Seit Jahren geistern widersprüchliche Daten über das Übergewicht durch die Medien. Metastudien erweisen regelmäßig, dass Menschen mit Übergewicht länger leben als Normalgewichtige. Wie kann das sein?
Fixierung auf den Body-Mass-Index (BMI)
Der BMI gibt das Verhältnis von Körpergröße zum Gewicht an und ist ein willkürlich ersonnener Wert und nicht etwa das Ergebnis medizinischer Studien. Zudem ist er unterkomplex. Nach dieser Berechnung wäre der Modellathlet Wladimir Klitschko im austrainierten Zustand übergewichtig mit der Tendenz zur leichten Fettsucht (BMI 28,1).
Schon der Laie erkennt, dass hier etwas nicht stimmen kann. Grund ist, dass Muskeln schwerer sind als Fett, womit jeder gut trainierte Schwerathlet als übergewichtig oder sogar leicht fettsüchtig gilt.
Auch die medizinisch offenbar bedeutsame Verteilung des Fettes wird mit dem BMI nicht berücksichtigt. Der moppelige Mensch mit Fett am ganzen Körper ist weniger gefährdet Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen, als derjenige mit dickem Bauch.
Trotzdem geben die Studien denjenigen Entwarnung, die nicht fragwürdigen Schönheitsidealen hinterherhechten, in denen Magersucht als attraktiv propagiert wird. Wer was „zuzusetzen“ hat, wie es früher hieß, ist nicht schlecht dran.
Es gibt jedoch, wider Studienlage, dennoch Hinweise, dass eine Unterernährung, ohne Magelernährung (mit ausreichenden Vitalstoffen), ein Weg zum langen Leben sein kann. Auch hier muss man sehen, dass ein Patient mit ausgeprägter Krebskachexie oder eine schwer essgestörte Bulimikerin nicht mit einem gesundheitsbewussten, schlanken Menschen zu vergleichen ist, diese Differenzierung fällt beim BMI ebenfalls durch die Maschen.
Adipositas oder Fettsucht
Als halbwegs gesichert darf gelten, dass echte Fettsucht krank macht, genauer gesagt ist Fettsucht bereits eine Krankheit. Fettleibig, aber kerngesund, das ist eher ein Mythos.
Dass adipöse Menschen zunehmend ausgegrenzt und diskriminiert werden, ist dennoch kein schöner Zug, zumal es ihre Probleme eher verstärkt. Ein schmaler Grat ist die Diskussion über das Verschulden. Adipöse Menschen stellen sich manchmal in eine Reihe mit Menschen mit Handicap, über die auch nicht gelästert wird. Doch anders als bei der Fettsucht, kommen diese Menschen oft gehandicapt zur Welt, dick geboren wird niemand.
Auch die Stoffwechselerkrankung, die dann oft als Begründung herhalten muss, ist nicht selten durch chronisches Überessen selbst gebastelt.
Aber dennoch werden die Weichen früh gestellt und wenn die gemästeten Kinder bewusst entscheiden könnten, ist der Zug bereits vielfach abgefahren. Realistisch gesehen gibt es kaum Chancen, massives Übergewicht je wieder zu verlieren. Essen übernimmt hier eine Stellvertreterfunktion für Aufmerksamkeit und Liebe. Wo Kinder mit der Chipstüte vorm Fernseher geparkt werden, sind Leckereien oft der Ersatz für Zuneigung. Diese Kinder können die Vielzahl ihrer Bedürfnisse dann irgendwann nur noch als „Hunger“ wahrnehmen.
Wenn Sexualität ein Thema werden könnte, sind adipöse Kinder diejenigen, die wieder nichts abbekommen, was ihren Frust nur vergrößert und gewohnte Kompensationsmuster tendenziell vertieft. Es wird noch exzessiver gefuttert, sie igeln sich noch mehr ein. Und Stress kann tatsächlich biochemisch die Gewichtszunahme begünstigen.
Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen Onlinespielsucht und Fettsucht. Wer „draußen“ nicht ankommt, sucht sein Heil gerne in virtuellen Welten, wo wenigstens etwas Anerkennung zu erwarten ist.
Fettsucht als Phänomen der Unterschicht
Die Eltern fetter Kinder sind oft selber adipös und vor allem ungebildet. Galt das Wohlstandsbäuchlein früher als Kennzeichen dafür, es geschafft zu haben, ist die Mittelschicht heute oft schlank, während die Unterschicht immer dicker wird.
Die Fähigkeit zu kochen, gesunde Nahrung, Minderwertiges und Schädliches zuordnen zu können, ist nicht vorhanden und so verstärken sich diese Faktoren. Viel zu viel Zucker und schlechtes Fett schon von frühester Kindheit an. Die Nahrungsmittelindustrie tut alles um diesen Trend auszubauen, da gerade die typischen Kinderprodukte massiv zu viele Kalorien enthalten.
Das erschreckende Resultat ist eine Epidemie dicker Kinder, denen nach etwa 20 Jahren eine Epidemie an Diabeteserkrankungen folgt. Die Kosten und Folgekosten dafür sind immens, die gesundheitlichen Folgeschäden ebenfalls.
Überhaupt ist echte Fettsucht ein Risikofaktor weiterer schwererer Erkrankungen am Herz-Kreislauf-System, der Atmung, dem Bewegungsapparat, für Stoffwechselerkrankungen bishin zum Krebs.
Übergewicht, ein weltweites Problem
Nicht die US-Amerikaner, nicht die reichen Europäer, die arabische Halbinsel ist führend im Bezug auf Übergewicht. Und auch in den aufstrebenden bevölkerunsgreichsten Staaten China und Indien nimmt das Übergewicht epidemisch zu. Sogar in Afrika gibt es parallel zu den Hungerregionen Menschen mit Übergewicht.