junge Frau auf Spielzeug reicht zwei Männern die Hand

Einen an jeder Hand? Das kann zu Verwicklungen führen. © vinlos86 under cc

Affären in der Ehe oder in verbindlichen Beziehungen sind häufiger Anlass für Trennungen. Um das Thema „Affäre“ ranken zahlreiche Mythen. Zum Beispiel, dass eine Affäre der Beweis dafür ist, dass in der Ehe etwas schiefläuft. Oder dass Frauen generell treuer sind als Männer, dass eine Affäre immer das Ende einer Beziehung bedeutet oder dass gelegentliche Abenteuer einer eingestaubten Partnerschaft guttun. Manche glauben auch, dass Untreue der Beweis ist, dass der untreue Partner weniger liebt als der andere oder dass die Affäre kein Einzelfall bleiben wird. All diese Mythen stimmen im Einzelfall oftmals nicht.

Woher der Wunsch nach Exklusivität kommt

Die Wünsche nach Exklusivität im Hafen der Ehe oder einer verbindlichen Beziehung mit dem Gefühl der Zugehörigkeit und emotionalen Heimat verlangt nach Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, Schutz, Vertrauen und Verbindlichkeit. Neben der emotionalen Beständigkeit geht es auch um Themen wie Sicherung der Vaterschaft und Bindung von Ressourcen, um die Kinderbetreuung zu erleichtern.

Gründe für eine Affäre

Neben dem Wunsch nach Exklusivität haben alle Menschen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt, das Bedürfnis nach Autonomie, Freiheit und Offenheit. Sich wieder einzigartig, begehrenswert und vital fühlen und den Alltag hinter sich lassen – diese Emotionen treiben Partner aus der vertrauten Beziehung hinaus ins Abenteuer. Ein guter Partner für eine Affäre bietet eine Projektionsfläche für eigene angestaute Bedürfnisse und Träume.

Im analogen Zeitalter fanden sich Affären im realen Leben durch Face-to-Face-Kontakte. Im digitalen Zeitalter sind sie dank GPS-Ortung und perfektem Match auf entsprechenden Apps und Partnerbörsen oftmals nur einen Mausklick entfernt. Im Internet ist pornografisches Material permanent abrufbar, die sexuelle Fantasie bekommt unbegrenzt Futter, die Reize sind stark und hinterlassen ihre Spuren in den Wünschen für das eigene Leben.

Attraktive Personen mit einem zeitlichen und finanziellen Freiraum, offene Augen für Gelegenheiten, Erfahrungen in der eigenen Vergangenheit mit Untreue oder Trennung der Eltern oder selber schon einmal durchlebten Affären neben einer festen Partnerschaft werden im Durchschnitt häufiger in Versuchung geraten. Der Dritte schwebt dann neben der Beziehung immer ein Stück weit mit. „Gelegenheit macht Diebe“ – dies kann aus einer Situation heraus passieren, wo in der Kernbeziehung noch alles in Ordnung ist.
Zudem kann eine Affäre Fluchtort weg von einer Partnerschaft mit chronischen Konflikten und ungelösten Problemen werden. Dies betrifft dann Partner, die sich in der Beziehung nicht mehr gesehen fühlen, nur noch funktionieren oder nur noch unfreiwillig durch äußere Umstände mit dem Partner zusammen sind. Die Affäre als kleine Insel am Rande, in der Energie und Kraft aufgetankt werden kann.

Partner mit hohen Ängsten vor dem Alleinsein suchen auch häufig nach Ablösungspartner. Hier wird festgehalten und gleichzeitig weitergesucht. Ist ein neuer attraktiver Partner in Sichtweite und steht die Beziehung zu der Affäre auf stabilen Beinen, so wird im Rahmen der überlappenden Monogamie von einer Partnerschaft in die nächste gewechselt.

Paare haben Visionen einer gemeinsamen Zukunft vor Augen, planen mit viel Idealismus und empfinden zu Beginn der Beziehung oftmals starke Gefühle. Die romantische Trias sieht Liebe, Sex und Bindung innerhalb einer Beziehung vor: Frische Paare räumen sich gegenseitig oftmals eine vollständige Exklusivität der Beziehung ein. Wenn Kinder da sind, ist das geradezu erforderlich, damit Ressourcen wie Geld, Zeit und Gefühle in der eigenen Beziehung landen. Paare grenzen sich so von der Außenwelt verlässlich ab. Am Anfang einer Beziehung wird der Treuedefinition wenig Aufmerksamkeit gewidmet, da sich alles so gut anfühlt mit dem sehnsüchtig gewünschten Partner. Diese unausgesprochenen Definitionen haben dann so lange Gültigkeit, bis einer der Partner ausschert oder für sich Freiräume in Anspruch nimmt, die so nicht abgesprochen waren.

Es ist empfehlenswert bereits zu Beginn der Beziehung genau zu besprechen, wo die Abgrenzung der Partnerschaft verlaufen soll. Was ist exklusiv und wo fängt die Untreue an? Hier kann man gar nicht zu sehr ins Detail gehen, denn im Ernstfall hat jeder eine andere Definition im Kopf und Betroffene stellen fest, dass die feste Beziehung auf zwei völlig unterschiedlichen Bühnen des Lebens gespielt wurde.

Liebe und Erotik – ein Spagat?

Der Wunsch nach Nähe und Verbindlichkeit und das Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit sind geradezu Gegenspieler. Auch der Spagat zwischen Liebe und Erotik erscheint paradox. Kann ich den Partner, den ich liebe, auf Dauer begehren? Ist Liebe ihrem „Wesen“ nach monogam? Kann man zwei oder mehr Menschen lieben?

Entspricht das romantische Konzept („alles mit einem für immer“) der „Natur“ des Menschen? Lassen sich Liebe, Bindung und Sex in verschiedenen Bereichen ausleben? Habe ich ein Recht auf die Sexualität meines Partners? Habe ich ein Recht auf die Offenheit meines Partners? Bin ich verpflichtet, meinem Partner gegenüber offen zu sein? Ist Fremdgehen legitim, wenn ich mich verliebt habe? Habe ich auch in der Beziehung ein Recht auf Privatheit?

Liebe braucht Nähe und Erotik Distanz. Der sogenannte „Coolidge Effekt“ bezeichnet den wachsenden Überdruss, wenn ein Mensch ohne Abwechslung immer wieder mit demselben Partner Geschlechtsverkehr hat. Untreue kann in der digitalen Welt mit all den Bildern und unendlichen sexuellen Möglichkeiten vorprogrammiert sein. Die Affären und Casual-Dating läuft stärker als je zuvor in der Partnerschaft mit.

Dem Versuch, diesen Spagat zu meistern, stellen sich Paare mit zahlreichen nichtmonogamen Lebenskonzepten: offene Partnerschaft, Beziehungen mit mehreren Menschen (Polyamorie), „Freundschaften Plus“ und Swinger. Stellen sich Paare so auf, bedarf es erfahrungsgemäß einer sehr hohen Differenzierung und hervorragender Kommunikationsfähigkeiten. Ansonsten wird die primäre Paarbeziehung auf einen harten Prüfstand gestellt.

Wenn der Partner Verdacht schöpft

zwei Finger mit Gesicht

Kann es wieder was werden oder ist das Vertrauen zerstört? © Smarak Samarjeet under cc

Affären gehören zu den häufigsten Trennungsgründen, da sie die Primärbeziehung bedrohen. Untreue bedeutet einen Loyalitätsverlust. Sie wird als demütigend erlebt und geht mit einem Kontrollverlust einher. Urängste wie Einsamkeit, Scham oder Angst treffen auf Wut und Ärger. Eine Achterbahn der Gefühle ist vorprogrammiert.

Oftmals kommen Steine ins Rollen, wenn ein Partner Verdacht schöpft. Den Abdruck von Lippenstift auf dem weißen Hemdkragen mag es noch geben. Verdachtsmomente entzünden sich heutzutage aber eher durch die Medien: eine gelesene „WhatsApp“, nicht gelöschte Chatverläufe, verändertes Verhalten am Handy oder unbekannte Adressen im Navigationsgerät des Autos führen dazu, dass der Radar des Betrogenen angeht.

Der Partner mit der Affäre wird sich fragen: Was halte ich geheim? Welche Risiken gehe ich dabei ein? Verschweige ich, leugne ich, lüge ich? Der betrogene Partner wird sich fragen: Misstraue oder vertraue ich? Will ich wirklich alles wissen? In dieser Phase sind die Sinne geschärft. Wo gelogen wird, da wird auch übergriffig kontrolliert.

Affäre aufgeflogen – und jetzt?

Ist die Affäre aufgedeckt, befindet sich das Paar in einem Schockzustand. Der Betrogene hat die Kontrolle verloren, stellt alles in Frage und überlegt, ob die Beziehung die Kränkung überleben kann. Der Betrogene wird hin und hergerissen sein, wie viel er erzählen soll. Gibt es ein Geständnis oder eher doch ein Bekenntnis?

Diese Phase des Schmelztiegels zehrt an den Kräften beider Partner. Lautstarke Diskussionen folgen einem ungewohnten Gefühl von Nähe, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsstörungen, innerer Unruhe und ständigem Gedankenkreisen. Alles sehr typisch für diese Phase.

Oftmals verändern sich die überwältigenden Gefühle mit der Zeit, von daher sei vor einer vorschnellen Entscheidung abgeraten. Je selbstbewusster ein Mensch ist, umso eher wird er sich den Themen stellen und nicht sofort in die Flucht geht. Lassen Sie sich Zeit. Gefühle regulieren sich und eine Affäre sieht in der Woche 1 völlig anders aus als im Monat 3.

Die Entscheidungsphase

In der Folgezeit kommt es dann zu interessanten Veränderungen. Häufig reagieren die Hauptakteure anders als erwartet. Es gibt seit längerer Zeit wieder intensive und ehrliche Gespräche zwischen den Partnern. Paare, die oftmals lange keinen Sex mehr hatten, schlafen wieder miteinander. Alles ist aus dem Ruder gelaufen, die Spielregeln, die vorher Bestand hatten, werden nun in Frage gestellt. Es wird nach Lösungen gesucht.

Der untreue Partner hat oftmals ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig ist er im Spagat zwischen Affäre und Partner und muss im Falle der Trennung einen Trauerprozess durchlaufen, bei dem ihm der betrogene Partner logischerweise nicht zur Seite stehen kann und will. Schuld und Scham müssen überwunden werden, damit wieder in aufrechter Haltung eine Beziehung auf Augenhöhe stattfinden kann. Gibt es eine Chance auf einen Neuanfang? Gibt es Probleme, die geklärt werden müssen? Der betrogene Partner wird sich fragen, ob er vergeben und verzeihen soll und wie er wieder Vertrauen finden kann. Er hat zahlreiche Fragen und endlose Gedankenketten werden durch seinen Kopf streifen. Der Fokus besteht darin ein Gefühl der Kontrolle zurück zu bekommen über den Zeitraum, in dem er nichts von der Affäre wusste. Gleichzeitig muss er sich vor der Fülle an Details und Bildern schützen. Keine einfache Zeit, denn es besteht die Gefahr sich in einer Chronifizierung der Kränkung zu verlieren, in der Verletzungen wechselseitig weiterlaufen und es zu ständigen Vorwurf-Rechtsfertigung-Zyklen kommt, welche die Partnerschaft nachhaltig schwächen.

Neue Spielregeln statt Schweigen

Entschließen sich die beiden Partner in der Beziehung zu bleiben, muss eine Aufarbeitung von chronischen Konflikten oder Problemen in der Beziehung und dem Gewesenen stattfinden. Es sei davor gewarnt zu schnell in eine neue Ordnung überzugehen und zu verleugnen, was passiert ist. Dies ist die Zeit für die Überarbeitung alter Spielregeln und für eine Innenschau der Beziehung. Stimmen noch die Rollenverteilungen? Wie geht das Paar mit der Exklusivität weiter um? Stimmt noch die Definition von Treue?

In allen Phasen (von der heimlichen Affäre, über die Entdeckung und Aufarbeitung der Affäre bis hin zur Neuausrichtung) kann es hilfreich sein, den Rat eines erfahrenen Paartherapeuten in Anspruch zu nehmen, dessen Rolle in der Vermittlung und Emotionsregulation besteht. Gespräche laufen unter Beisein eines neutralen Beraters strukturiert und weniger emotional ab. Der Blick nach vorn und eine systematische Vorgehensweise im Umgang mit den Situationen wird als sehr hilfreich und entlastend empfunden. Blinde Flecken für eigene Probleme in der Beziehung können aufgedeckt und nachhaltig behoben werden.

Viele Paare überwinden eine Affäre, auch wenn es allen Beteiligten viel Mühe kostet. Am Ende steht idealerweise eine ehrlichere und manchmal auch gefestigtere Beziehung. Jedes Paar, das einmal eine Affäre überwunden hat, wird den Inhalt des Spruches „in guten und schlechten Zeiten“ nun neuartig definieren und verstehen.