„Wie lerne ich meinen Partner kennen? Den kenne ich doch schon, schließlich sind wir seit Jahren ein Paar.“ Wen sollte man besser kennen, die Eltern und Geschwister vielleicht noch, oder sich selbst?
Eine berechtigte Frage und doch machen Paartherapeuten oft andere Erfahrungen. Paare kennen bestimmte Aspekte vom anderen Partner, es gibt immer wiederkehrende Muster, Rituale, bewusste und unbewusste Inszenierungen, doch so richtig kennen sich Paare nach Jahren erstaunlich oft nicht mehr.
Zeitmangel, Stress im Beruf und mit den Kindern, unterschiedliche Interessen und mehr führen nicht selten dazu, dass Paare mehr nebeneinander her leben, als zusammen. Als Interessen- oder Wohngemeinschaft vielleicht noch, als wirkliches Paar schleichend immer weniger.
Dabei geht es nicht nur um die Sexualität, sondern vor allem auch darum, das Interesse am Partner aufrecht zu erhalten. Oft bekommt man nicht richtig mit, dass sich der Partner verändert, eventuell tut man es selbst ebenfalls und irgendwann kommt die Feststellung, dass man eigentlich nie darüber gesprochen hat. Der Alltag funktioniert noch wie gewohnt, doch ansonsten ist der Partner einem fremd geworden.
Wird das von einem der Partner angesprochen, reagiert der andere oft genug mit Abwehr und Vorwürfen. Schnell ist die Situation dann angespannt und der oft resultierende Frust verhindert ein Näherkommen.
Das Zwiegespräch
Der Paartherapeut Michael Lukas Moeller hat eine Technik ersonnen, um diese Situation zu ändern. Im Zwiegespräch wird beiden Partnern Raum gegeben sich zu äußern, 90 Minuten lang: 30 Minuten der eine, dann der andere, am Ende beide. Man sitzt sich auf Stühlen genau gegenüber, nahezu Knie an Knie, und vermeidet alle Ablenkungen, legt alles aus der Hand, stellt das Telefon aus und schafft sich bewusst einen Raum um zu reden und sich aufeinander einzulassen. Dann wird erzählt, was einem gerade in den Sinn kommt, bezogen auf die Partnerschaft – im Spiegel des eigenen Empfindens. Man kann sprechen oder schweigen, weinen oder lachen, der Partner darf nicht unterbrechen, hört einfach zu.
Nun werden die Rollen gewechselt, 30 Minuten lang und es wird wieder geredet, geschwiegen, phantasiert, gesagt was man empfindet und der Partner lauscht und ist offen für das, was der andere sagt sowie fühlt und was in ihm selbst passiert. Es ist erstaunlich, was sich in dieser Zeit tut, wenn man sich aufeinander einlässt, was in dieser intensiven Atmosphäre kaum zu vermeiden ist.
Diese Zwiegespräche kann man in Krisenzeiten einmal pro Woche führen, auch in normalen Zeiten empfehlen sie sich, dann vielleicht einmal im Monat. Auch der Paartherapeut Matthias Jung würdigt diese Technik in seinem lesenswerten Buch „Das sprachlose Paar“ und stellt sie dort noch einmal ausführlicher vor, er hält eine Zeitdauer von je 20 Minuten für ausreichend.
Grenzen und Erweiterungen
Bemerkenswert ist, dass man bei diesem Zusammensein Facetten des Partners kennenlernt, die man vorher nicht bemerkt hat, die vielleicht auch keinen Raum bekommen haben, so das ein erstauntes „Das bist du?“ nicht selten eine anrührende Einsicht ist.
Andere Therapeuten und Berater, die mit Paaren arbeiten, vertreten die Auffassung, dieser Rahmen sie etwas zu steril und ritualisiert, wenn man es schafft sich auch so, in lockerer Atmosphäre, auszutauschen, könnte das genügen, doch oftmals ist dieser Austausch behindert. Wo er funktioniert ist nichts gegen eine andere Gestaltung einzuwenden. Die Erfahrung mit dem Zwiegespräch ist allerdings ein Erlebnis für sich.
Wichtig bleibt festzuhalten, dass die Partner ihre Geheimnisse haben dürfen, es ist nicht unbedingt ein Vorteil über alles zu reden. Paare, die überhaupt nicht mehr miteinander reden können, benötigen zunächst therapeutische Hilfe, um sich wechselseitig zu öffnen.
Quellen:
- Matthias Jung, Das sprachlose Paar, emu 1996
- Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit, rororo 1992