Toxische Eltern klingt als solches sehr hart. Insbesondere wenn man die eigenen Eltern als toxisch bezeichnet. In Zusammenhang mit Menschen, die destruktive Verhaltensweisen an den Tag legen, mit denen sie anderen schaden, hat sich der Begriff »toxisch« etabliert. Und deshalb verwenden wir ihn im Hinblick auf diesen Artikel, damit diejenigen, die danach suchen, auch einen entsprechenden Ratgebertext dazu finden.
Toxische Eltern: Warum Kritik sein darf
Nicht wenige Personen stellen einen Menschen als nicht loyal hin, wenn dieser seine eigenen Eltern kritisch betrachtet. Dann kommen Sätze wie: »So kannst du doch nicht über deine Eltern sprechen!« Das Resultat solcher Reaktionen ist, dass du dich dann noch mehr falsch fühlst, abgelehnt und allein und beschämt, so wie du dich vielleicht schon die ganze Kindheit über gefühlt hast. Reden wir also Klartext.
Natürlich sind deine Eltern quasi auch zum ersten Mal Eltern in ihrem Leben. Sie leben dieses Leben das erste und einzige Mal und machen entsprechend Fehler. Das trifft umso mehr zu, wenn sie selbst auf eine negative Weise in ihrer Kindheit geprägt worden sind. Ungeachtet dessen macht es einen Unterschied, ob man sich als erwachsene Person reflektiert, mitfühlt, das eigene Verhalten gegenüber den Kindern hinterfragt und verändert – oder ob man ungefiltert alle Launen und Degradierungen an den Schutzbedürftigen auslässt. Immerhin sind diese auf einen angewiesen und können nicht fort.
Dahingehend bestehen also schon mal zwei »Gruppierungen«. Eltern, die Fehler machen, es aber gut mit einem meinen und sich ändern wollen und können. Und solche, die sich im Recht fühlen, manipulativ sind, Frustrationen frei herauslassen, die Bedürfnisse des Kindes stets und ständig übergehen und keinerlei Änderungswillen mitbringen.
Anzeichen von Eltern mit destruktiven Verhaltensweisen
Nicht immer ist alles schwarz und weiß. Vielleicht gibt es auch Phasen in deiner Kindheit, die gut gelaufen sind. In denen deine Eltern liebevoll waren und du immer wieder auf eine Änderung ihrer Verhaltensweisen gehofft hast. Doch unmittelbar im Anschluss kam es zu Enttäuschungen.
Vielleicht unterstützten sie dich finanziell. Und nun hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du ihnen auch noch ihr Verhalten vorrechnest. Letztendlich ist es die »Fürsorgepflicht« von Eltern, dafür zu sorgen, dass ihr Kind gut im Leben ankommt. Selbst wenn sie also ihre Pflicht in finanzieller Hinsicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfüllt haben, so haben manche es in seelischer Hinsicht nicht getan. Da sie ihr Kind psychisch destabilisierten.
Oftmals funktionieren diese Eltern auf Paarebene ebenfalls nicht so gut. Viele führen miteinander eine destruktive Beziehung und lassen dann ihre Anspannungen am Kind aus. Das Resultat davon ist, dass du nicht nur selbstunsicher und ängstlich bist und nicht auf dich vertrauen kannst, sondern selbst im Erwachsenenalter in destruktive Beziehungen gerätst, weil du keine anderen Werte und Umgangsweisen in der Elternbeziehung vorgelebt bekommen hast. Wir leben nun mal zuerst das, was wir kennen.
Schauen wir uns nachfolgend die wichtigsten Anzeichen toxischer Eltern an. Natürlich ist die Liste nicht erschöpfend und darf auch gern in den Kommentaren unter dem Artikel ergänzt werden.
Du bist ihnen nicht gut genug
Toxische Eltern vermitteln dir direkt oder indirekt das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Sie stellen dich infrage, glauben dir nicht, was du sagst, und unterstellen dir oftmals schlechte Absichten. Ständig kritisieren sie an dir herum. Sich selbst dagegen empfinden toxische Eltern als absolut richtig. Du merkst einfach, dass sie kein Zutrauen in dich haben. Vieles ist deine Schuld, obwohl du mit den meisten Sachen nicht einmal direkt etwas zu tun hattest. Typische Beispielsätze wären:
- »Na ja, wenn du meinst, dass das richtig ist, was du da vorhast. Du wirst schon sehen, was du davon hast.«
- »Warum kannst du nicht so sein wie deine Schwester/dein Bruder?«
- »Immer muss man dir alles dreimal erklären. Ihr Kinder von heute seid wirklich dumm!«
- »Also wir haben das damals anders gemacht. Und es hat euch auch nicht geschadet. So wie du mit deinen Kindern umgehst, werden sie dir irgendwann auf der Nase herumtanzen.«
- »Der XX hat einen viel besseren Job als du. Du strengst dich einfach zu wenig an.«
- »Wegen dir habe ich jetzt die Zeit vergessen! Nun komme ich nicht rechtzeitig zum Termin, weil du immer so lange beim Anziehen brauchst.«
Keinen Raum für Bedürfnisse
Deine Bedürfnisse haben keinen Raum. Du wirst kontrolliert und eingeengt. Schon als Kind solltest du dich unterordnen und funktionieren. Dass du ein eigener Mensch bist, der seine Persönlichkeit kennenlernen und entfalten möchte, wurde nie gesehen und war nie von Belang. Stattdessen solltest du keine Probleme machen. Die Bedürfnisse und Launen toxischer Eltern stehen dagegen deutlich im Mittelpunkt. Ihre Stimmungen waren in deiner Kindheit maßgeblich für die Alltagsgestaltung. Waren sie gut gelaunt, hatte man mit ihnen Spaß. Sank das Stimmungsbarometer, musstest du dich auf Schimpftiraden und Bestrafungen gefasst machen. Hast du die Nähe gesucht, wurdest du zurückgewiesen. Du spürtest Ablehnung und emotionale Kälte. Geht es um deine Probleme, besteht ein großes Desinteresse seitens deiner Eltern. Sie tun deine Gefühle ab. Statt dich zu trösten, gehen sie in den Vergleich mit dir oder lenken thematisch schnell auf sich.
Vielleicht sind in deiner Kindheit solche Sätze gefallen beziehungsweise fallen bis heute noch:
- »Halt deinen Mund und lasse mich endlich in Ruhe.«
- »Boah, ich kann jetzt nicht! Immer willst du irgendwas! Ständig muss ich irgendetwas für dich machen!«
- »Ist mir egal, ob du noch Hausaufgaben machen musst. Du gehst jetzt los und bringst meine Schuhe zurück in den Schuhladen. Tausche sie um. So schwer ist das doch nicht. Hausaufgaben kannst du auch später noch machen.«
- »Ich habe mir schon gedacht, dass du dich irgendwann so verhalten wirst. Na ja, es ist schon tragisch, dass du dich nur um dich kümmerst und nicht an andere denkst. Wir haben dir deine Ausbildung bezahlt und all das. Und nun willst du wegziehen?«
- »Wo bist du denn schon wieder? Wir wollten spontan bei dir vorbeikommen und du bist nicht da. Du hast doch gesagt, du musst heute im Homeoffice arbeiten.«
- »Mein Gott, ist doch nicht schlimm, wenn du den Praktikumsplatz nicht bekommen hast. Mach nicht so ein Drama daraus. Ich habe damals immer alle Arbeitsplätze bekommen, die ich wollte. Keine Ahnung, warum das bei dir nicht klappt.«
Funktionaler, statt warmherziger Umgang
Euer Umgang ist nicht von einer beständigen, liebevollen Wärme geprägt. Du kannst dich nicht auf die bedingungslose Liebe deiner Eltern verlassen. Funktionierst du so, wie sie es wünschen oder wie es ihren Vorstellungen entspricht, fallen einige Bröckchen Zuneigung für dich ab. Handelst du dagegen nach deinen eigenen Vorstellungen, die konträr zu denen deiner Eltern gehen, wirst du abgestraft.
Manche Eltern sprechen in unangemessener Weise über ihre Probleme mit den Kindern, selbst wenn diese noch jung sind. Sie haben beispielsweise Probleme in ihrem Liebesleben und wollen diese jetzt loswerden. Dabei beachten sie nicht, dass sie dem Kind viel zu viel an Verantwortung für ihren eigenen Gefühlszustand aufladen. Sind die Eltern traurig, glaubt das Kind nun, irgendwie helfen zu müssen, damit es dem Elternteil wieder gut geht.
Vielleicht spürst du inzwischen auch, dass deine Eltern dich in eine bestimmte Richtung zu ihren Zwecken manipulieren wollen. Dir wird vielleicht Angst gemacht oder etwas eingeredet, damit du dich für oder gegen eine bestimmte Sache entscheidest. Oder du wirst gegen eine Person aufgehetzt, damit du dich ihr nicht zuwendest und kontrollierbar bleibst. Häufig findet sich ein solches Verhalten bei Eltern, die bereits getrennt sind und gegeneinander hetzen.
In Bezug auf einen kaltherzigen und funktional-manipulativen Umgang können solche Sätze gegenüber dem Kind auftreten:
- »Du Heulsuse! Jetzt hör auf zu flennen. Reiß dich mal zusammen!«
- »Hat dein Vater etwas über mich gesagt? Sonst lästert er doch auch immer und lässt kein gutes Haar an mir.«
- »Das habe ich so nie versprochen. Da täuschst du dich aber gewaltig. Du musst mal richtig zuhören und nicht einfach nur etwas behaupten.«
- »Weißt du, der XX hat mich schon wieder verlassen. Deshalb mag ich heute nicht aus dem Bett steigen. Er hat gesagt, dass ich ihm zu eifersüchtig bin. Aber er hat ständig andere Frauen angeschaut und mich auch betrogen. Das ist so schlimm. Hoffentlich wirst du später nicht so ein Mann. Gott sei Dank, bist du jetzt noch ein Kind. Egal, jedenfalls bin ich heute zu nichts fähig. Machst du uns heute Frühstück?«
Toxische Eltern: Abstand ist wichtig
Jetzt im Erwachsenenalter solltest du zu toxischen Eltern auf Abstand gehen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass ihr euch nicht mehr seht. Es könnten einfach größere Intervalle für Treffen sein. Es ist wichtig, zu erkennen, dass es sich um toxisches Verhalten handelt, das nichts mit dir zu tun hat. Versuche, dich abzugrenzen, und den Verhaltensanteil deiner Eltern nicht zu dir zu nehmen. Ihre Abwertungen, Manipulationen, Schuldzuschreibungen gehören zu ihnen und nicht zu dir. Wollen toxische Eltern dir ein schlechtes Gewissen machen, kannst du auch das getrost bei ihnen belassen. Indem du gedanklich zwischen ihnen und dir eine Glaswand stellst und ihre Verhaltensanteile auf ihrer Seite belässt, kannst du innerlich eine Grenze ziehen und mehr auf Abstand gehen. Natürlich kannst du für sie da sein und hilfsbereit sein, aber aufopfern und innerlich auflösen solltest du dich nicht. Übernimm stattdessen eine gesunde Eigenverantwortung für dich.