Self-Gaslighting bezieht sich darauf, dass man seine eigene Person infrage stellt und letztlich auf sich selbst nicht vertraut. Normalerweise geht Gaslighting von anderen Menschen aus. Es handelt sich dabei um Manipulation und psychischen Missbrauch. Im Umgang mit einer Person, die destruktive Verhaltensmuster aufweist, werden dir immer wieder deine Wahrnehmungen, Gefühle und Erinnerungen abgesprochen, sodass du an deinem Verstand zu zweifeln beginnst. Auf lange Sicht macht Gaslighting nicht nur etwas mit deinem kognitiven und emotionalen Erleben, sondern auch mit deinem Selbstwert, der so beständig untergraben wird.

Self-Gaslighting: Wie geht das?

Aber wie sollte man es schaffen, den seelischen Missbrauch bei sich selbst anzuwenden? Beim Self-Gaslighting sprichst du dir deine Gefühle unbewusst ab, du glaubst dir selbst nicht, relativierst das unschöne Verhalten anderer und machst dich selbst klein.

Mädchen vor Spiegel mit Kamera in der Hand streckt Fuß in Ballettpose

Beim Self-Gaslighting machst du deine Person kleiner und untergräbst dich selbst. © bekassine… under cc

Wir haben einige Beispiele zusammengetragen, die zeigen, dass Self-Gaslighting gar nicht so unüblich ist und auch in deinem Kopf verankert sein könnte. Wodurch zeigt sich also Self-Gaslighting?

1. Gefühle absprechen

»Ich bin viel zu sensibel.«

In dir kommt eine Emotion auf. Beispielsweise fühlst du dich verletzt, weil jemand anderes dich direkt oder indirekt abgewertet hat. Du spürst diesen Grenzübertritt in dir, dein Bauchgefühl sagt dir genau, dass etwas nicht stimmt, doch du übergehst das Gefühl in dir und stellst es stattdessen infrage. Auch aufkommende Wutgefühle oder Traurigkeiten übergehst du in deinem Inneren.

Weitere Gedanken, die damit einhergehen können, dass du dir deine Gefühle absprichst:

  • Anderen geht es viel schlimmer. Warum bin ich so empfindlich?
  • Wer weiß, ob mein Gefühl stimmt?
  • Ich sollte nicht wütend sein.
  • Oh Gott, jetzt bin ich traurig! Ich sollte mich zusammenreißen.
  • Das ist lächerlich. Warum bin ich deswegen jetzt verärgert?
  • Ich bin so eine Drama-Queen. Immer mache ich aus einer Mücke einen Elefanten.

2. Bauchgefühle wegwischen

»Da ist bestimmt nichts.«

Mit dem schon angesprochenen Ignorieren des Bauchgefühls sind wir nahtlos bei Punkt zwei. Du betreibst eine Form von Self-Gaslighting, wenn du bestimmte Warnsignale aus deinem Inneren einfach ignorierst. Beispielsweise triffst du dich dennoch alleine mit deinem Ex-Beziehungsmenschen, obwohl du in dir drin ein ungutes Gefühl wahrnimmst, er könnte übergriffig werden. Aber dein eigenes Schamgefühl sorgt dafür, dass du dieses ungute Bauchgefühl übergehst. Schließlich willst du nicht zu ängstlich wirken.

Auch ein Eifersuchtsgefühl ist ein Klassiker, der oft in diesen Bereich fällt. Solange es sich nicht aus einer Verlustangst heraus aufgrund früherer negativer Erfahrungen um eine übertriebene Eifersucht oder ein übertriebenes Kontrollgefühl handelt, spüren viele in der Regel, wenn zwischen deinem Beziehungsmenschen und einer anderen Person eine Anziehung da ist, der beide nachgehen wollen. Doch auch diese Intuition streichen viele oft beiseite und glauben, es sich nur einzubilden, weil ihnen versichert wird, dass nichts sei.

Folgende Gedanken in Zusammenhang mit dem Übergehen des Bauchgefühls können auftreten:

  • Ich bin einfach zu ängstlich. Es wird bestimmt nichts passieren.
  • Ich übertreibe bestimmt. Da wird nichts sein.
  • Warum verstehe ich keinen Spaß? Ich sollte lockerer bleiben.
  • Ach, Unsinn, ich mache das jetzt einfach. Und dann ist gut.
  • Wie sieht denn das aus, wenn ich nicht dahingehe?

3. Deine Fähigkeiten infrage stellen

»Ich kann das nicht.«

Doch das Wegwischen des Bauchgefühls könnte zum Beispiel auch mit positiven Aspekten einhergehen. Hast du beispielsweise bei der Umsetzung eines Plans ein gutes Gefühl und möchtest das Vorhaben eigentlich realisieren, können schon im nächsten Moment Ängste, Minderwert und Selbstherabsetzungen dazu führen, dass du dich auf deinem Weg boykottierst und letztlich den Plan nicht angehst.

Junge mit Kapuze und Mädchen auf Brücke mit Wind

Gute Freundschaften können einen Gegenpol zum Self-Gaslighting liefern, indem sie bestärkend zusprechen. © Phillip Nguyen under cc

Gedanken, die dann in deinen Kopf schießen, beruhen häufig auf problematischen Glaubenssätzen, die wir uns aus der Kindheit heraus angeeignet haben. Manchmal stehen sie dafür, wie frühere Bezugspersonen mit uns gesprochen haben oder welches Gefühl sie uns unterschwellig vermittelten. Mit diesen Glaubenssätzen und Selbstzweifeln sprechen wir uns bis heute die eigenen Fähigkeiten ab.

  • Ich überschätze mich und glaube, ich kann das. Aber am Ende werde ich wie so oft versagen.
  • Wer weiß, ob das klappt? Lieber mache ich es nicht.
  • Jetzt glaube ich noch, ich passe auf den Job. Aber wenn ich ehrlich bin, sind das nur übersteigerte Träumereien. Tatsächlich werde ich mit Pauken und Trompeten untergehen.
  • Ich bin einfach nicht gut genug darin.
  • Eigentlich bin ich in gar nichts gut.

4. Sich selbst infrage stellen

»Irgendetwas stimmt nicht mit mir.«

So wie ein Mensch in einer toxischen Beziehung deine Person als solche ständig anzweifelt und infrage stellt, tendieren manche auch für sich dazu. Gerade wenn du dich mit anderen vergleichst und beim Vergleich dann in deinen Augen schlechter abschneidest, geraten viele Menschen in eine Art Fatalismus à la: »Irgendetwas ist komisch an mir.«

Weitere Sätze in dem Zusammenhang:

  • Ich kann mich nicht auf mich verlassen.
  • Ich glaube manchmal, ich bin doch psychisch verrückt.
  • Mit mir stimmt etwas nicht. Warum schaffe ich das nicht so wie andere?
  • Ich bin nicht liebenswert. Ich werde nie jemanden finden.
  • Gott, wie ich schon wieder aussehe/mich benehme. Das ist so peinlich.

5. Sich schuldig fühlen

»Was habe ich denn jetzt schon wieder gemacht?«

Menschen, die Gaslighting und Manipulation betreiben, geben anderen Personen oft die Schuld für etwas. Ihr eigenes Verhalten berücksichtigen sie dabei jedoch nicht. Sie setzen immer wieder bei deinem Verhalten an und führen dir beharrlich immer wieder auf, dass du eigentlich diejenige Person sein sollst, die an allem Schuld ist. Beim Self-Gaslighting verfährst du in ebenjener Art mit dir.

  • Das ist alles meine Schuld.
  • Mein Gegenüber hat Recht. Letztendlich war ich diejenige Person, die …
  • Ich habe mich nicht gut verhalten. Ich war nicht nett genug.
  • Ich habe mal wieder einen Fehler gemacht und mich nicht gut benommen.
  • Ich sollte noch hilfsbereiter sein.

Natürlich geht es nicht darum, niemals sich selbst zu reflektieren und jegliche Schuld von sich zu weisen. Doch eine angemessene Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung sollte erfolgen, ohne dass der innere Kritiker (oder eine andere Person) ständig verbal auf einen einhaut.

6. Wahrnehmung, Denken, Erinnerung absprechen

»Ich traue mir nicht.«

Der Klassiker des Gaslightings und Self-Gaslightings ist es, wenn man sich selbst oder eine andere Person die eigene Wahrnehmung und das Denken abspricht. Du glaubst dann, etwas falsch eingeschätzt zu haben oder dich falsch zu erinnern.

  • Das habe ich mir offenbar nur eingebildet.
  • Vielleicht liege ich ja auch mit meiner Erinnerung falsch und da war gar nichts.
  • Ich habe schon oft Sachen fehleingeschätzt. Wer weiß, ob das stimmt, was mir meine Gedanken jetzt schon wieder sagen wollen.
  • Ich kann mich immer so schlecht konzentrieren. Wer weiß, ob ich meinen eigenen Gedanken trauen kann?
  • Habe ich das jetzt richtig gelesen? Kann ich darauf vertrauen, dass ich das richtig verstanden habe?
  • Kann ich mich auf mein Denken verlassen?

Self-Gaslighting: Was kannst du tun?

Frau mit gestreiftem Mantel läuft über Zebrastreifen

Wenn du aufhörst, dich selbst zu verunsichern, wird aus dem ängstlichen Wesen eine starke Person. © Thomas Leuthard under cc

Zunächst einmal geht es darum, unbedingt mehr auf die eigene Wahrnehmung, das eigene Denken, Erinnern und Fühlen mehr zu vertrauen. Damit ist nicht gemeint, dass du von nun an durch die Welt spazierst und glaubst, mit allem richtig zu liegen. Wie immer kommt es auf ein gesundes Maß an. Doch wie erreichst du dieses gesunde Maß – und hörst auf, dich selbst zu gaslighten und dich als Person zu boykottieren?

Reflektiere dich vertrauensvoll

Setze dich mit deinen Glaubenssätzen und vergangenen Prägungen auseinander. Inwieweit bist du ein Mensch, der nicht auf sich vertraut, weil ihm in der Vergangenheit die individuellen Eindrücke und Erinnerungen abgesprochen wurden? Mache dir bewusst, dass diese Einschätzungen nicht zu dir gehören. Sie wurden dir lediglich früher von anderen Personen, die selbst mit sich nicht im Reinen waren, suggeriert.

Um dir dabei zu helfen, deine Wahrnehmungen und Einschätzungen von Situationen zu ordnen, kann es nützlich sein, dir diese aufzuschreiben. Was ist genau passiert? Und was sind deine Schlussfolgerungen daraus? Was ist deine eindeutige Einschätzung und was sind demgegenüber vielleicht nur deine Ängste? Trenne diese Dinge klar voneinander. So klärst du deine Gedanken in aller Ruhe und kannst schauen, wie es wirklich nach der aktuellen Lage oder in deinem Inneren aussieht.

Werte dich nicht als Person ab. Oftmals kommen diese Gedanken ganz intuitiv in unseren Kopf. Wir gehen automatisch davon aus, nicht gut genug zu sein. Korrigiere diese kognitiven Fehlannahmen mit positiven Worten gegen. Stärke deinen Selbstwert.

Akzeptiere, dass jeder Mensch seine eigene Realität hat. Nicht zwangsläufig liegt man mit seiner Wahrnehmung falsch, nur weil jemand anderes sie anders wahrnimmt. Jeder Mensch hat zu einem gewissen Teil mit seiner Sichtweise eine Berechtigung. (Es sei denn, er schadet anderen Menschen und manipuliert andere Personen damit.) Alles in allem ist es also nicht nötig, sich selbst zu verurteilen oder infrage zu stellen, indem du Self-Gaslighting vornimmst. Du nimmst bestimmte Dinge so wahr. Du fühlst sie so. Du erinnerst sie so. Punkt. Das hat seine Berechtigung. Also glaube dir.