Trennen oder bleiben? Diese Frage stellen sich viele Menschen, die sich in einer Partnerschaft, Affäre, Freundschaft plus oder einer ähnlichen Konstellation befinden, die sie nicht mehr glücklich macht. Oft sind die Betreffenden auf die eine oder andere Art finanziell eingebunden in die Partnerschaft. Oder sie wollen sich nicht wegen der Kinder trennen. Oder sie schaffen es nicht, sich zu trennen, weil sie Angst vor dem Alleinsein haben. Auch in vielen oft so benannten toxischen Partnerschaften, in denen mitunter eine starke Anziehung und Verbindung herrscht, aber auch viel Herabsetzung und mangelnder Respekt, fällt es manchen schwer, sich zu lösen. Die Dysfunktionalität der Partnerschaft mitsamt Beleidigungen, Trennungsandrohungen und manipulativen Verhaltensweisen führt bei den Betroffenen zu einer tiefen Verunsicherung. Sie glauben manchmal dem missbrauchendem Part mehr als ihrem eigenen Bauchgefühl.

Es gibt viele Gründe, warum jemand sich überlegt, ob er sich in einer Beziehung trennen oder bleiben soll.

Trennen oder bleiben? Eine Entscheidung muss her

Ob man sich trennen oder bleiben sollte, ist letztendlich »nur« eine Entscheidung. Aber eben diese fällt oft so schwer. Gerade bei Beziehungen mit vielen Konflikten steht der emotionale Zeiger in manchen Momenten auf »trennen« und in anderen wiederum auf »bleiben«. Ob du dich trennen sollst oder bleiben möchtest, diese Entscheidung können wir dir nicht abnehmen. Auch können wir dir keinen Leitfaden verschiedener Fragen an die Hand geben, mit dem du die einzelnen Aspekte deiner Beziehung prüfst und anhand der Menge der Dont’s dann die Trennung vollziehst. Dazu ist jede einzelne Beziehung und deine persönliche Lage viel zu individuell. Was wir jedoch machen können, ist, dir eine Standpunktsicherheit zu vermitteln. Dank dieser kannst du mehr Vertrauen in deine Entscheidung gewinnen.

Trennung? Was sagt dein Bauchgefühl?

Bauchausschnitt und Jeansbund

Trennen oder bleiben? Was sagt der Bauch? © Grace Boyle under cc

Nicht jeder Mensch vertraut seinem Bauchgefühl. Gerade verunsicherte Menschen haben Probleme damit, ihre Intuition zu erspüren und dann auch noch auf diese zu vertrauen. Dafür besteht jedoch eigentlich kein Anlass.

Der Psychologe und ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung Gerd Gigerenzer ist der Ansicht, man solle dem Bauchgefühl viel mehr zutrauen. In einem Interview mit dasgehirn.info sagt er, dass die Intuition wichtig sei. Nach seiner Ansicht ist vieles, was wir an Intelligenz besitzen, unbewusst und basiert auf langer Erfahrung, die wir jedoch nicht bewusst ausdrücken können. Dennoch sind wir fähig, sie zu fühlen. Unsere Intuition ist also gefühltes Wissen, das schnell ins Bewusstsein kommen kann, aber letztendlich wissen wir nicht wieso.

Unterbewusstsein: Meister der Informationsverarbeitung

Pro Sekunde verarbeitet unser Gehirn eine unglaubliche Menge an Informationen. Die meisten davon werden jedoch unbewusst verarbeitet. Nur sehr wenige verarbeiten wir bewusst. Das sind die, auf welchen im Moment unsere Aufmerksamkeit liegt. Der Rest passiert unbewusst.

In einem unguten Bauchgefühl vereint sich so manches Mal ein Ballen an Informationen, selbst wenn unser Bewusstsein sich nicht mehr klar an die einzelnen Punkte erinnern kann. Beispielsweise haben wir bei einer bestimmten Person ein ungutes Bauchgefühl, weil sie uns mit ihren Verhaltensweisen an eine andere Person erinnert, mit der wir keine guten Erfahrungen gemacht haben. Nun muss der zweite Eindruck entscheiden, ob sich die Intuition bestätigt sieht.
Oder wir haben ein ungutes Bauchgefühl, weil wir nach einer Trennung doch wieder in die Beziehung zurückkehren – und das, obwohl in der Partnerschaft derzeit alles friedlich ist. Doch diesen leisen Zweifel in uns, der in sich die vergangenen schlechten Erfahrungen mit dem Beziehungsmenschen bündelt, den können wir nicht ausblenden.

Inwieweit auf Bauchgefühl vertrauen

In der Psychologie hat sich oft gezeigt, dass unser Bauchgefühl umso verlässlicher ist, je mehr Erfahrungen wir auf einem Gebiet besitzen. Zum Beispiel müssen Feuerwehrleute oder auch Ärztinnen und Ärzte oft schnelle Entscheidungen treffen. Nicht selten geht es um Leben und Tod, da können sie nicht erst einmal vernunftgeleitet alle Für und Wider abwägen. Wer auf viel Erfahrung in einem bestimmten Gebiet zurückblicken kann, der wird intuitiv häufiger richtig liegen.

Obwohl natürlich die Frage bezüglich deiner Partnerschaft, ob du dich trennen oder bleiben solltest, von deutlich geringerer Brisanz ist, besitzt du im Grunde auch so etwas wie einen Expertenstatus in Bezug auf deinen Beziehungsmenschen. Du kennst ihn, vielleicht schon viele Jahre lang. Auch hast du ingesamt Wissen über Beziehungen, blickst eventuell auf vergangene Beziehungen zurück und weißt, wie du dir eine glückliche Beziehung vorstellst. Dem Bauchgefühl weniger Beachtung zu schenken, würde folglich der Wichtigkeit der unbewussten Informationsverarbeitung nicht gerecht werden.

Paar sitzt auf Steg am Wasser, Rückansicht

Harmonie? Fehlanzeige. Das gibt es bei euch nicht mehr. © Wyatt Fisher under cc

Zum zweiten gilt in der Psychologie, dass bei komplexen Entscheidungsprozessen das Bauchgefühl einen gewissen Vorteil hat, da unsere bewusste Verarbeitungskapazität begrenzt ist. Wir haben schlichtweg nicht alle Pros und Cons zeitgleich auf dem Schirm. Eine Pro-und-Kontra-Liste ist sicherlich hilfreich, um sich die Punkte für den Verbleib in einer Partnerschaft oder die Trennung vor Augen zu führen, aber auch hier werden wir wahrscheinlich nicht mehr alles bewusst erinnern. Alles Übrige regelt das Bauchgefühl.

Vernünftige Entscheidung: Bauch und Kopf

Die Psychoanalytikerin Maja Storch spricht in einem Interview mit zeitzuleben.de davon, dass eine optimale Entscheidung eine ist, bei der Verstand und Intuition koordiniert sind. Man könnte auch sagen, sie sollten beide in dieselbe Richtung weisen.

Spürst du in deinem Bauch, die Trennung wäre im Grunde die richtige Entscheidung, und zeigt dir dein Verstand ausreichende Gründe dafür auf, hast du bereits einen wesentlichen Richtungsanzeiger.

Pro Trennung, aber viele Ängste

Wenn du diesen Artikel liest und dich fragst, ob du in einer Partnerschaft, Affäre etc. bleiben oder dich trennen solltest, dann gehörst du vermutlich auch zu den Menschen, die viele Ängste in sich tragen und zum Grübeln, Katastrophisieren und zu Selbstzweifeln neigen. Vielleicht hast du Angst, du könntest das Leben ohne deinen Beziehungsmenschen nicht allein bewerkstelligen. Oder du hast schlichtweg Angst vor der Einsamkeit.

In diesem Fall musst du dir mehr Sicherheit verschaffen, um dein Bauchgefühl von den Ängsten zu befreien. Das geht zum einen durch das Sammeln von mehr Informationen. Informiere dich darüber, welche Hilfen du beantragen könntest, um finanziell abgesicherter zu sein. Schaue, welchen Jobs du vielleicht auch im Homeoffice nachgehen könntest, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen. Schließe dich beispielsweise mit anderen alleinstehenden Elternteilen kurz, wenn du einen gegenseitigen Wechsel bei der Betreuung der Kinder anstrebst. Selbst wenn der Weg gerade noch undurchsichtig für dich erscheint, nur mit dem Sammeln von Informationen zu möglichen Alternativen kann er klarer werden.

Trennen oder bleiben: Vertraue auf dich!

Darüber hinaus solltest du dir bewusst machen, dass du ein Mensch bist, der zum Sorgen machen neigt. Viele Probleme lösen sich, sobald man den Weg anfängt zu gehen. Es lässt sich nicht im Vorhinein alles antizipieren und kontrollieren, so gern wir das auch wollen würden. Das Wichtigste für ängstliche Grübelnde ist, auf sich zu vertrauen, dass sie in den entscheidenen Momenten entsprechend handeln werden. Und jenes wird sehr wahrscheinlich auch so sein. Denn vorsichtige Menschen, die zum Sorgen machen tendieren, sind zumeist auch kontrolliert und gehen diszipliniert ihren Weg. Vertraue darauf.

Bei der Frage, ob du dich trennen oder bleiben solltest, wird es vermutlich in vielen Fällen keine hundertprozentig sichere Antwort geben. Darauf zu warten, ist vergebliche Liebesmüh. Sozusagen gibt es nicht die perfekte Entscheidung. Aber es gibt die Entscheidung, mit der du am meisten im Einklang sein kannst, in Einklang mit deinen Bedürfnissen und Werten.

Trennen oder lieber bleiben? Selbstfürsorge

Schattenbild eines Paares, das die Treppe hochgeht

Durch unzählige Streits in der Beziehung fragst du dich, ob du dich trennen oder bleiben sollst. © Norbert Niehusen under cc

Womöglich liegt die Wahrheit auch nicht im Entweder-oder, sondern im Vertrauen darauf, dass jede Entscheidung – ob trennen oder bleiben – einen Prozess in dir in Gang setzt. Dem du Aufmerksamkeit schenkst und aus dem du lernen wirst. Die Bedenken, eine „falsche“ Entscheidung zu treffen, lähmen zahlreiche Menschen. Es kann hilfreich sein, für die momentane Situation und den weiteren Verlauf nicht die Maßstäbe von richtig oder falsch anzulegen, oder von passend oder nicht mehr passend. Statt in der Stagnation zu verharren, kann es mitunter notwendig sein, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, damit man endlich in Bewegung kommt oder das Thema abheften kann. Manchmal braucht es demgegenüber jedoch noch etwas Zeit, die man sich geben sollte. Das alles ist sehr individuell. Schau mal, was in dir klingt, wenn du darüber nachdenkst. Und dann folgst du dir selbst, fällst eine Entscheidung oder gibst dir noch etwas Zeit.

Konsequenzen von Entscheidungen

Ob sich die Entscheidung im Nachhinein als nicht optimal herausstellt, hat oft gar nicht so viel Gewicht, wie wir befürchten. Meistens ist es so: Wenn wir an uns zweifeln, zweifeln wir auch immer an unseren Entscheidungen, egal, in welche Richtung diese gehen. Wir müssen also vielleicht gar nicht auf die „richtige Entscheidung“ warten, sondern einfach auf unsere Entscheidung vertrauen. Denn optimal ist diese Beziehung nicht, sonst würdest du nicht derart hadern. Und wir können lernen, darauf zu vertrauen, dass wir mit jeder Konsequenz gut umgehen werden können. Also: Vertraue auf dich. Jede Entscheidung bringt dich weiter, schon allein deshalb, weil du dich selbst ernst genommen hast. Du hast etwas erkannt, was sich nicht gut anfühlt, und es bringt dich so sehr in Aufruhr, dass du immer wieder darüber nachdenken musst – also ist es ein Thema, was dich durchaus beschäftigt. Und diese Überlegungen, die du nun gerade tätigst, zeigen dir eigentlich nichts anderes, als dass du Verantwortung für dein Leben übernimmst. Ganz egal, zu welchem Schluss du gelangen wirst. Diese Erkenntnis allein kann schon bestärkend sein und steht für Selbstfürsorge.

Entscheidest du dich für eine Trennung, so heißt das nicht automatisch, dass du stark bist oder in der Beziehung gescheitert bist. Entscheidest du dich für ein Bleiben, so heißt das nicht automatisch, dass du schwach bist oder eine erfolgreiche Beziehung führst. Beide Entscheidungen können für Mut stehen, jede auf ihre Art. Wichtig dabei ist, die innere Haltung nicht außer Acht zu lassen. Aus welchen Gründen, Gefühlslagen und Motiven entscheidest du dich wofür? Sprechen Angst, Gewohnheit oder emotionale und existenzielle Abhängigkeit aus dir, wenn du zu einem Bleiben tendierst? Vielleicht siehst du aber auch noch Potenzial in der Beziehung und hast die Bereitschaft, zu einer Entwicklung beizutragen? Bevorzugst du demgegenüber die Trennung, weil du deinen Selbstwert schützen möchtest und die inneren Zweifel wegen des problematischen Miteinanders in der Beziehung nicht mehr länger übergehen willst? Vielleicht fürchtest du dich aber auch vor der Auseinandersetzung mit dir selbst und trittst die Flucht nach vorne an? Jede Situation ist individuell. Schaue mal, was in dir klingt.

Es kommt darauf an, dass du authentisch und liebevoll mit dir umgehst, dir nichts einredest oder dich abwertest. Gehe sorgsam mit dir um. Wenn du noch Zeit brauchst, brauchst du eben noch Zeit. Bewahre deine Würde, behandele dich liebevoll und nachsichtig, gestehe dir Zeit zu und erspüre deinen inneren Kompass. Bleibe dir selbst treu. Du darfst dein Leben so gestalten, dass es dir entspricht, und jenes kannst du in deinem ganz eigenen Tempo tun.

Eine Entscheidungshilfe

Zum Abschluss noch eine kleine Entscheidungshilfe:

Stelle dir dein Leben in zehn Jahren vor, wenn du in der Partnerschaft verbleiben würdest: Die jetzigen Probleme werden sich nicht in Luft auflösen. Solltest du dich in einer destruktiven Partnerschaft befinden, werden die Herabsetzungen und emotionalen Aufs und Abs dein Ich ordentlich ausgehöhlt und deine Seele geschwächt haben. Wie fühlt es sich für dich an, würdest du weiterhin in einer solchen Partnerschaft verharren?

Stelle dir jetzt dein Leben in zehn Jahren vor, wenn du dich zeitnah trennen würdest: Du hättest dir inzwischen dein eigenes Fundament aufgebaut, müsstest vielleicht finanziell mit einem geringeren Budget haushalten, aber du wärst unabhängig und würdest dich frei fühlen? Wie fühlt es sich an? Trennen oder bleiben?