Um Wege aus dem Leid bei psychischen Krisen zu finden, ist oft ein Perspektivwechsel nötig. Aber hier gilt es sorgfältig zu schauen. Den meisten wird es gelingen, für einen kurzen Augenblick die Perspektive zu ändern, ein Problem auch mal von der anderen Seite zu sehen, aber der Schmerz des Verlustes fängt sie wieder ein.
Man hat die alte Heimat verlassen und noch keine neue gefunden, eine Zeit der Verirrung und Verwirrung. Dieser Perspektivwechsel muss mehr sein, als ein flüchtiger Blick, damit er wirken kann. Das, was man verloren hat, muss wirklich betrauert und verarbeitet werden. Wohl dem, der Trauern kann, er hat es schneller hinter sich.
Wege aus dem Leid führen uns zu Sinnfragen
In der Phase des Abschieds, der Trauer und des Schmerzes taucht die Frage nach dem Sinn auf. Möglicherweise ist einem der Lebensinhalt oder ein Teil desselben genommen worden. Was nun? Ablenkung tut da mitunter gut, ein Gerüst, das einen durch den Alltag trägt: der Beruf, die Kinder, dass es irgendwie weiter gehen muss. Aber dass es genau so weitergeht wie bisher, ist schwierig, wenn das Ziel oder Motiv des bisherigen Lebens zerronnen ist.
Wege aus dem Leid zu suchen, heißt oft neue Ziele zu finden. Manchmal auch nur eine neue Sichtweise. Das was früher wichtig war, hat vielleicht an Bedeutung und Strahlkraft verloren, dafür sehen wir andere, manchmal kleine Dinge nun mit anderen Augen.
Nun weiß man, wer die wahren Freunde sind, was für das eigene Leben wirklich zählt und von Bedeutung ist. Verändert hat sich der eigene Blick.
Doch mit den alten Zielen können auch gefühlte Beschränkungen, die aus dem alten Weltbild stammen, sterben. Dieses Mangelbewusstsein, die Selbstdefinition über das, was nun nicht mehr da oder möglich ist, ist Teil der vorherigen Sichtweise. Es ist durchaus nicht selten, dass sich das, was als Mangel und Beschränkung in unser Leben kommt, später als Zugewinn erweist. Entwicklung, Emergenz, Kultur, all diese wohlklingenden Begriffe sind immer auch Beschränkungen gewesen, aus denen neue, größere Freiheiten erwachsen sind. Oder auch alte Freiheiten, die man vorher nicht zu schätzen wusste, weil sie so selbstverständlich waren.
Der Phönix aus der Asche
Damit man wirklich aufersteht und sich nicht nur die Dinge schönredet, muss eine innere Gewissheit mit dabei sein und eine echte emotionale Teilnahme. Wer das erste mal seit Jahren wieder lachen oder durchschlafen kann, wer wieder unbeschwert essen oder alleine einkaufen gehen kann, der weiß die vermeintlichen Kleinigkeiten des Lebens zu schätzen. Dennoch wird er für seine wirkliche Heldenleistung, ohne Panikattacke Bus gefahren zu sein, oder seine Erkenntnis, wie unendlich wichtig kleine Freuden doch sein können, keinen öffentlichen Beifall ernten.
Was uns zusetzt, ist die Unfreiwilligkeit. Wir mögen es nicht sonderlich, wenn jemand anders für oder über uns entscheidet, selbst dann nicht, wenn es das Schicksal ist. Zu Fuß zu gehen kann eine Quelle der Freude sein, das Lustwandeln, aber dieselbe Tätigkeit wird bitter, wenn man eigentlich lieber ein Auto hätte. Fasten tut gut, Hungern nicht.
Doch gleichzeitig ist die freiwillige Reduzierung eine Quelle des Glücks. Das selbstbestimmte Gefühl dieses oder jenes nicht mehr zu brauchen, frei von Ballast und Abhängigkeit zu sein. Oder sich selbst zu überwinden. Da ist er, der Phönix, der aus der eigenen Asche aufersteht. Die Zeit der Trümmerfrauen im Nachkriegsdeutschland war von Armut und Entbehrungen geprägt, doch man wusste, wo man hin wollte, es ging voran. Heute hat man oft viel erreicht und weiß nicht, wohin es gehen soll.
Wege aus dem Leid und Dankbarkeit
Wie verbindet man beides, die Freiwilligkeit und das Ziel? Man muss lernen Dankbarkeit zu entwickeln, aber Dankbarkeit kann man nicht verordnen. Man muss sie empfinden. Krisen sind gut, um es zu lernen, vielleicht geht es nur durch Krisen. Wer hält schon ohne Not inne, auf dem Lebensweg?
Um Wege aus dem Leid zu finden, ist Dankbarkeit zu entwickeln sicher ein Weg, aber einer der Zeit braucht und immer ein Wagnis ist, eine Gratwanderung, am Abgrund der Verzweiflung entlang. Auch vom Feuervogel (oben im Bild, im Käfig) heißt es, er sei Schuld am Schicksal des Helden.
Mit seinem Schicksal einverstanden zu sein, ist zu gönnen, nicht zu erzwingen. Abermaliges Scheitern eröffnet eine neue Möglichkeit.