Eine neue Beziehung nach einer toxischen Beziehung zu führen, ist gar nicht so einfach. Das Vertrauen in den Partner genauso wie das Vertrauen in sich selbst ist weg. Wie schafft man es, sich nach einem emotionalen oder körperlichen Missbrauch wieder auf einen anderen Menschen einzulassen? Schließlich sollen die negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht das neue Liebesglück beschweren und womöglich sogar zunichte machen. Doch ehe man sich der Veränderung widmet, muss man zunächst erst einmal die Anzeichen der Last erkennen, welche man in die neue Beziehung trägt. Erst dann kann man daran arbeiten, um die neue Beziehung nicht zu gefährden. Und auch, um nicht etwa wiederholt auf einen toxischen Partner wie beispielsweise einen Narzissten hereinzufallen.
Neue Beziehung nach einer toxischen Beziehung: Psychische Altlasten
Wenn du eine neue Beziehung nach einer toxischen Beziehung führen willst, bringst du eine ganze Menge mit. Psychische Altlasten nämlich. Es ist gut, wenn du diese klar für dich veranschaulichen kannst. Nur so kannst du verhindern, dass dir eventuell ein neuer Partner schon wieder einflüstern will, du seist nicht gut genug. Um einen toxischen Menschen von einem Menschen unterscheiden zu können, der in sich ruht, musst du zunächst erst einmal im Reinen mit dir selbst sein. Das erfordert Selbstreflexion, die sich jedoch lohnt. Denn eine gesunde Liebe zwischen zwei Menschen, die aneinander und miteinander reifen wollen, ist nach wie vor erstrebenswert.
Wie fühlt es sich an, wenn man eine neue Beziehung nach einer toxischen Beziehung führt?
Du vertraust ihm nicht
Nach dem Missbrauch bist du ängstlicher und misstrauischer geworden. Hinter jeder gut gemeinten Geste witterst du eine narzisstische Manipulation. Immerhin hat dein Ex-Partner dir auch stets versichert, es gut mit dir zu meinen. Woher sollst du wissen, ob dein neuer Partner nicht auch selbstzentrierte Motive in sich trägt mit dem Ziel, dich für sein Selbst zu funktionalisieren? Es fällt dir schwer, die innere Stimme des Argwohns auszublenden.
Du zweifelst, ob er dich liebt
In einer toxischen Beziehung wurdest du als Mensch entwertet. Vielleicht hattest du schon immer an deinem eigenen Wert gezweifelt, fühltest dich minderwertig, da es dir in deiner Kindheit so getriggert wurde. Weil du dich selbst nicht wertschätzt, kannst du auch nicht glauben, dass ein anderer dein einzigartiges Wesen zu schätzen wissen könnte. Jedes Mal, wenn dein Partner dir tief in die Augen schaut und dir sagt, dass er dich liebt, denkst du zweifelnd: Ja, klar, und was willst du wirklich von mir? Sex?
Du bist in Habachtstellung bei allem, was er tut
Möchte dein Partner abends mit seinen Freunden ausgehen, schießt die blanke Panik in dir hoch. Was, wenn er dort jemanden anderes kennenlernt? Einen Menschen, der viel besser/lustiger/netter/unkomplizierter/sexier ist als man selbst. Unverzüglich sind alle Katastrophenszenarien in deinem Kopf aktiviert. Schließlich könnte schon morgen eure Beziehung vorbei sein?
Du beobachtest seine Mimik genau
In der Beziehung mit einem toxischen, narzisstischen Partner hast du dir angewöhnt, auf jede Regung von ihm zu achten. Selbst wenn du dachtest, etwas völlig neutral zu erzählen, kippte bei deinem Ex die Stimmung von jetzt auf gleich. Die Situation war nicht mehr zu retten, denn er war längst in seinem eigenen Film gefangen, in dem er dir unterstellte, nicht loyal zu sein. Dementsprechend achtest du in deiner neuen Beziehung nach einer toxischen Beziehung genau auf die Mimik und Gestik deines Partners. Du bemerkst sofort, sobald sich seine Tonlage ändert. Jedes Stirnrunzeln sensibilisiert dich für einen möglichen nächsten Streit. Vielleicht verschüchtert es dich und du wirst immer stiller. Eventuell gehst du aber auch gleich in die Konfrontation und stellst ihn zur Rede, ob ihm irgendetwas nicht passt oder er unzufrieden mit eurer Beziehung ist. So oder so, beide Reaktionen zeigen die Extreme nach einem psychischen und/oder physischen Missbrauch auf. Die gesunde Mitte zu finden, fällt dir schwer.
Du machst sofort dicht, wenn er dir etwas sagt
Wirst du kritisiert, gehen bei dir sofort die Scheuklappen runter. Oder anders ausgedrückt: Du fährst die Schutzwälle hoch. Du machst komplett zu, um dich vor dem vermeintlichen Angriff zu schützen, und verschanzt dich hinter einer Mauer aus Abwehr und Verschlossenheit. Natürlich kann es sein, dass dein neuer Partner ebenfalls die Strategien einer toxischen Manipulation anwendet, um dich zu entwerten. Das wird die Zeit zeigen. Damit du es zukünftig besser einschätzen kannst, ist es wichtig, seine eigenen charakterlichen Prägungen aus der Vergangenheit zu kennen und eventuelle Fehldeutungen aufgrund von Misstrauen und der Angst vor Ablehnung von dem intuitiven Bauchgefühl unterscheiden zu lernen.
Du spielst hin und wieder eine Rolle
Vielleicht hat dein Ex-Partner dir bei eurer Trennung hinterhergerufen, dass dich sowieso niemand würde lieben können, sobald man dich richtig kennenlernt. Eine solche Beleidigung ist vollständig abwegig – und du weißt das im Grunde auch –, dennoch geht dieser Satz bis tief in deine Seele rein. In deiner neuen Beziehung schwingt diese Ansicht, dass man nicht liebenswert sei, immer unterschwellig mit. Möglicherweise wird sie dadurch verstärkt, dass sie mit der inneren Stimme aus unserer Kindheit matcht, ergo dem Gefühl, nicht wertvoll zu sein. Damit einhergehend zeigst du auch nicht alle deine Facetten. Eventuell neigst du dazu, dich in bestimmter Art darzustellen und eine Rolle zu spielen. Das geht vielen Menschen, die aus einer toxischen Beziehung kommen, so. Es dauert eine Zeit lang, bis man wieder zu sich selbst findet, ganz und gar authentisch ist und sich selbst so annimmt, wie man ist – mit allen Facetten.
Übermäßige Angst, Wut, Misstrauen oder Eifersucht gehören zu den typischen Auswirkungen einer psychischen und/oder physischen Manipulation. Auch eine übersteigerte Euphorie und die Tatsache, dass man sich als Mensch nicht authentisch zeigen kann, sind mögliche Folgen nach einer psychischen Entwertung durch einen toxischen (beispielsweise narzisstischen) Partner. Eine neue Beziehung nach einer toxischen Beziehung zu führen, erfordert eine hohe Selbstreflexion und viel Geduld. Lerne dich selbst zu lieben, aber akzeptiere, dass Heilung Zeit braucht. Im nächsten Artikel unserer Reihe »Gesund lieben können« geben wir dir einige Ansätze mit auf den Weg, durch die du lernen kannst, an dir im Einklang mit deiner neuen Beziehung zu arbeiten: Nach emotionalem Missbrauch wieder lieben können – Gesund lieben können (2).