Wie sind Männer denn nun?

Mann steht breitbeinig in einer Stadtpassage.

Wie ist er nun wirklich, der Mann? © Klaus Wessel under cc

Die Antwort ist relativ einfach: heterogen. Dasselbe gilt für Frauen. Das heißt, das eine Element, was alle Männer und alle Frauen verbindet und vom anderen Geschlecht und Diversen unterscheidet, mag es vielleicht statistisch gesehen geben, die Frage ist jedoch, wie groß der Einfluss ist. Klar ist zumindest, dass Kinder in aller Regel beide Geschlechter-Rollen aufnehmen, sogar in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, da hier beide Partner ebenfalls Vater- und Mutter-Rollen integriert haben. Die Frage ist daher, wie diese Rollen interpretiert und das heißt vorgelebt werden.

Orientieren wir uns an dem Modell von Lawrence Kohlberg, dann gibt es große Unterschiede in der Einstellung und dem Verhalten von moralisch präkonventionellen, konfessionellen und postkonventionellen Männern. Das heißt, es gibt auch große Unterschiede in der Einstellung und im Verhalten zum anderen Geschlecht oder auch zur Idee der diversen Geschlechter, sowie mit allen anderen Bereichen des Lebens.

Seit den 1970ern erleben wir in Deutschland eine starke Frauenbewegung, die viel durchgesetzt hat und von der auch Männer zum großen Teil heute profitieren. Wie bei allen Bewegungen, die etwas Neues durchsetzen wollen, gab es Übertreibungen, die zusammen mit den veränderten Bedingungen der Arbeitswelt dafür sorgten, dass die Rolle der Eltern und insbesondere der Väter untergraben und mitunter entwertet wurde.

Inzwischen gibt es eine Trendwende, aber auch die Einsicht, dass Männer sich neu definieren müssen. Vermutlich läuft das schon recht organisch und unkompliziert die ganze Zeit mit, mit einigen abweichenden Bewegungen. Die Gleichberechtigung der Frauen ist ein sehr gutes Stück vorangekommen, das moralisch konventionelle Verhalten ist bei Männern und Frauen sehr ähnlich: Man stellt sich Schritt für Schritt und passt sich an die neuen Gegebenheiten an und hat irgendwann das Gefühl, man habe im Grunde immer schon diese Einstellung gehabt.

Die Einstellung postkonventioneller Männer ist heterogen. Es gibt einige, die den Feminismus unterstützen, aber ebenfalls einige, die eine Männerbewegung oder Emanzipation der Männer fordern und eine Benachteiligung von Männern und Jungen in einigen Bereichen anprangern. Alles in allem aber in einem konstruktiven Sinne, das heißt, es geht nicht um einen Kampf der Geschlechter, sondern ein letzten Endes faires Miteinander, bei unterschiedlichen Prämissen. Eine eher präkonventionelle Bewegung sind Incels, die eigene Erlebnisse gefühlter Ablehnung durch Frauen zum oft rechtspopulistischen Programm erhoben haben und Frauen verachten.

Es gibt ebenfalls Männer, die nach etlichen erfahrenen Ungerechtigkeiten, die es um das Sorgerecht gab, nun ihr negativen Erfahrungen zum privaten Feldzug machen und kaum noch vom eigenen Schicksal abstrahieren können. Doch auf der anderen Seite gibt es auch sehr viele, zu viele Frauen, die Erfahrungen mit Gewalt und sexuellen Belästigungen, sexualisierter Gewalt gemacht haben. Wenn wir das ganze Bild zeichnen wollen, muss man erwähnen, dass es maximale Berechnung und unfaires Verhalten, sowie Gewalt in Beziehungen auch von Seiten der Frauen gibt. Für betroffene Männer ist das oft extrem belastend, weil das Thema öffentlich nicht beachtet wurde und die Männer zudem noch als „Waschlappen“ angesehen wurden. Zuletzt muss man sagen, dass es auch sexuellen Missbrauch an Kindern gibt, der von Frauen ausgeht, auch das wurde zu wenig beleuchtet.

Doch erstens sind diese Fälle weit in der Unterzahl, wichtiger ist aber, dass es nicht ums Aufrechnen gehen kann. Wie wollen wir miteinander leben? Wollen wir uns wirklich unsere Schandtaten vorhalten und versuchen aufzurechnen, wer schlimmer ist? Um dann was zu tun? Uns zu rächen und das Unglücksrad weiterzudrehen?

Und die Arztbesuche?

Auch die sind eine Frage der jeweiligen psychischen Struktur. Es ist durchaus so, dass Männer ein ausgeprägtes Körperbewusstsein und eine große Sorge um ihren Körper haben können, auf Bewegung, Ernährung und Entspannung achten und in sinnvollen Fällen zum Arzt gehen, weil sie über ihren vielleicht biologisch etwas längeren Schatten zu springen gelernt haben und kooperieren.

Es wäre allerdings zu vereinfacht zu sagen, dass man jede Vorsorgeuntersuchung mitnehmen sollte. Dafür gibt es mehrere Gründe, die in der Ärzteschaft auch immer wieder diskutiert werden, es geht um die Relation von Nutzen und Schaden. Hat man zu viele unklare oder falsch positive Befunde, ist der immense Stress, der dadurch ausgelöst wird, samt einem halben Dutzend Folgeuntersuchungen, mitunter größer als der Nutzen.

Nicht immer lebt der planende Mensch besser, als der dem Schicksal sich ergebende. Und Lebensqualität ist durchaus ein Argument. Zudem ist Früherkennung extrem sinnvoll, aber keine Vorsorge. Auch das gilt es zu bedenken und zuletzt hat man alles Recht, die Prämissen seines Lebens selbst zu setzen, dann aber auch die Verantwortung der Konsequenzen, für sich, aber auch für andere. Insgesamt nichts, was man in ein einfaches schwarz/weiß-Muster pressen kann, es ist immer der einzelne Mensch zu betrachten und seine Geschichte, aber auch die Schlüsse, die zuerst er aus dieser zieht.

Oft heißt es, dass Männer zu etwas bereit sind, wenn es gelingt, ihnen etwas als Spiel zu vermitteln, das wäre dann eine gesellschaftliche Aufgabe, über das Thema hinaus. Es gibt keinen Grund die generelle Hoffnung zu verlieren. Es kommt auch hier auf jeden einzelnen Menschen an.

Und unsere gemeinsame Zukunft?

Gemeint ist nicht nur die von Männern und Frauen, aber auch die. Kurz gesagt, ich bin wirklich nicht glücklich darüber, dass Männer und seien sie auch alt und weiß, in Kommentaren entwertet werden. Diskriminierungen sind Diskriminierungen, egal in welche Richtung und ein ’damit die mal sehen, wie sich das anfühlt’-Revanchismus, mag im ersten Moment nachvollziehbar sein, aber schon beim oberflächlichen Nachdenken entlarvt er sich als aus der menschlich unteren Kajüte.

Ich sehe ein, dass Übertreibungen notwendig sind, um Veränderungen voranzubringen, weil sich bei unseren behäbigen Strukturen sonst zu wenig bewegt und das oft viele zu langsam. Dennoch bleibt so manches Foulspiel nichts weiter als das und ideologisch verbrämter Hass ist nicht besser, als der demonstrativ zur Schau gestellte, den irgendwelche seltsamen männlichen Gewaltphantasien, die außer Fremdschämen und Kopfschütteln, wenig in mir auslösen, nur, dass ich sehe, dass es sich eben auch um verletzte Menschen handelt, die die Unterstützung bräuchten, die sie leider oft nicht annehmen können.

Man muss sich nicht hassen oder entwerten. Bei mir kamen stets andere Stimmen besser an. In einer versuchten Aufarbeitung der Übergriffe der Kölner Silversternacht 2015/16 gab es Versuche von linker, feministischer Seite sich gegen die Vereinnahmung des Themas durch Rechtspopulisten abzugrenzen. Das ist als Motiv verständlich, in der Durchführung war das oft einfach gruselig. Eine Stimme war anders, die von Teresa Bücker, die einen anderen Sound hatte und offen eingestand, dass die Feministinnen es nicht alleine schaffen. Ob hier auch Männer angesprochen wurden, am Ende ihres „Das geht #ausnahmslos alle etwas an„-Artikels, weiß ich nicht, man könnte es meinen oder einfach eigenständig tun.

Ich hatte über die letzten beiden Jahre eine sich aus einem Zufall ergebende Arbeitsbeziehung mit einer jungen Frau, die mir irgendwann erzählte, dass sie sich in der Gegenwart von Männern generell unwohl fühlt. Auf meine Nachfrage nach schlechten Erfahrungen, sagte sie, dass sie keine brauche, weil sie genug Fälle kennt, bei denen die Erfahrungen der Frauen schlecht waren. Mich hat das berührt und dazu gebracht mich selbst zu fragen, ob ich es als Mann eigentlich wollen kann, dass Frauen sich in unserer Gegenwart generell unwohl fühlen. Meine Antwort ist, dass ich das nicht will.

Die Antwort ist klar, aber der Weg dahin ist so wenig eindeutig, wie die Frage, warum Männer nicht zum Arzt gehen. Ein breite Debatte darüber, wie wir alle hier in Deutschland miteinander leben wollen, ist notwendig, schon weil wir es hinbekommen müssen, wenn wir leben wollen.