Leere Sitze und Räume. Ein Sinnbild der aktuellen Situation. © Jan Tik under cc

Derzeit erleben wir einen kollektiven Ausnahmezustand, der aber individuell sehr unterschiedlich erlebt wird und es führen viele Wege durch die Krise. Wir zeigen einige, Ihren individuellen Weg finden Sie dann bestimmt selbst. Wenn Sie von all dem überfordert sind, können Sie sich jederzeit an Profis wenden, es gibt auch da nach wie vor viele Wege: Etwa diese.

Struktur und Kompetenz zurück gewinnen

Auch innerhalb des Ungewohnten tauchen sehr bald Inseln der Gewohnheit auf. Wir müssen ja weiter Schlafen, Essen, die Wäsche waschen und so weiter. Das sind alles Tätigkeiten, die wir aus dem Alltag auch kennen und beherrschen, die uns ein Stück weit Normalität zurück geben und damit eine Welt, in der wir uns auskennen. Ebenso schnell können wir innerhalb des Unnormalen neue Routinen ausbilden und damit Struktur in den Alltag bringen, an der man sich entlang hangeln kann, wenn man allein ist. Oder solche, die eine gewisse Ordnung in ein Paar oder eine Familie bringen, die nun ungewohnt lange und intensiv bei einander sind. Einfache Regeln, die den Alltag strukturieren, oder mit denen man das aktuell richtige Verhalten einübt, vielleicht sogar spielerisch.

Allein sein und gedrubbelt sein, können jeweils als Belastung erlebt werden, aber das muss keinesfalls so sein. Es liegt immer auch an uns, Die Situation ist für alle ungewohnt, manche haben Angst, bleiben wir deshalb so gut es geht gelassen und freundlich, das schont die Nerven aller Beteiligten und minimiert den Stress.

Sehr viele Deutsche erleben die Zeit aber sogar als Entspannung (in der täglichen Zeit-Online Umfrage, derzeit fast 80%, entschleunigt ist der Begriff, der jetzt Konjunktur hat), weil sie nun endlich mal die Gelegenheit haben, die Dinge zu tun, die sonst immer liegen bleiben, weil eben so viel anderes zu tun war. Welche wären das denn bei Ihnen? Vielleicht das Buch, was Sie doch so gerne lesen wollten, oder einfach mal ausschlafen, vielleicht aber auch Ordnung in die Akten bringen oder den Keller aufräumen. Eine Serie schauen?

Oder wollten Sie schon immer mal etwas anfangen, ein neues Hobby? Mannschaftssport wäre jetzt unpassend, aber die Fremdsprache, oder Handarbeiten oder den Computer besser verstehen? Legen Sie los. Wann, wenn nicht jetzt?

Der weltgrößte Psychologenverband APA, hat folgende eigene Empfehlungen heraus gegeben:

  • Nutzen Sie verlässliche Quellen, um sich über das neue Coronavirus zu informieren. Auf dem Laufenden zu bleiben ist wichtig, Pausen aber ebenso. Eine ständige Beschäftigung mit Corona-Meldungen kann ebenso verunsichern und Ängste schüren wie Falschmeldungen.
  • Gestalten Sie Ihren Tag so bewusst wie möglich: Geben Sie sich einen festen Tagesablauf und halten Sie gewohnte Routinen bei – aufstehen zu bestimmten Zeiten, regelmäßig essen, arbeiten, lernen, sich bewegen, abschalten. Eine solche Struktur gibt Halt und Sinn und beugt schlechter Stimmung vor.
  • Schlafen Sie genügend, essen Sie abwechslungsreich und mit viel frischen Zutaten, machen Sie zu Hause Sport. Tun Sie sich zwischendurch etwas Gutes. Gehen Sie mit Drogen wie Alkohol und anderen Rauschmitteln bewusst und zurückhaltend um.
  • Bleiben Sie digital verbunden: Gehen Sie mit Video-Chats, Telefonaten, Textnachrichten mit Menschen in Kontakt, die Ihnen wichtig sind. Sprechen Sie über das, was Sie beschäftigt.
  • Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie tun können, und akzeptieren Sie die Dinge, die Sie nicht ändern können. Smartphone-Apps mit Achtsamkeits- und Entspannungsübungen helfen zusätzlich. Machen Sie sich bewusst, dass Sie gerade all das auf sich nehmen, um anderen Menschen das Leben zu retten.
  • Wenden Sie sich an einen Profi, wenn Ihnen alles zu viel wird – vor allem dann, wenn Sie mit Ängsten, starker Anspannung, Reizbarkeit und depressiven Stimmungen zu tun haben. Oft helfen schon einige Onlinesitzungen mit einer Psychotherapeutin. Viele Psychotherapeuten haben auf digitale Therapie umgerüstet.[1]

Einander noch mal neu kennen lernen

Wenn Sie ohnehin schon wissen, was Sie an einander haben, Glückwunsch. Genießen Sie die Zeit zu zweit, Ihnen wird bestimmt jede Menge einfallen.
Anders ist es bei den Paaren, bei denen unterschwellige Spannungen bestehen, die sie dadurch entspannen konnten, dass sie sich oft aus dem Weg gingen. Gründe vielleicht auch drängende Gespräche zu verschieben, gibt es viele. Davon fallen nun viele weg. Gönnen Sie sich die Zeit, sich auszutauschen, über das, was ihnen vielleicht schon länger auf der Seele lastet.

Provozieren Sie einander nicht. Männer neigen eher zur körperlichen Gewalt, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen, Frauen kritisieren und sticheln und treiben Männer damit oft in die Enge, das ist eine ungesunde Mischung, wie wir aus anderen Ländern schon wissen. Deshalb verabreden Sie auch hier feste Strukturen und unter Umständen einen oder zwei Räume für Auszeiten, in denen der anderen sicher sein kann, ungestört zu sein. Ein wenig Privatsphäre in der Gemeinsamkeit kann wichtig sein.

Wenn Sie lange schon eine Paartherapie brauchten, aber sich irgendwie nie getraut haben oder was auch immer, warum nicht jetzt? Weil da derzeit ja kein Schiedsrichter dabei ist? Darum geht es nicht. Wenn Sie denken, Paartherapie sei der Ort, wo ein anderen Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin mal so richtig die Leviten liest, sind Sie ohnehin schief gewickelt. Es geht um Sie beide, immer nur, Sie müssen es letztlich zusammen hin bekommen. Ein Paartherapeut ist kein Lehrer oder großer Vater, der „Du, Du, Du“ sagt. Er oder sie will nur helfen, dass Sie wieder mit einander reden können, respektvoll. Eine wunderbare Übung ist dazu das Zwiegespräch, das wir in Wie lerne ich meinen Partner kennen? vorstellten.

Vermutlich ist die kürzere Variante ausreichend, wichtig ist, dass der eine in der ersten Runde (von 20 oder 30 Minuten) redet, reden darf, auch mal stottern, schweigen oder weinen darf und der andere ihn dabei nicht unterbricht. Lassen Sie Ihre Partnerin einfach auf sich wirken, die Rollen werden ja gewechselt. Dann redet der andere und die erste schweigt. In der dritten Runde, von wiederum 20 oder 30 Minuten können Sie sich beide austauschen, darüber, wie Sie das Zwiegespräch oder den anderen erlebt haben.

20 Minuten ungestört reden zu dürfen ist sehr lange. Danach ist oft viel Spannung raus, was gesagt werden wollte, wurde gesagt. Verabreden Sie vorher bestimmte Themen oder ein bestimmtes Thema, damit nicht alles durcheinander gewirbelt und 20 Türen geöffnet werden. Ein bis drei Themen reichen, Sie können die Zwiegespräch ein bis zwei Mal pro Woche durchführen, das klärt.

Annehmen, was ist

Wen Sie sich tatsächlich mit Vorwürfen überhäufen und vielleicht beide gekränkt sind, verzeihen Sie sich und dem anderen das erst mal, so gut es geht. Wenn viele Worte zu vielen Missverständnissen führen, machen Sie eine Radikalkur. Setzen Sie sich gegenüber hin, so wie bei, Zwiegespräch oder wahlweise auch, wie zur Meditation. Nur vielleicht mit ein wenig mehr Abstand, zwei oder drei Meter.

Sie haben versucht zu reden, es hat nichts gebracht, also machen Sie es nun anders. Schauen Sie ihren Partner an, in meditativer Offenheit, aber nicht in die Augen, sondern etwa auf die Herzregion. Lassen Sie sich Zeit, damit die Emotionen, die inneren Worte und vielleicht das, was war sich langsam setzen können, wie Sediment, das sich allmählich am Grund des Meeres in den stillen Tiefen ablagert. Können Sie erkennen, was bleibt, wenn Sie Ihrem Partner gegenüber sitzen?

Atmen Sie ruhig und entspannt, lassen Sie kommen und gehen, was kommen und gehen will, schauen Sie es einfach nur an, vielleicht 10 oder 15 Minuten. Sagen Sie nun Ihrem Partner oder ihrer Partnerin ein Wort oder einen Satz, den Sie sagen wollen. Klar, konzentriert, das was Sie gesehen und empfunden haben. Was ist die Essenz, die wichtigste Botschaft, an ihren Partner, wenn Sie all das was war und ist, sich setzen lassen? Sprechen Sie es aus. Und dann der andere.

Nehmen Sie an, was Ihr(e) Partner(in) Ihnen gesagt hat. Sie können dann später immer noch drüber reden und streiten. Das können Wege durch die Krise sein.

Merkwürdige Paare

Es gibt merkwürdige Paare, die zusammen sind, um sich gegenseitig zu erzählen, wie furchtbar sie einander finden. Vermutlich brauchen gerade diese Paare einander in besonderer Weise und auch wenn es fraglich ist, ob das noch unter liebenswerte Marotte zu zählen ist, man wird selten was daran ändern können. Vermutlich sind diese Paare, da sie ohnehin immer streiten und einander Vorwürfe machen, aktuell in gar keiner besonders stressigen Situation.

Häusliche Gewalt wird zum Glück immer weniger bei uns toleriert, das darf auch ruhig so weiter gehen, im Falle von eskalierenden Situationen ist nach wie vor der Notruf das Mittel der Wahl, aber es muss ja nicht so weit kommen.

Alleinsein

Wollten Sie nicht noch Ihre Wolle verarbeiten? © Matthias Ripp under cc

Für viele ist das Alleinsein ein Gewinn, für manche lästig, für wieder andere ein Horror. Da ist in unserer Zeit das Internet ein riesiger Gewinn. Es gibt diverse Foren und Gruppen bei Ängsten vorm Alleinsein und es hilft oft schon, wenn man liest, dass es anderen auch so geht und man nicht der oder die Einzige ist, die so empfindet.

Ansonsten kann man auch hier die Zeit nutzen um sich selbst kennen zu lernen. Viele mussten über ihre eigenen Bedürfnisse hinweg leben, weil es immer scheinbar Wichtigeres gab. Eine gute Zeit zu erspüren, was Ihnen wirklich wichtig ist. Gerade die Menschen, die jetzt alleine herumsitzen können davon auch profitieren, wer drei Kinder managen muss, wird nicht viel Zeit zur Besinnung haben. Die Mehrzahl der Deutschen kommt mit der Situation aktuell ziemlich gut klar, wie oben erwähnt.

Wenn man allein ist, ist die Aufgabe größer, sich den Tag zu strukturieren, sich also (und wenn nach Tagen), dann doch anzuziehen, zu waschen, zu kochen und einfach auch hier neue Strukturen zu etablieren. Wer das alles genießt, der kann ja loslegen und seinem kreativen Potential Raum geben, das ist tatsächlich auch die Mehrheit. Wer Struktur braucht, kann sie sich selbst schaffen und auch inmitten aller Struktur kann eine neue Kreativität erwachsen. Der Sinn der Zen liegt darin, dass man bei dieser reduzierenden Methode, in eine Art der Freiheit kommt, wie man sie noch nie erlebt hat, nicht dass man Zwangsstörungen kultiviert.

Manche kultivieren auch ihr Eremitentum, sicher etwas, für eine Minderheit, aber gerade in diesen Zeiten könnte man merken, wenn das einem liegt.

Ein guter Tipp ist das Schreiben von Tagebüchern, eine Art konstruktiv und produktiv mit Spannungen umzugehen und irgendwann sicher mal historisch wertvoll. Aber erst mal schreibt man sie nur für sich und kann sie später immer noch rituell verbrennen.

Familien mit Kindern

Diese werden sich jetzt sicher nicht langweilen, auch hier sind klare Regeln und ein altersangemessenes Delegieren von Aufgaben sinnvoll, es sollten aber keine Regeln aus Prinzip sein, mit denen man seine Macht demonstriert, sondern im besten Fall sinnvolle, die das Zusammenleben in diesen Tagen oder Wochen erleichtern. Vielleicht auch hier mit Ruheräumen, in denen einzelne Familienmitglieder auch mal Zeit für sich haben können.

Auch hier haben Sie es selbst in der Hand, wie gut das Zusammenleben läuft, Eltern können lernen, Eltern zu sein, den Kurs vorzugeben und dennoch liebevoll und einfühlsam mit den Kindern umzugehen, die das je nach Alter auf ihre Art verstehen und verarbeiten müssen. Wir kennen diese Situation alle nicht und die Erwachsenen haben einen Vorsprung an Lebenserfahrung und Weitsicht.

Wenn Ihnen das zu viel wird, können Sie es ruhig aussprechen und sich gegebenenfalls entschuldigen, beim Partner und auch den Kindern. Sie erleiden dadurch keinen Autoritätsverlust, die Lage ist für alle neu und die Kinder lernen ganz nebenbei, dass auch Schwäche zu zeigen zu den Stärken des Lebens gehört. Aber auch hier kann es gut sein, dass dieses neue Beisammensein überwiegend Spaß macht.

Man darf auch zusammen traurig und ohnmächtig sein

Sie kommen mit all dem nicht klar? Sie haben Sorgen um nahe Angehörige oder sogar im schlimmsten Fall einen oder mehrere geliebte Menschen verloren? Erlauben Sie es sich, von der Situation immer wieder auch mal überfordert, verunsichert oder verängstigt zu sein. Das ist normal. Wenn ein lieber Mensch stirbt, ist man am Boden zerstört und traurig, das gehört einfach dazu. Trauer ist psychisch sehr gut, nur eben entsetzlich traurig. Wenn Sie nichts mehr empfinden, ist es viel schlimmer.

Auch Gefühle von kurzzeitig immer wieder mal auftretender Hilflosigkeit und Überforderung, bis zur gefühlten Ohnmacht, sind in solchen außergewöhnlichen Zeiten normal. Gestehen Sie sich ruhig ein, dass es Situationen gibt, in denen Sie augenblicklich nicht weiter wissen, wie denn auch? Es ist für uns alle neu und es gibt noch keine Muster und Referenzgrößen für solche Situationen. Also tasten wir uns vorwärts, probieren hier und da, machen gelegentliche Fehler, solange es keine schlimmen und vorsätzlichen Fehler sind, ist alles in Ordnung. Das Eingeständnis, dass man gerade überfordert ist, ist schon ein erster Schritt auf dem Weg zur Besserung. Denn das ist einem nun klar geworden und man kann zurück auf ‚Los‘ gehen und wieder bei dem ansetzen, was einem bekannt vorkommt. Seien Sie nachsichtig mit sich.

Machen Sie sich ihre Gefühle ruhig klar, sie sind ja da. Wenn Sie sie aussprechen, aufschreiben oder sogar kreativ damit umgehen können, haben Sie diese schnell hinter sich und können wieder die Kontrolle zurück gewinnen.

Raus aus der Opferrolle

Auch hier gilt, was in anderen Lebenssituationen gültig ist. Es gibt immer zweierlei: Die äußeren Umstände und die Art, wie man mit ihnen umgeht. Bei nahezu identischen äußeren Umständen gibt es ein ganzes Repertoire an Arten und Weisen, wie man auf sie reagieren kann. Geschockt, panisch, organisiert, aggressiv, besonnen, hysterisch, abwartend, besorgt, verharmlosend und vieles mehr, wir kennen das ja alle auch aus dem normalen Alltag.

Wenn man das eigene Muster kennt, umso besser. Man muss kein Held sein, gerade heute nicht, eher vorsichtig. Auch Angst ist normal und gehört dazu. Gut ist, wenn man sich dieser Angst ein Stück weit stellen und sie aus einer erträglichen Ferne genauer anschauen kann. Angst und ein klein wenig Paranoia ist heute sogar ein Vorteil. Mit Übermut schädigt man derzeit sich und andere eher, als dass man ihnen helfen kann.

Letzte Sicherheiten gibt es ohnehin nicht im Leben, ein Rest an Ungewissem bleibt uns Zeit unseres Lebens erhalten. Der Wunsch nach perfekter Kontrolle ist oft ein Wunsch der aus einer Ich-Schwäche resultiert. Auch das ist nicht schlimm, wenn man es weiß. Viele Ängste laufen in der letzten Konsequenz darauf hinaus, dass man anerkennen muss, dass es eben keine letzte Sicherheit gibt. Für niemanden. Aber es gibt gleichzeitig für jeden Mechanismen, die es einem ermöglichen, in Frieden weiter zu leben und immer entspannter zu werden.

Wir leben alle mit Ideen von Welt. Niemand weiß was kommt. Kein Wissenschaftler, kein Weiser, kein Supercomputer. Muss man aber auch nicht, weil man mit der Welt prima zurecht kommen kann. Wir Menschen sind – wir erleben es gerade – ungeheuer flexibel. Die soziale Vollbremsung klappt und viele kommen bestens damit klar. Manche genießen es ihre Familie mal wirklich um sich zu haben, andere Spaziergänge durch den Wald. Waldbaden wird das auch genannt und ist obendrein noch super fürs Immunsystem. Wann, wenn nicht jetzt, kann man den Frühling mehr genießen? Niemand kann Sie dran hindern es einfach mal zu tun.

Wir wissen nicht, was kommen wird, aber wir können immer sicherer werden, dass wir mit dem was kommen wird, klar kommen werden. Eben nicht, weil wir alles im Vorhinein wissen, sondern weil wir das Vertrauen haben können, dass wir auf alles Antworten finden. Bislang hat es gut geklappt mit den Menschen. Machen Sie sich das klar, auch Sie sind ein Teil dieser Menschheit, die immer wieder vor gigantischen Problemen stand und sie alle gelöst hat. Bei aller Kritik ist das zunächst mal bewundernswert.

Bleiben oder werden wir Optimisten

Es lief bei uns nicht reibungslos, zu Anfang, aber nun haben es so gut wie alle begriffen, dass die Lage halbwegs ernst ist und hoffentlich auch, dass wir selbst etwas dagegen tun können. Zumindest lief nach anfänglichen Leichtfertigkeiten, die Sache Umsetzung der Maßnahmen in den aller meisten Teilen des Landes und der Menschen dann doch ziemlich gut. Der für seine umfangreichen und mitunter launigen Kommentare auch in Zeit und Spiegel bekannte Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagt in einem Interview:

„Natürlich gibt es, wenn große Bevölkerungen betroffen sind, immer fünf Prozent Idioten, Dissoziale oder Panikbegeisterte. Das kann man aushalten, indem man sie isoliert und lächerlich macht.“[2]

Dafür können wir uns selbst gratulieren, denn wenn man zaghaften ersten Trends glauben darf, beginnen die Maßnahmen allmählich zu wirken. Grund zum Optimismus gibt es in jedem Fall und den kann man ein Stück weit sogar trainieren. Zu viel Optimismus kann zu Leichtsinn führen, aber ein moderater Optimismus tut gut, weil er selbstverstärkend ist.
Das Argument der Pessimisten ist oft, sie wollten und man solle sich nichts vor machen, doch das ist ein Stück weit zu kurz gesprungen, weil Pessimisten damit implizit unterstellen, ihre Sicht der Dinge sei die eigentlich richtige und alle anderen würde sich nur etwas vor machen. Aber die Sicher der Pessimisten ist nicht ‚die Sicht‘ der Dinge, sondern nur die pessimistische Version davon. Oft genug sind Misserfolgsorientierte und Pessimisten im Nachteil (sie zum Beispiel in: Warum immer ich?) und die manchmal vorhandene Idee nichts zu erwarten und sich auch nicht zu freuen, damit man auch nicht enttäuscht werden kann, sägt dem Leben auch die Spitzen nach oben ab.

Pessimismus ist etwas anderes als Melancholie, die auf vielfältige Arten des Sehnens beinhalten kann, das auf seine eigene Art tief und befriedigend sein kann. Der Pessimismus verstärkt sich oft selbst, der Optimismus oft auch und beides ist nicht nur vom Schicksal gegeben. Gut drauf zu sein, kann man lernen, durch eine reiche Vielfalt an Möglichkeiten, die nicht nur den Optimismus weiter verstärken, wenn die Lok mal rollt, sondern obendrein auch noch das Immunssystem verbessert. Auch das sind Wege durch die Krise.

Eckart von Hirschhausen erklärt die Zusammenhänge immer fundiert und unterhaltsam.

Unsere Möglichkeiten

In diesem wunderschönen Dom liegen die Gebeine der Heiligen Corona, die ironischerweise auch die Schutzpatronin der Seuchen ist. © Hühnerauge under cc

Logistik

Wir sind alles andere als passiv ausgeliefert und unser schärfstes Schwer ist aktuell die Logistik, aber vielleicht auch der schwierigste Punkt. Es ist verständlich, dass viele Menschen einen Test haben oder machen wollen, um endlich Gewissheit zu haben. Jedoch wären dann die Labors überlastet, viele Tests sind positiv aussagekräftig, aber nicht negativ (wenn man negativ ist, heißt das nicht unbedingt etwas) und die Maßnahmen, die es einzuhalten gilt, gelten aktuell ja ohnehin für alle. Hier ein Schema aus der Zeit.

Also versucht man bestimmte Menschen zu testen, nach einem bestimmten logistischen Schema, das immer wieder neu angepasst wird. Ziel ist es, Menschen zu testen, die Kontakte zu Infizierten hatten und später dann, jene zu finden, die wieder gesund sind und damit geschützt und an wichtigen Stellen, wie als in der Krankenpflege, als Putzkraft, in Supermärkten, als Busfahrer, Lieferboten, Handwerker, Arzt und so weiter, den gedrosselten Betrieb aufrecht zu halten. Auf einmal sind deutlich andere Berufsgruppen wichtig, hoffentlich wird das nicht zu schnell wieder vergessen!

Social Distancing ist eine drastische aber auch mächtige Methode, in der Washington Post wird die Wirkweise (auf deutsch) schön erklärt.

Hygiene

Erster und wichtigster Punkt bleibt das Händewaschen, weil die Tröpfchen, auch wenn man die Distanz einhält, an Oberflächen haften bleiben und an die Schleimhäute geraten, wenn man sich im Gesicht herum tatscht, was man über kurz oder lang immer mal wieder macht. Auf handelsüblichen Plastikoberflächen kann das Virus bis zu drei Tage überleben, da man die aber selten ablutscht, reicht es sich regelmäßig die Hände zu waschen, was man dann aber auch tun sollte.

Der Einsatz eines Mundschutzes hilft eher anderen, wenn man selbst infiziert ist oder sein könnte, im Verdachtsfall bleibt man aber ohnehin zu Hause. Da viele Infektionen ohne Symptome ablaufen, kann man ihn tragen, wenn man andere schützen will. Er ist, wie Prof. Drosten ausführt, eine Geste der Freundlichkeit, also durchaus sinnvoll. Sie wird jedoch vorerst noch nicht von jedem so aufgefasst, hier müssen wir noch dazu lernen.

Immunsystem

Und noch mal: Unterstützen und steigern Sie Ihr Immunsystem. Sie haben das alles schon mal gehört und wissen nun alles und irgendwie hängt Ihnen das schon zum Hals raus? Okay, das Wissen ist die eine Sache, aber was haben Sie heute aktiv für Ihr Immunsystem gemacht? Und was an den letzten beiden Tagen? Machen Sie zwei Dinge, die ihm und damit Ihenen helfen, dann helfen Sie sich und allen anderen auch. Der Punkt kommt in vielen Darstellungen manchmal zu kurz, dabei ist das Immunsystem unser ersten und natürlichster Verbündeter. Seien Sie gut zu sich und anderen. Denn, wer anderen hilft, auf Distanz, belohnt auch sich. Beides hat seine Zeit und Gültigkeit.

Helfen tut auf ganz natürliche Weise die Ruhe und der Schlaf. Freude und Musik. Meditation und Imagination. Gespräche, per Telefon, Skype oder dergleichen, mit Freunden und Familie, oder Internetforen und Social Media Gruppen. So wie eine Einbindung in natürliche Rhythmen, die dem Körper gut tun, abwechslungsreiche, gesunde Ernährung, frische Luft und Sonnenlicht und Sport oder zumindest Bewegung.

Medikamente

Es wird täglich daran gearbeitet gezielte Medikamente gegen Covid-19 zu finden, indem man Medikamente, die bei ähnlichen Erkrankungen helfen, einfach testet. Der Vorteil wäre, dass diese Mittel bereits zur Verfügung stehen und keine Zulassungen durchlaufen müssen. Zur Abfederung von Lungenentzündungen stehen aber auch heute schon zahlreiche Mittel zur Verfügung, es müssen längst nicht alle Patienten auf die Intensivstation.

Impfungen

Gegen Corona-Viren kann man impfen, aber die Entwicklung von Impfstoffen ist immer ein Wettlauf mit der Zeit und weil Sars-CoV-2 zwar für ein intaktes Immunsystem in der Regel nicht gefährlich ist, bei geschwächtem Immunsystem aber sogar tödlich sein kann.

Das ist ein Wettlauf mit der Zeit, in einigen Teilen unseres Landes ist Covid-19 längst durch, bevor der erste Impfstoff kommt und so lange müssen diejenigen geschützt und weiter isoliert werden, die den Schutz am meisten brauchen, alte und akut und chronisch Kranke Menschen.

Psyche

Vergessen wir eines nicht: Der Mensch ist unglaublich zäh und das gilt auch für jene, die das bislang nicht von sich wussten. Nicht nur unser Körper, sondern auch gerade auch unsere Psyche. In echten Notzeiten nehmen die psychischen Erkrankungen häufig auch ab, weil man seine Ängste und Sorgen nicht mehr projizieren muss, man hat nun echte Gründe dafür und damit können wir ziemlich gut umgehen. Das war schon Freud klar und auch, dass man Menschen in die Lage versetzen kann, mit dem Rest an realen Problemen, abzüglich der psychischen, fertig zu werden. Ein Problem könnte eher die erzwungene Enge und Nähe werden, dies muss aber nicht zwingend so sein.

Sie sind nicht stark? Ziemlich sicher doch. Erinnern Sie sich mal an das, was Ihnen im Leben schon gelungen ist. Das wird einiges sein, sonst wären Sie gar nicht so alt geworden, wie Sie jetzt sind. Aber das ist doch kinderleicht, was ich gemacht habe? Das sagen Sie, für andere ist es oft eine gewaltige Herausforderung. Was Ihnen kinderleicht fällt, ist für andere eine unüberwindliche Hürde und umgekehrt. Man kann vor allem Angst haben und nahezu alles kann einem irgendwann leicht fallen. Erinnern Sie sich an das, was Sie spielend hinbekommen, auch jetzt. Und dann an drei weitere Punkte. Wie viele finden Sie noch? Vieles ist eine Frage der Bewertung.

Wer einen Sinn im Leben gefunden hat oder vielleicht gerade jetzt findet, was in der Ruhe und Reduktion ungleich leichter möglich ist, als im Trubel des Alltags, kann Krisen besser und oft überraschend leicht durchleben. Was gibt Ihrem Leben einen tieferen Sinn? Was könnte ihm Sinn geben? Was wollten Sie immer schon mal machen oder wissen? Suchen Sie sich nichts zwangsweise irgendwas, folgen Sie Ihrer Intuition und Lust. Was berührt Sie, macht Sie an, elektrisiert Sie?

Achtung! Gerade wenn die Maßnahmen greifen: Nicht nachlässig werden

Ein Professor für Anästhesie erzählte mal, dass die meisten Menschen, die nach einem Unfall von Laien am Leben erhalten werden, wann versterben? Wenn der Notarzt eintrifft. Warum? Weil in dem Moment, wenn man sieht, dass nun Hilfe naht, die lebensrettenden Maßnahmen zu früh eingestellt werden.

Diesen Fehler dürfen wir nicht begehen, daher, gerade wenn erste Erfolge zu verzeichnen sind, muss man am Ball bleiben und darf nicht nachlassen.

Das Immunsystem der Menschheit wird hochgefahren

Die erste Welle von Covid-19 ist noch längst nicht durch und wird unser aller Leben nachhaltig beeinflussen. Wenn es in Deutschland zum Teil vorbei ist und die Maßnahmen für einige wieder gelockert werden können, beginnt es in anderen Teilen der Welt erst, die Folgen sind noch unabsehbar. Andere Länder können zwar von Erfolgen und Misserfolgen der ersten Länder lernen, aber nicht alle haben die gleichen Möglichkeiten, wie wir.

Ein Impfstoff wird gesucht und hoffentlich schnell genug gefunden, ob und wann SARS-CoV-2 mutiert, weiß man nicht. Es ist aber eher die Regel, dass bestimmte Viren mutieren, man weiß aber nicht, in welcher Geschwindigkeit und nach welcher Zeit. Es kann sein, dass SARS-CoV-2 nach einer Mutation aggressiver oder harmloser ist. Aggressive Viren können sich nicht gut ausbreiten, da der zu schnelle Tod des Wirts ihre Ausbreitung verhindert. Also pendeln sich in aller Regel eher moderate Formen als Dauerformen ein, da diese die Virusinformation über den Wirt am besten verbreiten. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht.

Aber die Welt wird wachsam sein und ihr Immunsystem ist nun aktiv. Man wird mehr Labore haben, mehr Betten, mehr Ärzte und Pfleger, mehr Erfahrungen. Bei all dem können wir relativ sicher sein. Dass es nicht mal neue Formen gibt, die weitaus aggressiver und tödlicher sind, dessen können wir nicht sicher sein und unsere Lebensweise ist dabei riskant.

Vielleicht ist es noch zu früh, aber die Frage drängt ja schon länger und sie ist grundsätzlicher Natur.

Wie wollen wir leben?

Das ist der Elefant im Raum. Die Coronakrise, die nun wirklich alle erfasst und uns in Deutschland mit viel Glück, mit einem tiefblauen Auge davon kommen lassen wird, in anderen Teilen der Welt ist Schlimmes zu erwarten, ist nun das wiederholte Ausrufungszeichen, das uns mahnt, unsere Lebensweise zu überdenken. Sicher ist es noch zu früh, für ein Resümee, aber so wie es aussieht, werden die Abstände gravierender Ereignisse doch immer kürzer.

Terror und Krieg, Klimawandel und Artensterben, Virusmutationen und vielleicht bald Resistenzen bei Antibiotika, Wassermangel und Müllberge, Energiehunger und Einschränkungen der Privatsphäre auch in Nichtkrisenzeiten. Migration und weitere Themen sind alle nicht vom Tisch. Auch über anderes müssen wir nachdenken. Carsharing und öffentliche Verkehrsmittel für alle sind eine tolle Idee, in Zeiten wie diesen aber hoch gefährlich.

Wäre die Reduzierung von Krankenhäusern, bei immer weniger Pflegekräften, für immer mehr Patienten in der Fläche weiter fortgeschritten als Sie es ohnehin schon ist, hätte sich auch bei uns eine Katastrophe einstellen können, die wir hoffentlich so eben noch vermieden haben.

Für unsere Art zu leben, sind wir ziemlich viele Menschen und es mag abgedroschen klingen, dennoch ist es wahr, dass die Krise immer auch eine Zeit der Besinnung und der Wende ist. Wann, wenn nicht jetzt? Das sind die weiter reichenden Wege durch die Krise.

Quellen