„Benimmt“ sich Toxoplasma gondii bei einer Infektion des Menschen mit ihm weitestgehend unauffällig, scheint Toxoplasmose durchaus einige Auswirkungen auf unseren Körper zu haben, sodass Forscher vermuten, dass dieser Parasit sogar Verhalten beeinflusst. Das geht jedoch nicht nur dem Menschen so, auch andere Lebewesen scheinen von ihm „manipuliert“ werden zu können – und mit seiner eingreifenden Wirkung ist Toxoplasma gondii kein Einzelfall.
Parasitärer Einfluss: Manipulation als evolutionärer Vorteil
Mit Speck fängt man Mäuse? Nicht nur. Denn Toxoplasma gondii darf guten Gewissens als Gehilfe der Katze bezeichnet werden – nicht jedoch, ohne dabei auf seinen eigenen Vorteil bedacht zu sein.
Wie ein Artikel in der Fachzeitschrift „nature“ Studien diesbezüglich zusammenfasst, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass selbst Monate nach ausgestandener Infektion (wenn Toxoplasma gondii nicht mehr im Körper der Mäuse nachgewiesen werden kann), der Parasit Verhalten beeinflusst (Barford, 2013). Die Forscher schlussfolgern, dass dauerhafte strukturelle Veränderungen im Gehirn eine Folge der Infektion sein könnten.
Toxoplasma gondii „manipuliert“ die Mäuse offenbar dahingehend, dass sie ihre instinktive Furcht vor Katzengeruch verlieren und – ganz im Gegenteil – von diesem Geruch angezogen zu werden scheinen. Der Parasit treibt sie demnach förmlich in die Pfoten der Katze. Dass die Katze das parasitäre Ansinnen befürwortet (so sie davon wissen würde), dürfte nachvollziehbar sein. Doch was hat Toxoplasma gondii davon?
Derweil die Katze sich genüsslich ihrem Mahl mit anschließendem Verdauungsschläfchen hingibt, begibt sich der Parasit auf den Weg in ihren Darmtrakt, der Ort, an welchem sich Toxoplasma gondii fortpflanzen und der Kreislauf von Neuem beginnen kann (Sanders, 2013), denn Katzen und andere Felidae stellen die Endwirte der Toxoplasmen dar (Robert-Koch-Institut, 2009).
Dass der Parasit Verhalten beeinflussen könnte, hat offenkundig einen evolutionären Vorteil für ihn. Und er ist nicht der einzige: Andere Parasiten wählen ähnliche Wege. Doch welche Veränderungen könnte Toxoplasma gondii beim Menschen auslösen?
Somatische Veränderungen durch Toxoplasma gondii
Nach einer relativ kurz andauernden Phase von akuter Toxoplasmose geht die Infektion in eine latente Phase über, in welcher sich Zysten vorrangig in neuralen und muskulären Gewebestrukturen bilden, die den Rest des Lebens im Wirt (in dem Falle im Menschen) verbleiben (Flegr et al., 2002). Für gewöhnlich, bei Menschen mit ausreichender Immunabwehr, scheint diese latente Phase der Infektion ohne Symptome zu verlaufen (Remington, 1974). Dennoch legen anhand von jüngeren Studien aufgezeigte Zusammenhänge zu verschiedenen klinischen Krankheitsbildern eine präzise Diagnostik zur Früherkennung nahe.
Toxoplasmose in der Schwangerschaft
Problematisch wird es unter anderem, wenn die Erstinfektion während der Schwangerschaft erfolgt, diese unbehandelt bleibt und ein fetales Infektionsrisiko besteht (Robert-Koch-Institut, 2009). Mit der Dauer der Schwangerschaft scheint dieses Übertragungsrisiko zuzunehmen, allerdings soll laut RKI die Schwere des Krankheitsbildes abnehmen. Während im ersten Drittel der Schwangerschaft eine unbehandelte Infektion der Mutter unter Umständen das Embryo schwer schädigen und zu einem Abort führen kann, scheint es im zweiten und dritten Drittel dank pränataler Diagnostik und Intervention weniger gravierend zu sein.
Toxoplasmose bei immunsupprimierten Personen
Patienten, bei denen die Immunantwort (aufgrund von z.B. Transplantationen, Therapien oder anderen externen Eingriffen) unterdrückt werden muss, kann es zu einer Enzephalitis kommen oder interstitiellen Pneumonien, d.h. bestimmten Formen von Lungenentzündungen (Robert-Koch-Institut, 2009). Insbesondere bei AIDS-Patienten scheint eine Vielzahl von Organen bei einer Toxoplasma-Infektion betroffen zu sein.
Und welche Auswirkungen hat Toxoplasma gondii auf das menschliche Verhalten?
Beeinflusst der Parasit Verhalten beim Menschen?
Studien zur Untersuchung von Toxoplasma-Infektionen und menschlichem Verhalten sind in Anbetracht der Komplexität der Thematik verhältnismäßig jung und es bedarf weiterer Forschung. Exemplarisch werden einige Studienergebnisse aufgeführt.
Toxoplasmose und psychiatrische Störungen
Zunächst einmal scheint es einen Zusammenhang zwischen einer Toxoplasma-Infektion und der erhöhten Wahrscheinlichkeit für psychiatrische Diagnosen, wie etwa Schizophrenie, Zwangsstörungen und bipolare Störung, zu geben, der aufgrund verschiedener Studienergebnisse zur Diskussion steht und noch weiter erforscht werden muss (Del Grande et al., 2017; Fond et al., 2013).
Aber auch das „alltägliche Verhalten“ scheint mit einer Toxoplasma-Infektion in Zusammenhang zu stehen.
Toxoplasmose und Verhalten
Ergebnisse zeigen, dass latente Toxoplasma-Infektionen in Verbindung mit verlängerten Reaktionszeiten beim Menschen auftreten (Havlíček et al., 2001). Ferner existieren Zusammenhänge zwischen einer positiven Toxoplasma gondii-Serologie und der Wahrscheinlichkeit für Übergewicht (Reeves et al., 2013).
Darüber hinaus scheint ein positiver Toxplasmose-Status mit höherer Aggressivität verbunden zu sein, auch (bei jüngeren Männern) mit einer stärkeren impulsgeleiteten „Sensationssuche“ (Coccaro et al., 2016; Cook et al., 2015).
Lindová et al. (2006) fanden in ihrer Studie, in der infizierte und nicht-infizierte Frauen und Männer anhand verschiedener Persönlichkeitsfaktoren verglichen wurden, dass infizierte Männer geringere Werte auf den Skalen „Beziehungen“ (z.B. Gespräche mit Freunden innerhalb der letzten drei Tage), „Selbstkontrolle“ (z.B. Pünktlichkeit, Müllsortierung) und „gepflegtes Äußeres“ hatten. Bei den infizierten Frauen war Gegenteiliges zu beobachten: Sie hatten höhere Werte hinsichtlich Selbstkontrolle und gepflegtem Äußeren.
Eine Forschungsthese in Bezug auf diesen Geschlechterunterschied lautet, dass der von Toxoplasma gondii verursachte somatische Stress bei Männern und Frauen Unterschiedliches auslösen könnte – womöglich werden die meisten Frauen unter Stress „in sich gekehrter“, während Männer „aufgebrachter“ werden? Hier ist weitere Forschung vonnöten, vor allem da Studien zu teils widersprüchlichen Ergebnissen kommen.
Neben Geschlechterunterschieden scheint es ebenfalls Unterschiede zwischen Menschen in Abhängigkeit von deren Blutgruppe (Flegr et al., 2013) und möglicherweise auch in Abhängigkeit vom hormonellen/ biochemischen Level zu geben. Diese müssen ebenfalls noch weiter erforscht werden. Auch fehlt es an Kausalstudien, die eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Toxoplasma gondii und seinem möglichen Einfluss auf das menschliche Verhalten aufzeigen können, derzeit kann nur von korrelativen Zusammenhängen (einem gemeinsamen Auftreten zweier Faktoren bei Infizierten versus bei Nicht-Infizierten) gesprochen werden.
Betrachtet man die Studienergebnisse zur Aggression scheint die Autoaggression in Zusammenhang mit einer Toxoplasma-Infektion eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen.
Toxoplasma gondii: „Ein Parasit spielt Gott“
Erinnern wir uns an die Mäuse, die durch eine parasitäre Infektion wortwörtlich in den Selbstmord getrieben werden. Beunruhigende Studienergebnisse existieren diesbezüglich auch beim Menschen.
Studien zeigen, dass eine Toxoplasma-Infektion zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von gegen sich selbst gerichtete Gewalt bei Müttern führt (Pedersen et al., 2012) sowie auch zu einem höheren Suizidrisiko bei Frauen nach der Menopause (Ling et al., 2011).
Ferner haben mit Toxoplasma gondii infizierte Personen ein höheres Risiko, in Verkehrsunfälle verwickelt zu werden (Flegr et al., 2002). Das Risiko war umso stärker, je „frischer“ die Infektion war.
Evolutionärer Sinn der Infektion beim Menschen?
Rein spekulativ könnte man meinen, dass verzögerte Reaktionszeiten in Verbindung mit einer Toxoplasma-Infektion den Menschen im Ursprung zu einer leichteren Beute gemacht haben. Die stärkere Selbstkontrolle bei infizierten Frauen ließe sich so allerdings nicht erklären. Dennoch ist der in Studien gefundene Zusammenhang zwischen einer Infektion und risikobehaftetem, autoaggressivem Verhalten nicht von der Hand zu weisen. Sollten zukünftige Forschungen mehr Aufschluss geben können über die Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Toxoplasma gondii und menschlichem Verhalten, stünden Schuldfähigkeit beziehungsweise allgemein strafrechtliche Konsequenzen im Fokus der Diskussion.
Forscher vermuten, dass Toxoplasma gondii der Parasit sein könnte, der das menschliche Verhalten am stärksten „beeinflussen“ könnte – Grund genug, die hygienischen Standards zur Vermeidung einer Toxoplasma-Infektion einzuhalten.