso schon schönes Leben um ein weiteres Sahnehäubchen ergänzen. Es empfiehlt sich, deine Mitte ganz für dich zu finden und eine Partnerschaft zu führen, bei der ihr euer eigenes Dasein nicht aus den Augen verliert.

Im Zweifel: nein

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Bahnen sich toxische Mechanismen in der neuen Partnerschaft an, sollte man auf sich vertrauen und lieber die Finger davon lassen. © VV Nincic under cc

Horche in dich hinein. Wie oft stößt dir etwas an deinem neuen Partner auf? Hast du das Gefühl, dass ihr euch weiterentwickelt oder stagniert ihr bei den immer selben Streitereien in eurer Beziehung? Wenn du das Gefühl hast, eure Vereinbarungen werden von dem anderen nicht eingehalten, setze besser nicht auf diese neue Beziehung. Erlebst du demgegenüber jedoch korrigierende Erfahrungen, weil du im Vorhinein in deinen Gedanken dem Partner ein negatives Ansinnen unterstellst, er dich jedoch mit einer völlig anderen positiven Verhaltensweise überrascht, stehen die Zeichen auf Go! Ein gemächliches Go. Wie bereits erwähnt, solltest du deine Selbstheilung und Selbstständigkeit beim Führen einer neuer Beziehung nicht aus den Augen verlieren.

Bleibe sinnlich

Die Erotik wird oftmals unterschätzt. Sie ist jedoch ein wichtiger Hinweisgeber, ob es in einer Partnerschaft läuft oder nicht. Behandeln beide Partner einander mit Respekt, wird die Flamme der Leidenschaft nicht (so schnell) gelöscht. Spürst du demgegenüber Desillusion und bist quasi abgegessen, solltest du in dich hinein hören, ob dieser neue Partner der richtige für dich ist.

Schreibe Erlebtes auf

Menschen vergessen, Menschen verdrängen. Das ist ganz normal. Deshalb hilft es dir womöglich, die Streits und unangenehmen Situationen mit deinem neuen Partner, deine empfundenen Gefühle, Mutmaßungen usw. aufzuschreiben. Dadurch fällt es dir leichter, deine Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen zu erkennen und einzuordnen. Sei bedingungslos ehrlich mit dir. Ein weiterer Vorteil des Aufschreibens – ganz gleich ob in Form einer stichpunktartigen Liste oder eines Tagebuchs – ist, dass du die Gangart deines Partners eher erkennst und etwaigen toxischen Verwaschungen entgegenwirken kannst.

Bleibe in deiner Mitte

Es mag spirituell und für manche sogar etwas abgedreht klingen, aber dieser Ratschlag ist tatsächlich ein sehr wertvoller. Meditative Sportarten wie beispielsweise Yoga oder Tai Chi genauso wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung oder auch ganz allgemein regelmäßige Meditationseinheiten sorgen dafür, dass du es schaffst, mehr in deiner inneren Mitte zu bleiben. Bewusstseinsorientierte Sportarten fordern und fördern, dass du dich mehr auf dich selbst konzentrierst und achtsam im Hier und Jetzt verankert bleibst. Der Anleitung beim Yoga zu folgen, zwingt dich deine Gedanken weg von deinem Partner oder eurer Beziehung zu lenken. Dadurch vermeidest du bestimmte Grübeleien, da du vermutlich auch zu denjenigen Menschen gehörst, die sich gedanklich häufiger um den Partner kreiseln. Die ruhige Atmung beim Yoga oder ähnlichen Sportarten verringert dein Stresslevel genauso wie dein Angsterleben. Während und nach einer traumatischen Beziehung ist das Gefühlsleben oft chaotisch und deutlich negativ eingefärbt. Womöglich hast du große Ängste, fühlst dich ungenügend und auch ständig irgendwie traurig und erschöpft.

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Yoga vermindert das Stress- und Angsterleben und fördert das Wohlbefinden. © Miguel under cc

Wie beispielsweise die Studie der Forschergruppe um Simon et al. (2021) zeigt, kann eine Yoga-Intervention das Angsterleben bei Probanden mit einer Generalisierten Angststörung lindern. Den größten Effekt hatte eine kognitiv-behaviorale Therapie, danach folgte die Yoga-Intervention. Sie hatte das Angsterleben der Betroffenen deutlich häufiger gemildert im Vergleich zu den Vorträgen zum Stressmanagement. In einer anderen Studie der Forschergruppe um Streeter et al. (2017) zeigte sich, dass Yoga-Übungen in Kombination mit Atemübungen die Symptome einer Major Depression lindern können.

Dank der Ausübung meditativer Sportarten wirst du dir zukünftig also sehr wahrscheinlich weniger Sorgen um das Leben sowie deine Beziehung machen. Insgesamt wirst du vermutlich ruhiger beim Angehen deines Alltags und in Bezug auf deine Existenzsicherung werden. Yoga verschafft dir Abstand von den katastrophisierenden Gedanken, emotionalen Verstimmungen oder Alltagsproblemen. Du schwebst sozusagen ein bisschen gedanklich über den Dingen. Das stärkt dein Selbstbewusstsein. Durch die Konzentration auf dich selbst fokussierst du dich mehr auf dein Selbstgefühl. Wer du bist. Welche Emotionen und Kognitionen in dir schlummern. Du erfährst mehr Selbstverständnis für dich und dadurch auch gleichermaßen eine größere Selbstverständlichkeit in Bezug darauf, in deinem Leben glücklich und entspannt zu sein. Du hast ein Recht auf ein glückliches Leben, in dem du aufrichtig geliebt wirst – und allem voran: dich selbst liebst und dir Wertschätzung entgegenbringst.

Versuche, klar zu bleiben

Es ist so schon schwer, seine Impulsivität im Zaum zu halten. Um nach einem emotionalen Missbrauch wieder lieben zu können, solltest du versuchen, klar zu bleiben. Einen klaren Kopf zu behalten, geschieht nicht nur, indem du in ständiger Achtsamkeit mit dir selbst und dem anderen bleibst. Es kann auch den wortwörtlichen Sinn meinen wie etwa in Zusammenhang mit einem übermäßigen Alkoholkonsum etc. Dass sich Partner nach übermäßigem Alkoholkonsum streiten, ist keine Seltenheit. »Versuche klar zu bleiben«, bezieht sich folglich darauf, lieber einmal zu wenig als einmal zu viel zu reagieren und die eigene Impulsivität zu zügeln. Sich aus der aufwühlenden Situation herauszunehmen, sich Bedenkzeit zu erbeten, damit man später mit kühlem Kopf reagieren kann, ist zumeist die bessere Variante. Alles Gute für deine neue Liebe – dir selbst und einem anderen Menschen gegenüber!