Ein Glaubenssatz wie »Ich bin nicht gut genug« beeinflusst als indirekte Annahme von uns selbst unser Dasein. Häufiger ist diese Stimme im Kopf, die von Selbstzweifeln geprägt ist. So ein negativer Glaubenssatz ist mit Ängsten verbunden, der Mahnung zur Vorsicht und hemmt uns mitunter in unserem Vorankommen. Stehen wir vor einer neuen Herausforderung oder haben wir einen Misserfolg erfahren, ploppt der Glaubenssatz automatisch in Gedanken auf. Woher kommen diese negativen Glaubenssätze und wie lässt sich mit ihnen umgehen?
Glaubenssätze: Woher kommen sie?
Glaubenssätze beinhalten Annahmen über uns selbst und die Welt um uns herum. Sie sind fest in uns verankert und oft in der Kindheit entstanden. Der Glaubenssatz »Ich bin nicht gut genug« kann beispielsweise dadurch entstanden sein, dass nahestehende Bezugspersonen dir in deiner Kindheit suggeriert haben, du würdest nicht genügen. Wenn du als Kind häufig kritisiert wurdest und das Gefühl hattest, nie etwas richtig machen zu können, wird die Entstehung negativer Glaubenssätze begünstigt. Möglicherweise solltest du stets gute Leistungen erbringen und wurdest ausgeschimpft, sobald die Leistungen schlechter waren. Vielleicht wurdest du nur umarmt und gelobt, wenn du etwas geleistet hast oder aufopferungsvoll warst.
Nicht immer verbirgt sich seitens der Eltern eine böse Absicht dahinter. Die meisten Eltern geben ihr Bestes. Zumeist haben die Bezugspersonen jedoch selbst innere Zweifel, innere harsche Kritiker, Frustrationen und Ängste vor der Welt. Deshalb warnen sie ihre Kinder und reden ihnen ins Gewissen: »Bist du dir sicher, dass du das schaffst?«; »Wer weiß, ob du das hinbekommst? Denke lieber noch einmal nach.«
Es gibt viele Wege, die dazu führen, dass sich negative (oder positive) Glaubenssätze in der Kindheit festigen.
Entspricht Glaubenssatz der Realität?
Glaubenssätze verkörpern unsere implizite Sicht auf das Leben, sie sagen nichts über die tatsächlichen Umstände aus. Menschen, die zu negativen Glaubenssätzen neigen, werden vermutlich die vielen Erfolge in ihrem Leben tendenziell übersehen und abschwächen, jedoch den einen Misserfolg als überdimensional charakteristisch für sie herausstellen. So gesehen gehen mit einem negativen Glaubenssatz kognitive Verzerrungen in der Wahrnehmung, dem emotionalen Erleben, Denken und Handeln einher. Überspitzt gesagt, unterminieren wir mit einem solchen Glaubenssatz unseren Selbstwert und boykottieren unser Vorankommen im Leben, sobald wir dem inneren Kritiker Gehör schenken und danach handeln. Bei jedem Misserfolg oder jeder Kritik im Leben, ja, selbst, wenn uns ein:e Vorgesetzte:r schräg anschaut, wird dies von vielen so interpretiert, dass wir auf die eine oder andere Art nicht genügen. Wir finden stets Beweise dafür, nicht gut genug zu sein. Aber wir richten unsere Wahrnehmung nicht auf das Finden von Beweisen aus, die uns verdeutlichen, dass wir gut genug sind. Es ist folglich unsere Sichtweise, die sich ändern muss.
Reparenting: Therapeutische Methode
Reparenting ist ein Begriff aus der Psychotherapie. Er charakterisiert einen wesentlichen Baustein der sozialen Beziehung zwischen Therapeut:in und Klient:in. Beim Reparenting wird ein korrigierendes emotionales Erleben vorgenommen. Therapeut:innen nehmen sozusagen die Rolle eines Elternteils ein. Statt in kritisierender und abwertender Form, wie es in dysfunktionalen Elternhäusern mitunter der Fall ist, wird mit einem Menschen in bestärkender, gleichwertiger und anerkennender Form gesprochen. »Parenting« bedeutet übersetzt »Erziehung«. »Re« steht für die Vorsilbe »wieder«. Es geht folglich um eine »Wiederbeelterung« oder »Nachbeelterung«, eine Nachkorrektur der in der Kindheit vorgenommenen Erziehung. Dementsprechend darf Reparenting als »Booster« für eine individuelle Nachreifung der Persönlichkeit verstanden werden.
Glaubenssatz korrigieren mittels Reparenting
Es braucht Übung und Geduld, dem negativen Glaubenssatz »Ich bin nicht gut genug« einen oder mehrere positive Glaubenssätze gedanklich gegenüberzustellen. Angelehnt an das Reparenting können wir uns selbst im Erwachsenenalter ein liebevolles Elternteil sein. Es gibt einige andere Sätze, die wir korrigierend dagegenstellen können, sobald uns ganz automatisch ein »Ich bin nicht gut genug« oder ein »Ich bin ein Versager«, »Ich bekomme nichts hin«, »Ich überschätze mich« in den Sinn kommt.
Wie du zukünftig mit dir selbst sprechen kannst
Es gibt unzählige positive Gedanken, die man zur Korrektur negativer Glaubenssätze verwenden kann. Die nachfolgend aufgezählten sind nur einige Beispiele.
Hilfe bei Leistungsdruck
Viele Menschen leiden unter Leistungsdruck beziehungsweise Versagensangst. Diese beeinträchtigt nicht nur ihre Art, die Arbeitsaufgabe anzugehen, sondern es führt oftmals auch zu einer Selbstabwertung, wenn man die Aufgabe nicht mit dem gewünschten Ergebnis absolviert hat. Dann schelten wir uns oft selbst, fühlen uns weniger wert und »zu nichts fähig oder nütze«. Dabei ist es ganz normal, manche Aufgaben zu schaffen und andere wiederum nicht. So funktioniert das lebenslange Lernen. Statt innerlich kritisch und strafend zu sein, sage:
- »Ich kann Aufgaben schaffen, selbst wenn sie schwierig oder beängstigend sind.«
- »Wenn ich einen Fehler mache, kann ich daraus lernen. Jeder Mensch macht Fehler.
- »Mein Wert hängt nicht davon ab, ob ich gut oder schlecht in etwas bin.«
- »Ich habe mein Bestes gegeben. Morgen ist ein neuer Tag.«
- »Ich lerne und verbessere mich so wie jeder andere Mensch auch.«
Hilfe bei erhöhter Ängstlichkeit
Wer selbstunsicher ist und stark selbstkritisch, der hat oft auch mit einer erhöhten Ängstlichkeit zu kämpfen. Manchmal sind wir dann wie in einem Freeze-Zustand (wie innerlich vereist) oder sehr gehetzt oder dünnhäutig. Für solche Momente der Aufruhr empfehlen sich folgende Gedankenansätze:
- »Ich fühle mich nur jetzt ängstlich. Insgesamt in meinem Leben bin ich sicher.«
- »Das sind alte Angstgedanken. Sie gehen vorbei.«
- »Meine Ängste haben nichts mit der aktuellen Situation zu tun.«
- »Wenn ich Angst habe, kann ich nicht klar denken. Ich komme erst einmal runter und dann denke ich Morgen in aller Ruhe nach, ob ich etwas ändern muss.«
- »Ich habe schon oft geglaubt, es kommt zur Katastrophe. Aber letztendlich ist immer alles gut gegangen.«
In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.
Mark Twain, Schriftsteller
Motivation für mehr Eigenverantwortung
Einige Menschen, die in einem destruktiven Familiensystem aufwuchsen, haben Schwierigkeiten damit, in einem gesunden Maße Verantwortung für sich zu übernehmen. Sie haben seit der Kindheit beispielsweise unverhältnismäßig viel Verantwortung für die Eltern übernommen und sind auch jetzt noch aufopferungsvoll für andere da. Oder sie neigen dazu, sich selbst zu vernachlässigen, weil sie die entsprechenden Verantwortlichkeiten und Verhaltensweisen im Elternhaus nicht vorgelebt bekommen haben. Statt der inneren unbewussten Annahme, das eigene Leben nicht so leichtfüßig bewältigen zu können, wie andere Menschen es tun, können folgende Sätze hilfreich sein:
- »Ich achte auf mich selbst. Ich bin es mir wert.«
- »Ich kann Verantwortung für mich übernehmen.«
- »Ich habe schon so viel im Leben erreicht. Ich kann auch das schaffen. Und falls nicht, werde ich einen anderen Weg finden.«
- »Ich darf das Leben mit Leichtigkeit leben und für mich selbst Sorge tragen.«
- »Ich kann eine Nacht darüber schlafen, ehe ich mich entscheide.«
- »Ich stecke gerade gedanklich fest. Ich sollte Abstand zur Situation wählen und spazieren gehen, mich mit Freunden treffen etc.«
- »Ich darf mich ausruhen und phasenweise einfach mal nichts tun. So tanke ich neue Kraft und bleibe kreativ.«
Hilfe bei Selbstbeschämung
Sehr schnell sind wir dabei, uns selbst abzuwerten, vor allem gerade dann, wenn das Leben streckenweise holpriger verläuft. Menschen, die über einen gesunden Selbstwert verfügen, beziehen Misserfolge nicht auf sich. Auf Erfolge dagegen sind sie uneingeschränkt stolz. Wer jedoch mit Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen hat, der neigt oft dazu, eher Erfolge auf die glücklichen externen Umstände zu beziehen und Misserfolge ausschließlich auf das eigene individuelle Versagen. Solche Gedankenmuster sind ein Selbstboykott. Statt sich selbst gedanklich laufend auszubremsen und niederzumachen, arbeite bewusst dagegen mit:
- »Ich höre jetzt auf, mich selbst zu beschämen und zu verurteilen, und tue mir nun etwas Gutes.«
- »Ich achte darauf, wie ich mit mir selbst spreche.«
- »Ich bin nicht besser oder schlechter als andere Menschen. Ich bin genauso wertvoll wie alle anderen.«
- »Ich bin gut, so wie ich bin, und höre auf, ständig an mir zu zerren.«
- »Ich denke immer nur, ich mache etwas falsch oder bin nicht liebenswert. Aber diese Gedanken haben nichts mit meinem tatsächlichen Wert zu tun.«
Über die Arbeit an sich selbst
Einen Glaubenssatz aufzulösen, ist eine Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten, um sich den eigenen Lebensweg und die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen zu erleichtern. Zu wissen, dass die negativen Gedanken nicht unsere sind und sich von ihnen abzugrenzen, kann dabei helfen, einen neuen Umgang mit sich und dem Leben zu erproben.
Reminder: Das seelische Erleben ist überaus komplex. Bei hohem Leidensdruck ist immer der Weg in eine professionelle Psychotherapie angeraten. Einzelne Empfehlungen für die Arbeit an sich selbst, wie hier in Bezug auf einen typischen Glaubenssatz dargestellt, beziehen sich auf vereinzelte Korrekturen problematischer Gedankenmuster und können nicht der Vollumfänglichkeit einer Psychotherapie gerecht werden.