Nach dem Vorstellen zweier direkt und indirekt von Schizophrenie Betroffener sollen schizophrene Erkrankungen aus psychologischer Sicht beleuchtet werden: Welche Symptome können auftreten, wenn Einbildung und Realität verschwimmen?

Schizophrenie: Klassifikation

Schizophrene Erkrankungen zeigen ein recht heterogenes Erscheinungsbild. Es existieren keine eindeutig die Krankheit kennzeichnenden Symptome, „man kann aber mehr oder weniger charakteristische Symptome bzw. Symptombereiche hervorheben“ (zitiert nach Möller et al., 2001).
Gemeinhin wird in schizophrene Positiv- und Negativsymptomatik unterschieden (in Anlehnung an Möller et al., 2001).

Schizophrene Positivsymptomatik

  • Wahnvorstellungen: krankhaft falsche Beurteilung der Realität, erfahrungsunabhängig, subjektive Gewissheit, Beispiel: „Morgen kommen sie mich holen. Überall sehe und höre ich die Dreizehn. Die Hausnummer gegenüber. Der Mann an der Kasse im Supermarkt hat davon gesprochen. Und das Nummernschild eines parkenden Autos hat es mir auch offenbart. Bitte, Sie müssen mir helfen. Sie werden mich holen kommen!“
  • Halluzinationen: Sinnestäuschungen, kann Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen betreffen, oftmals Stimmen hören, die sich über Person unterhalten und Anweisungen geben, Beispiel: „Ich habe Spinnen unter meiner Haut. Sie krabbeln und legen dort ihre Eier ab. Ich kann sie spüren.“
  • Ich-Erlebnis-Störungen: Veränderung der „Ichhaftigkeit“ des Erlebens, Grenze zwischen Ich und Umwelt erscheint durchlässig, Beispiel: „Die Leute in der U-Bahn können meine Gedanken lesen.“, „Die Gedanken in meinem Kopf sind nicht meine eigenen. Meine Nachbarin gibt sie mir ein über Telepathie oder Strahlen oder was weiß ich!“

Schizophrene Negativsymptomatik

Patient auf Liege, Krankenschwester behandelt, Psychiatrie früher

Psychiatrische Behandlungen heutzutage haben nichts mehr mit denen von früher gemeinsam. © Otis Historical Archives National Museum of Health and Medicine under cc

  • Alogie: Sprachverarmung und Antwortverzögerung, Beispiel: „Das ist ganz komisch. Alles ist weg. Ich weiß nicht, warum. Ganz komisch. Alles weg.“
  • Affektverflachung: Verarmung des Fühlens und der emotionalen Ausdrucksfähigkeit, Beispiel: „Ich bin nicht mehr froh. Alles ist durcheinander. Die ganzen Gefühle sind weg.“
  • Apathie: Antriebslosigkeit, Beispiel: „Manchmal bleibe ich wochenlang im Bett. Ich kann einfach nicht aufstehen.“
  • Anhedonie: kein Empfinden von Freude, Beispiel: „Ich kann mich nicht mehr über etwas freuen. Alles ist mir egal.“
  • Asozialität: mangelnde Konfliktfähigkeit, kaum soziale Interaktionen, Beispiel: „Die Menschen strengen mich an. Ich muss einfach nur allein sein.“
  • Aufmerksamkeitsstörungen: Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, Beispiel: „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich kann nichts mehr machen, ohne völlig erschöpft zu sein.“

Dabei gilt, dass nicht alle Symptome gleichermaßen auftreten müssen. Darüber hinaus ist das Fortbestehen der Symptome über einen gewissen Zeitraum für die Diagnosestellung ausschlaggebend. Außerdem müssen etwaige Hirnerkrankungen (oder auf das Gehirn einwirkende allgemeine Erkrankungen) ausgeschlossen werden.

Wenn Einbildung und Realität verschwimmen: Häufigkeit und Prognose

Verschwimmen Einbildung und Realität scheint es, als könne man sich auf nichts mehr verlassen. Schizophrenie gilt als eine der schwersten psychischen Erkrankungen. „Sie zählt weltweit zu den zehn Erkrankungen mit der größten Anzahl durch ‚Behinderung beeinträchtigter Lebensjahre'“ (zitiert nach Robert-Koch-Institut, 2010). Etwa ein Prozent der Bevölkerung erkranken weltweit mindestens einmal im Leben daran. Das häufigste Erkrankungsalter liegt zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr.

Mann mit Regenschirm und Gasmaske

Bei katatoner Schizophrenie verharren Patienten in einer Pose – manchmal stundenlang. © Sabbian Paine under cc

Dank der fortgeschrittenen medizinischen Versorgung haben sich die Prognosen für an Schizophrenie Erkrankte deutlich verbessert: „Durch frühzeitige Erkennung und Behandlung sowie konsequente Rückfallprophylaxe kann der Verlauf einer Schizophrenie günstig beeinflusst werden. In der Akut- und Langzeitbehandlung wird eine Symptomremission und Rückfallprophylaxe in ca. 70 % der Fälle erreicht“ (zitiert nach RKI, 2010). Ferner: „Bei etwa 20 % bis 25 % der Betroffenen bleibt es nach erfolgreicher Behandlung bei einer einzigen psychotischen Episode mit völliger Wiederherstellung der psychischen Gesundheit.“ Gemäß RKI kommt es bei den übrigen Patienten nach zwischenzeitlichen Phasen von Remission, die „von Symptomfreiheit bis zum Verbleib erheblicher Restsymptomatik mit kognitiven und sozialen Beeinträchtigungen reichen kann“, zu Rückfällen. Etwa 10-30 % der Patienten entwickeln einen chronisch progredienten Verlauf.
Das gleichzeitige Vorhandensein anderer körperlicher bzw. psychischer Erkrankungen (z.B. Suchterkrankungen) genauso wie mangelnde Behandlungsbereitschaft können sich negativ auf den Behandlungserfolg auswirken (RKI, 2010).

Schizophrenie bei Kindern?

Schizophren diagnostizierte Kinder bzw. junge Heranwachsende scheint es vergleichsweise selten zu geben. Gemäß einer Statistik des Robert-Koch-Instituts soll die Anzahl stationärer Erstaufnahmen schizophren Erkrankter pro 100.000 für die Altersgruppe der 12-14-Jährigen bei Null liegen (RKI, 2010).
Die diagnostische Problematik bei Kindern liegt, gemäß Mehler-Wex und Schriml (2013), darin, dass erste Symptome oft unspezifische vage inhaltliche und formale Denkstörungen seien und diese als entwicklungstypisches oder impulsives Verhalten ohne Krankheitswert gedeutet beziehungsweise häufig anderen psychischen Erkrankungen zugeordnet werden. Prof. Dr. med. Mehler-Wex ist Chefärztin der HEMERA-Klinik und erhielt 2006 den Homburger Preis für Forschungsarbeiten im Bereich schizophrener Erkrankungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter (HEMERA-Klinik, 2016).
„Meist lassen sich bei Erstmanifestation einer psychotischen Erkrankung retrospektiv schon im Kindesalter prodromale Auffälligkeiten explorieren. Die korrekte Diagnose einer Schizophrenie wird bei früh beginnenden Formen allerdings um bis zu fünf Jahre zu spät gestellt.“ (zitiert nach Mehler-Wex und Schriml, 2013)

Demnach ist weitere Forschung vonnöten, um etwaigen betroffenen Kindern bestmögliche Behandlung angedeihen zu lassen.

Im letzten Artikel unserer Reihe zu Schizophrenie werden mögliche Ursachen besprochen, sowie auch Behandlungsansätze, die dem Verschwimmen von Einbildung und Realität Einhalt gebieten sollen.

Quellen