Zu viel Cortisol im Körper führt dazu, dass du seelisch kaum »runterkommst« und entspannen kannst. Welche Gedankenmuster und Verhaltensweisen damit einhergehen und wie du diesen begegnen kannst, verraten wir dir in diesem Artikel.
Zu viel Cortisol: Funktional vs. schädlich
Wie alles im Körper hat auch Cortisol, ein Hormon, das über die Nebennierenrinde ausgeschüttet wird, eine nützliche Funktion. Zunächst jedenfalls. Hast du vielleicht gerade besonders viel zu tun, musst aufmerksam und leistungsfähig sein, unterstützt Cortisol dich dabei. Zusammen mit Noradrenalin und Adrenalin sorgt Cortisol für eine gesteigerte Leistungsfähigkeit von Gehirn und Körper. Deine Konzentration wird fokussierter und deine Körperkräfte werden mobilisiert.
Dauert der stressige/herausfordernde Zustand jedoch zu lange an, kann es im Körper zu einem chronischen Stresserleben kommen. Die andauernde Cortisolausschüttung führt unter anderem zu gestörtem Schlafverhalten, Herzrasen, Brain Fog, Bluthochdruck, Ängsten, Gedankenkreiseln, Nervosität, innerer Anspannung und auch Panikattacken oder Spannungskopfschmerzen sowie weiteren körperlichen und psychischen Symptomen. Vielleicht hast du sogar körperliche Schmerzen ohne eine somatische Ursache, die auf eine versteckte Depression hindeuten könnten.

Das menschliche Nervensystem ist ein komplexes Gefüge, das durch äußere Reize aus dem Gleichgewicht geraten kann. © Mandroid under cc
Kurzum: Die kurzfristige Funktionalität des Cortisols schlägt also langfristig ins Gegenteil um.
Für Betroffene ist es wichtig, nach einer Abklärung in der Hausarztpraxis, bei der medizinische Ursachen für den erhöhten Cortisolspiegel ausgeschlossen wurden, seelisch wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Wie kann dir das gelingen?
Erhöhter Cortisolspiegel: Psychische Ursachen
Wir leben in einer Welt/Arbeitswelt, die dem einzelnen Menschen viel abverlangt und herausfordernd und stressvoll ist. In gewisser Weise reagiert unser System also völlig normal auf somatisch und seelisch ungesunde Ereignisse. Beständiger Stress und Arbeitsdruck versetzen uns in einen »vegetativen Überlebensmodus«. Möchte man diese Komponente aus dem Weg räumen, hilft es also nur, die externen Umstände zu ändern. Wir können andenken, einen neuen Job zu wählen oder die Stunden zu reduzieren oder durch eine aktive Freizeitgestaltung mehr Gegengewicht zu schaffen. Das ist so schnell dahin geschrieben, die Umsetzung ist aber alles andere als einfach. Deshalb sprechen wir von »andenken«. Es geht darum, erst einmal den Bedarf im Geiste aufzumachen. Vielleicht fügt sich dann manches und es kommen neue Optionen auf einen zu.
Auch die Kindheit kann dazu beitragen, dass wir Arbeitsdruck und Stress zu sehr an uns heranlassen. Wir haben Angst, nicht zu genügen. Wir fühlen uns beschämt, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Vielleicht neigen wir auch dazu, für zu viel die Verantwortung zu übernehmen, weil wir uns noch nicht so gut abgrenzen können. Oder wir katastrophisieren, den Job zu verlieren, und grübeln auch sonst ständig und viel.
Nicht wenige Menschen, die schnell unter Stress geraten, haben häufiger mit negativen Prägungen, Glaubenssätzen und Gefühlen aus der Kindheit zu kämpfen. Möglicherweise hast du nicht die Liebe erfahren, die dir als Kind zusteht. Eventuell musstest du immer etwas leisten, um gesehen zu werden. Oder du wurdest in einem dysfunktionalen Elternhaus häufig herabgesetzt und beschämt. Und jetzt fühlst du dich sofort in die Gedankenwelt von damals zurückversetzt, sobald dir ein Fehler oder vermeintliche Schwächen aufgezeigt werden. Auch der Leistungsdruck in der Schule sowie eine eventuell dort stattgefundene emotionale Gewalt können eine Rolle spielen, warum für uns im Erwachsenenalter Herausforderungen so stark von Ängsten und Erwartungsdruck begleitet sind.
Zu viel Cortisol: Was tun?
Um vegetativ wieder ins Gleichgewicht zu kommen, schauen wir uns einmal typische Denkmuster und Verhaltensweisen an, die häufig damit einhergehen, wenn wir uns zu sehr unter Druck setzen. Daraus lassen sich mögliche Ansatzpunkte ableiten, wie wir dem ständigen Gestresst sein etwas entgegensetzen können.
Du kannst nicht abschalten – und nun?

Zu viel Cortisol im Körper lässt Menschen ängstlich und ausgelaugt fühlen. © Global Panorama under cc
Ständig bist du auf dem Sprung. Wie ein Duracell-Häschen ackerst du dich durch den Alltag. Vermutlich hast du sogar ein schlechtes Gewissen, wenn du dich mal ausruhst. Möglicherweise kommen dir solche Gedankenmuster bekannt vor: »Wenn ich heute einen freien Tag habe, dann mache ich aber wenigstens die Wäsche etc.« So ganz nebenbei.
Wir brauchen dir nicht zu sagen, dass du kein schlechtes Gewissen zu haben brauchst, nichts tun musst und dich entspannen kannst. Vermutlich weißt du das selbst. Aber das Gefühl in dir sagt etwas anderes. Schau mal, warum du dich schuldig fühlst, wenn du nichts tust. Wurdest du vielleicht in der Kindheit immer wieder angetrieben, fleißig zu sein? Hattest du Angst loszulassen und wolltest Dinge kontrollieren, weil du befürchtet hast, etwas Schlimmes könnte passieren, wenn du es nicht tust? Hinterfrage deine Glaubenssätze. Woher kommen diese? Und dann grenzt du dich davon ab. Sie gehören nicht mehr in deine Erwachsenenwelt. Du musst nichts leisten, um deinen Wert zu beweisen. Du darfst auch einfach sein.
Und ja, das Problem ist, die Aufgaben müssen abgearbeitet werden. Sie unerledigt zu lassen, führt nur dazu, an einem anderen Tag mehr machen zu müssen. Es nützt also wenig, einem überlasteten Menschen zu sagen: Lass alles so sein, wie es ist. Zumal es auch stresst, beispielsweise ständig auf die Wäscheberge zu blicken und zu wissen, dass man diese noch abarbeiten muss. Genauso wie sonstige Aufgaben in der Wohnung. Was also kannst du tun?
Zeitfenster für mehr Effizienz
Hilfreich sind Zeitfenster. In der Psychologie gibt es einen interessanten Effekt. Wählst du zu kleine Zeitfenster für die Erledigung bestimmter Aufgaben, gerätst du unter Stress. Wählst du zu große, brauchst du unbewusst oft länger für die Abarbeitung der Aufgaben. Je mehr Zeit wir uns für eine Aufgabe nehmen, umso mehr wird uns einfallen, was wir diesbezüglich noch tun müssten. Wir verzetteln uns, verstricken uns in Perfektion oder arbeiten langsamer (schließlich haben wir ja Zeit!). Unser Gehirn merkt sich im Anschluss jedoch oft, dass wir für eine bestimmte Aufgabe diese längere Zeit benötigen würden. Ergo: Machen wir die Aufgaben in unserem Kopf größer, als sie sind. So denken zumindest viele, die sich häufig unter Druck setzen und versuchen, alles richtig zu machen.
Doch eigentlich könntest du die Aufgaben auch effizienter innerhalb kürzerer Zeit erledigen – ohne dich zu stressen. Haben wir ein angemessenes Zeitfenster zur Verfügung, um die Aufgaben im Flow effizient zu absolvieren, haben wir im Anschluss Zeit für Entspannung.
Über angemessene Zeitfenster sind die Zeiten von Anspannung und Entspannung klar voneinander abgegrenzt.
Du glaubst, Leistung ist an Leid geknüpft
Natürlich glaubst du das nicht bewusst. Aber unbewusst besteht bei vielen diese Assoziation. Eine geleistete Arbeit ist nur dann etwas wert, wenn man sich für diese so richtig angestrengt hat. Fällt etwas sehr leicht, so hat es automatisch für viele Menschen weniger Wert.
Der Zeitgeist in unserer Kindheit war (und ist bis heute): Du musst dich anstrengen, wenn du etwas erreichen willst. Wenn du versagt hast, dann hast du nicht alles gegeben. Du musst noch mehr machen. Du kannst alles schaffen, wenn du dich nur genügend anstrengst.

Der klassische Burnout kann ein Zeichen von zu viel Cortisol im Körper sein. © David Mulder under cc
Angst und keine überzeugende Selbstwirksamkeit können einen nachteiligen Einfluss auf die Arbeitsleistung haben. Effizientes Arbeiten hat sich in vielen Bereichen als lohnenswert erwiesen, wohingegen Perfektionismus den Arbeitsfluss hemmt. Leistungsängstliche Menschen verstricken sich oft in einer Aufgabe und haben Probleme, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Wesentlich zielführender – und seelisch gesünder – ist das Ansteuern eines Arbeitsergebnisses mit Aussagekraft, das einige wesentliche Punkte berücksichtigt, ohne sich in unzähligen Details oder dem Streben nach Perfektion zu verlieren. Außerdem gilt: Tue so, als ob! Tue so, als seist du ein selbstbewusster Mensch, der genau weiß, was er macht. Ängsten und Selbstzweifeln wird kein Gehör mehr geschenkt. Und dann tätigst du bei deiner Arbeit die dafür notwendigen Schritte, um eine Aufgabe zu erledigen. Wir können uns bis zu einem gewissen Grad dahingehend beeinflussen – bis wir es tatsächlich mehr glauben.
Pausen für mehr Abstand
Mit Abstand auf eine Aufgabe zu blicken, klart oft den Blick und verschafft mehr Gelassenheit. Außerdem zeigt sich häufig, dass es hilfreich für die Konzentration sein kann, die erste Pause früher zu nehmen. Man sollte nicht warten, bis man sich gar nicht mehr konzentrieren kann. So werden dem Gehirn zwischendrin Gedankenpausen verschafft – und du kannst dich insgesamt mit mehreren kleinen Pausen länger konzentrieren. Es kann also sinnvoll sein, in einem bestimmten Zeitfenster eine Aufgabe zu erledigen und dann eine kurze Pause zu machen. Kurz mal ein paar Bewegungsübungen einbauen und am Fenster frische Luft schnappen. Anschließend folgt die nächste Aufgabe.
Zudem sollte es nach einem Arbeitstag eine längere Pause geben, um dem Gehirn Ruhe zu gönnen. So kannst du dich am nächsten Tag wieder frisch an neue Aufgaben machen. Darüber hinaus motiviert es (das ist bekannt), sich im Anschluss an eine Arbeitsaufgabe Schönes vorzunehmen, um sich zu zeigen, dass ein Leben nicht nur aus Leistung und Arbeit besteht. Mahnungen von älteren Menschen und auch Sterbenden, das Leben mehr zu genießen, Zeit für Freundeskreis und Familie zu haben, sollten wir uns öfter vor Augen halten.
Reminder: Leistungsangst ist auch Angst vor Ablehnung
Wie im Artikel bereits angeklungen, steht hinter einer Leistungsangst oder übermäßigem Erwartungsdruck auch eine Angst vor Ablehnung (nicht anerkannt oder ausgegrenzt zu werden, zu versagen oder sich lächerlich zu machen). Das kann damit zusammenhängen, dass wir nie erfahren haben, wie sich eine bedingungslose Liebe anfühlt.
Viele von uns definieren sich über ihr Tun, weil sie früher auf die Art Anerkennung von ihren Bezugspersonen bekommen haben. Womöglich sprichst du oft darüber, wie beschäftigt du bist und wie schwer dein Leben ist. Das ist sicherlich zutreffend. Die meisten haben übermäßig viel zu tun. Eventuell werden die empfundenen Belastungen aber zusätzlich noch verstärkt, weil man einen emotionalen Ballast aus der Kindheit mit sich herumträgt. Weil Arbeitsaufgaben für uns mit der Angst verbunden sind, einen Fehler zu machen oder nicht zu genügen, werden ständig Stresshormone im Körper ausgeschüttet. Ergo werden die Aufgaben als belastender, angstmachender empfunden – und wir sind erschöpfter davon, weil wir nebenbei unsere Ängste und Selbstzweifel regulieren müssen.
Die Ängste definieren – und loslassen
Auch in diesem Punkt kann eine seelische Aufarbeitung helfen. Zum einen müssen wir erkennen, dass der emotionale Ballast aus Versagens-, Ablehnungs- und Verlustängsten uns den Arbeitsalltag erschwert. Zum anderen müssen wir erfahren, dass die große antizipierte Katastrophe in der Regel ausbleibt. Die Welt geht nicht unter, wenn wir nicht versuchen, alles zu kontrollieren oder vorwegnehmen zu wollen. Eine effiziente Arbeit mit gutem Ergebnis reicht völlig aus. Wir können loslassen und dürfen das Leben auf uns zukommen lassen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass sich vieles fügen wird und sich stets ein Weg findet.
Letztendlich geht es bei der Problematik von zu viel Cortisol im Blut darum, Körper und Psyche zu zeigen, dass sie in Sicherheit sind. Das kann unter anderem über eine Körperpsychotherapie, Traumatherapie oder traumasensibles Yoga, allgemein Yoga oder anderen Sport, Meditation und Atemübungen etc. geschehen. Es geht um ein Vertrauen in das Leben, in Gott, den Lauf der Dinge (oder woran auch immer du glaubst) und ums Loslassen.
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