Bürokratie hat eine Tendenz zur Ineffizienz durch Eskalation. © Christian Schnettelker under cc

Die Forderung nach weniger Bürokratie wird immer wieder erhoben. Können und wollen wir sie umsetzen?

Weniger Bürokratie wird meistens gefordert, wenn man mit ihr negative Erfahrungen gemacht hat. Zäh, langsam, zermürbend und manchmal unmenschlich kann sie sogar in den besten Formen sein.

Der Konflikt zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit

Die Bürokratie hat ein leicht zu beschreibendes, aber zugleich schwer aufzulösendes Grundproblem, einen inneren Konflikt zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit.

Wir Menschen haben allem Anschein der neuesten Forschungen nach, einen angeborenen Sinn für Gerechtigkeit, mit signifikanten Unterschieden zu Tieren. Auch Tiere können entsetzt, wütend oder depressiv werden, wenn sie selbst ungerecht behandelt werden. Manche Tiere weigern sich Artgenossen Leid zuzufügen, um selbst Belohnungen zu erhalten, sondern hungern lieber.

Wir Menschen sind anders, wir quälen unsere Artgenossen schon, wenn die Gründe dafür dubios, bis nicht vorhanden sind. Die Macht von Pseudoautoritäten reicht dazu aus, wie das Milgram-Experiment zeigen konnte. Das klingt eher schlecht, es ist aber lediglich die unvermeidliche Kehrseite zweier Entwicklungen. Zum einen verfügen wir prinzipiell über einen freien Willen. Zum anderen können wir – und das können Tiere offenbar nicht – Visionen kooperierender Mitglieder entwickeln. In uns laufen keine reinen Nützlichkeitsprogramme ab, mit denen wir nur unsere individuellen Vorteile optimieren, sondern wir können wollen, dass das gesamte Miteinander gelingt. Weil dies ein innerer Antrieb ist, reagieren wir allergischen auf Mitglieder der Gemeinschaft, die produktiv mitmachen könnten, es aber nicht tun. Menschen mögen keine Trittbrettfahrer und versuchen diese auszusortieren oder in der Weise zu sanktionieren, dass ihr sozialer Kontostand sinkt.

Das wiederum ist alles andere als folgenlos. Nicht dazu zu gehören und sozial ausgegrenzt zu sein, war ehedem eine der schlimmsten Strafen und konnte bis zum psychogenen Tod führen. Unser inneres Empfinden ist so gepolt, dass wir es als extrem ungerecht erleben, wenn jemand sich auf irgend eine Art für die Gesellschaft einsetzen könnte, es aber nicht tut. Da dies in vielen Bereichen nicht der Fall ist, ist das Wir-Gefühl in der Gesellschaft zu einem Teil fragmentiert und kaputt.

Soweit die knappe Ausleuchtung des Hintergrundes.

Was die Bürokratie herstellt sind Formen der Gleichheit, Neutralität und Verlässlichkeit, in der Willkür reduziert werden kann, wenn die Bürokratie in eine funktionierende Demokratie eingebettet ist. Wikipedia definiert: „Bürokratie („Herrschaft der Verwaltung“) ist die Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeiten im Rahmen festgelegter Kompetenzen innerhalb einer festen Hierarchie.“[1] Vor dem demokratischen Staat und dem Gesetz sind alle gleich, gewisse Ausnahmen bedürfen einer rationalen Begründung und sind an bestimmter Ämter gebunden.

Dies ist notwendig, weil ab einer bestimmten Größe einer Gemeinschaft (oft hört man davon, dass Zahl von 150 nicht überschritten werden sollte), man sich nicht mehr wechselseitig kennt und einschätzen kann. Eine Gesellschaft mit vielen Millionen Mitgliedern muss also irgendwie anders organisiert werden und funktionieren. Es gab auch vorher schon Formen der gesellschaftlichen Organisation, aber viele beruhten auf dem Recht des Stärkeren oder tradierten Rollenbildern, die wir heute tendenziell ablehnen, auch wenn die Bürokratie selbst dem Absolutismus entsprungen ist. Nach und nach wurde den Herrschern die Möglichkeit zur Ausübung der Macht durch Willkür entzogen und das hat auch für die Psyche einen dämpfenden Effekt, weil man Gerechtigkeit hergestellt sieht, sofern die Bürokratie funktioniert.

Sie übt dabei einen gewissen Zwang aus, um die widersprüchlichen Interessen einzelner zu Wohle aller zu koordinieren, kann damit die Effizienz steigern und bietet Vorteile für ihre Mitglieder, die zum Systemerhalt der Bürokratie beitragen.[2]

Doch in dem Moment wo alle Menschen gleich behandelt werden, wird das nicht unbedingt als gerecht empfunden.

„Wie Masters (1989) gezeigt hat, bedeutet Gerechtigkeit für alle, dass Einzelpersonen das Gefühl haben können von Bürokratien auf unpersönliche, entmenschlichte, ignorante Art behandelt zu werden. Tatsächlich bekommen die Menschen, die sich mit bürokratischen Systemen in Verbindung setzen, als erstes deren negative Aspekte zu spüren. Die Unpersönlichkeit veranlasst viele zu dem Versuch, das System zu hintergehen und sich seiner Unflexibilität zu entziehen, dies wiederum hat eine paranoide Reaktion der Bürokratien zur Folge, die dann versuchen, die Bürger zu fassen. Irgendwelche Versuche aber, das System zu humanisieren und einer einzelnen Person einen Gefallen zu tun, können Günstlingswirtschaft – besonders die Vetternwirtschaft – fördern und das System korrumpieren.“[3]

Die Gleichheit aller ist nicht immer die Basis von Gerechtigkeit, sondern wird bisweilen als Gängelung erlebt.

Was macht die Bürokratie mit der Psyche?

Das Gefühl ungerecht behandelt zu werden, kann durchaus stark auf dem Gefühl der Ungleichheit beruhen. Es ist unfair, wenn alle gleich sein sollten, man aber die Empfindung hat, einige seien gleicher. Aber, wie das Zitat zeigt, kann auch der gegenteilige Effekt eintreten. Bürokratie kann Willkür und das paranoide Gefühl der Verfolgung eindämmen, aber gleichzeitig, wenn sich der bürokratische Apparat immer mehr ausdehnt, auch auslösen.

Ein expandierendes bürokratisches System kann so einerseits immer lähmender werden, in dem es den Bürgern nachstellt und Institutionen durchzieht und auf der anderen Seite Vetternwirtschaft begünstigen. Hier liegen die Grenzen der Bürokratie.

„Diese Grenzen ergeben sich aus der unvermeidlichen Infiltrierung sämtlicher Gruppenprozesse mit dissoziiertem Sadismus, die das gesamte Funktionieren der Institution einschließlich der Erfüllung funktionaler Aufgaben beeinträchtigt.

Alle Mitglieder einer Organisation erleben narzisstische Herausforderungen, ödipale Rivalitäten und Frustrationen des präödipalen Bedürfnisses nach Abhängigkeit und autonomer Kontrolle – und all dies erzeugt Aggression. Insofern diese Aggressionen in den direkten sozialen Interaktionen nicht geäußert oder in der Aufgabenerfüllung nicht sublimiert werden kann, wird die entweder auf die Gruppenbildung innerhalb der Institution projiziert – was in der Regel zu Spaltungen, Idealisierungen und Verfolgung führt – oder auf die Führung. Sie findet Ausdruck in ihren gemischt ödipalen-präödipalen Konflikten, die ebenfalls eine Idealisierung der Führung und Angst durch die Verfolgung der Führungskräfte nach sich ziehen. Unzulängliche Führer einer bürokratischen Struktur, insbesondere Führungskräfte mit starken narzisstischen oder paranoiden Tendenzen, können ein regrediertes bürokratisches System in einen sozialen Albtraum verwandeln. Solche Führer erwarten von ihren Angestellten unterwürfiges Verhalten und fördern es, belohnen die Idealisierung der Führung und neigen dazu, jeden zu verfolgen, der ihnen ihrer Meinung nach kritisch gegenübersteht.“[4]

In totalitären Regimen finden wir diesen Alptraum auf ein ganzes Land ausgedehnt.

Diejenigen, die in einer solchen Bürokratie tätig sind und/oder von ihr profitieren, nutzen häufig die Möglichkeit sich hinter den System zu verstecken. Einerseits geben klare Regeln und Vorgaben ihnen Sicherheit, andererseits beschränken sie neben der Kreativität oft auch die Menschlichkeit. Die aufkommenden Spannungen, die gerade Mitarbeiterinnen mit direkten Kontakt zu Menschen auf der anderen Seite des bürokratischen Systems zu spüren kriegen, können dazu verleiten, diejenigen, die mit dem Bürokratiesystem oft unfreiwillig konfrontiert sind, als Feinde zu sehen, der grundsätzlich entindividualisierende Charakter der Bürokratie, der aus Menschen einen Fall oder Vorgang macht, bietet einen Schutz vor persönlicher Verantwortung. Noch in Extremfällen, die die effektiven Bürokratien der totalitären Regime kennt, reden sich Bürokraten gerne damit heraus, dass sie lediglich ihre Pflicht getan hätten. Denken wir etwa an Eichmann.

Empörung kann durchaus eine Reaktion auf die bürokratische Unpersönlichkeit sein. Wir sind von totalitären Regimen meilenweit entfernt, aber dennoch ist ein der Bürokratie inhärenter Sadismus auch in demokratischen Formen selten zu vermeiden. Das fängt bei Gängeleien an und kumuliert in institutionalisierten Demütigungssystemen, wie jenem zu dem Hartz IV/ALG II inzwischen geworden ist, in dem man nicht selten vom Individuum zur Verfügungsmasse degradiert wird. Der Anspruch ‚fördern und fordern‘ mag irgendwann einmal nicht schlecht gewesen sein, aber man hat dann unterwegs das Fördern vergessen.

Menschen mit Behinderung, die einfach nur ihren Alltag, der aufgrund ihrer Einschränkungen mühsamer und teurer sein kann, bewältigen möchten und ihre äußerst knapp bemessene Grundsicherung, die ihnen gesetzlich zusteht, in Anspruch nehmen möchten, sind davon ebenso betroffen. Nicht jeder von ihnen hat die Courage und die Fähigkeiten gegen ein erzwungenes Leben im Mangel zu klagen, wie hier zu lesen.

Das ist alles andere als ein Jammern auf hohem Niveau, denn wer einmal auf die verschlungenen Pfade der Bürokratie geraten ist, kann darin schon mal verloren und unter gehen, vor allem, wenn das Geld für die Anschaffung von Mitteln fehlt, die man braucht, um das Geld für die Anschaffung von Mitteln zu beantragen. Schon vor über 40 Jahren hat der Liedermacher Reinhard Mey einen Song über den Amtsschimmel geschrieben: Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars.

Es wäre fast schön, wenn man sagen könnte, dass sich seit dem nichts geändert hat. Doch was der Künstler hier noch humoristisch verarbeitet, hat inzwischen einen viel dunkleren Charakter bekommen, in dem der der Bürokratie inhärente Sadismus immer wieder zum Vorschein kommt. Die Folgen sind nicht mehr lustig. Arme Menschen sterben im Durchschnitt etwa 10 Jahre eher. Nur hat die Unterschicht keine Lobby.

Einen Teil der Faktoren, die das Leben verkürzen kann man selbst beeinflussen, sofern dies nicht auch noch erschwert wird, aber die Demütigungen qua Amt und permanenter Stress durch Entwertung kann man nicht selbst abstellen. Besonders deutlich wurde das in der Corona-Pandemie:

„Der Einfluss sozialer Faktoren ist groß. Bezieher von ALG (Arbeitslosengeld) II haben ein um 84% höheres Risiko für einen schweren Verlauf, Bezieher von ALG I, ein 17,5% höheres Risiko. Besonders die ALG II Zahlen sind bemerkenswert und deckt sich mit Zahlen, die aus England vorliegen.

[…]

Nicht zu vergessen ist die Stigmatisierung und Ausgrenzung, bis zur Demütigung von ALG II Beziehern, die einem rigorosen bürokratischen System unterworfen sind und oft als selbst schuld an ihrem Schicksal bezeichnet werden. Diese gesellschaftlichen Bilder werden oft von den Betroffenen selbst übernommen, die sich minderwertig fühlen (weil man ihnen das Gefühl gibt), die häufig depressiv oder in chronischem Stress leben, alles schlechte Faktoren für das Immunsystem und das Covid-19 Risikoprofil. Davon können ALG II Bezieher, aber auch Migranten in besonderem Maße betroffen sein, bei denen manchmal noch die Sprachbarriere (und gelegentlich Analphabetismus) dazu kommt, die Schwierigkeit aufgrund des Namens oder der Ausdrucksweise eine Wohnung oder Arbeitsstelle zu finden, sind bekannt.“[5]

Es kann nicht sein, dass allein der monetäre Unterschied zwischen ALG I und II über das dramatisch höhere Risiko entscheidet und die Frage, ob wir uns einen solchen Umgang mit Menschen im doppelten Sinne noch leisten können und wollen, Steuerflucht und Vetternwirtschaft aber weiter verniedlichen, sollte noch einmal neu gestellt werden.

Wie kann es sein, dass das Sammeln von Pfandflaschen nicht erlaubt ist, aber Steuerschlupflöcher für Milliardäre geduldet werden oder betrügerische Leerverkäufe als nette Bagatelle erscheinen? Warum sollten Großkriminelle auch noch Privilegien bekommen?

Bürokratische Eskalationen

Hier wird Wohlfühlen so groß geschrieben, wie in manchem Anschreiben vom Amt. © Enno Lenze under cc

Zu diesen kommt es in der Regel, wenn die Antwort auf dysfunktionale Abläufe eine massive Verschärfung von Regeln, Zusatzegeln oder -kontrollen ist. Irgendwer hat das Gefühl, so gehe es nicht weiter und jetzt müsse mal durchgegriffen werden. In der Folge muss dann, in einer paranoiden Reaktion, jeder Vorgang protokolliert werden, jeder Fehler wird bestraft und in der Regel wird der bürokratische Apparat aufgebläht, zusätzliches Personal wird eingestellt, die Kosten gehen in die Höhe und am Ende wird das System immer schwerfälliger und ineffektiver, wie wir es im Medizinsystem sehen können, wo Ärzte und Pflegerinnen zu einem großen Teil ihrer Zeit mit der Dokumentation ihrer Arbeit zubringen. Das wechselseitige Misstrauen durchdringt jede Beziehung innerhalb Institution.

Das System zeigt seine Zähne und lähmt sich damit selbst. Denn die Asymmetrie der Machtverhältnisse, die wir teilweise verinnerlicht haben, ist längst nicht mehr so gegeben, wie es einmal war. In dem System von Angebot und Nachfrage werden nämlich inzwischen die Facharbeiter knapp. Nicht nur bei Ingenieuren, auch im Handwerk fehlen Auszubildende. 9000 Pflegekräfte haben in der Pandemie gekündigt, es wird erwartet, dass die Zahl nach der Pandemie weiter steigt. Viele wissen, dass sie ohnehin keine Rente bekommen, das wird eines der großen Themen der übernächsten Bundestagswahl.

Doch die äußere Kündigung ist noch nicht mal der worst case, die innere Kündigung ist im Grunde schlimmer. Wenn mehr Bürokratie eingesetzt wird, um einen regelgemäßen, aber oft ineffektiven bis idiotischen Ablauf durchzudrücken, so gibt es auf der Seite von Arbeitnehmern eine unterm Strich verheerende Antwort: die innere Kündigung. Diese Menschen gehen zur Arbeit, machen stur das was sie tun müssen, aber keinen Handschlag mehr. Innerlich sind sie nicht mehr mit ihrer Arbeit identifiziert, auf Engagement und Kreativität legen sie keinen Wert mehr, doch unsere Arbeit und Gesellschaft lebt davon, dass dies der Fall ist.

Denn die inneren Kündigung kann man auch dem Staat gegenüber aussprechen und wer sich nach einer Reihe von Frustrationen dann irgendwann umdreht, abwinkt und mit all dem nichts mehr zu tun haben will, der ist sehr schwer wieder zu gewinnen. Man weiß inzwischen, dass die Zufriedenheit der Bürger positiv mit der Wahlbeteiligung korreliert und auch wenn sie zuletzt auf niedrigem Niveau ansteigt (2017 war die drittschlechteste Wahlbeteiligung), von den Spitzenwerten ist man sehr weit entfernt und das heißt, die Bürger sind unzufrieden.

Bürger die sich engagieren, wie FfF, sind zwar gegen bestimmte Entscheidungen, aber immerhin noch motiviert etwas zu verändern, bei der Querdenkerszene ist die Motivlage schon heterogener, einige sind radikal gegen den Staat bis hinein in den Extremismus. Dennoch erkennen viele beim Organisationsweltmeister Deutschland inzwischen eine erhebliche Ineffizienz während der Pandemie, mindestens ab der zweiten Welle. Doch die Ineffizienz ist nicht auf das Pandemiemangement beschränkt, wenn man auf den Zustand von Teilen unserer Infrastruktur blickt, nehmen wir Straßen, Schulen, Radwege und einen immer fordernderen Alltag.

Kann es reale Wege zu weniger Bürokratie aussehen?

Ist ein bürokratischer Apparat erst einmal aufgebläht, gibt es viele Profiteure, die kein Interesse daran haben, ihn wieder zu verschlanken. Zumal nicht jeder Vorschlag der Verschlankung zu begrüßen ist, oft genug, geht es nur um einen Abbau von Standards in hart erkämpften Bereichen, von Arbeitsrecht bis Umweltschutz, manchmal um politischen Populismus.

Dass sich sehr viel nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richtet, ist das System, was uns die Suppe eingebrockt hat, indem korrupte Politiker nur noch die Interessen der Wirtschaft bedienen und die der Bürger, des Souveräns, vergessen.

Wo viele Menschen zusammen sind kommt es unweigerlich zu Aggressionen. Diese werden in regressiven Entwicklungen entladen, die mal narzisstisch sein können und wenn die Regression weiter fortschreitet, paranoid werden. Effektive Bürokratie ist ein Weg, die Paranoia zu reduzieren, jedoch immer um den Preis der Unpersönlichkeit und Verdinglichung. Ein sehr empfindliches Gleichgewicht von Anfang an, was anfällig dafür ist, zu kippen. In Richtung Entmenschlichung, Willkür und also Sadismus auf der einen, sowie Korruption, Günstlings- und Vetternwirtschaft und eine Apparat von linientreuen Ja-Sagern und Opportunisten auf der anderen Seite.

Doch Bürokratie ist nicht der einzige Weg um Aggressionen abzuführen oder zu minimieren. Gemeinschaftlich geteilte Ziele stellen einen progressiven Ausweg da, denn Regressionen treten vor allem in Gruppen auf, die nicht durch ein gemeinsames Ziel oder Ideal verbunden sind. Siehe auch: Mit Greenzero, Mythen und Modulen in eine lebenswerte Zukunft

Das Ziel bürokratischer Prozesse ist ein reibungsloser und verlässlicher Ablauf, der im wesentlichen für alle gleich verlaufen soll. Als Auswege aus der Bürokratisierung lesen wir bei wiki:

„Ein Ausweg kann darin liegen, Entscheidungskompetenzen in hohem Maße zu dezentralisieren, zugleich das Subsidiaritätsprinzip streng einzuhalten und für eine Verwaltungskultur zu sorgen, die es gestattet, der Verwaltung angemessene Ermessensspielräume zu gewähren, damit sie den konkreten Situationen gerecht werden kann. Auf diesem Wege kann man überschaubare Lebens- und Funktionsbereiche schaffen, dadurch die demokratische Teilhabe der Bürger am politischen System stärken und dieses insgesamt vermenschlichen.“[6]

Das sind kluge Gedanken, die besonders dann funktionieren, wenn die Stellen in der Bürokratie mit dezentralen und erweiterten Ermessensspielräumen von entwickelten Individuen ausgefüllt werden, die über das nötige organisatorische Talent, Augenmaß, Menschlichkeit und einen gesunden Menschenverstand im besten Sinn verfügen. Sie sollten nicht korrumpierbar sein, in brisanten Positionen kann man über psychologische Tests nachdenken.

Um hier nicht gleich wieder ins eben kritisierte offene Messer zu laufen ist als Korrektiv eine Mischung aus freiwillige Selbstkontrolle und öffentlicher Kritik denkbar, Kernberg erwähnt ein dreistufiges Supervisionssystem. Wichtig ist, dass man versucht eine angstfreie Atmosphäre zu ermöglichen, in der Kritik geäußert werden kann, ohne die Befürchtung haben zu müssen, als Kritiker nun selbst die Konsequenzen tragen zu müssen.

Dies sollte auf der Basis einer prinzipiell vorausgesetzten wohlmeinenden Haltung stattfinden, die eine reflektierende, aber nicht sanktionierende Fehlerkultur beinhaltet. Paranoide Gesinnungschnüffelei sollte bei Menschen, selbst falls sie psychologisch auf ihre Eignung getestet werden, vermieden werden, man braucht nicht in allen Positionen Heilige.

Gutwillige organisierte Bürger als neue Akteure stärker einbezogen werden, die vor allem regionale und dezentrale Entscheidungen mit treffen und kommunale Politiker entlasten können.

Um Missbrauch zu minimieren und Motivationen unbürokratisch zu fördern kann man, am Beispiel für den Arbeitsmarkt, auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen. Um chronische Abhängigkeit, die einen unbewussten sekundären Krankheitsgewinn darstellt zu minimieren, hat Michael Stone, einer der erfahrensten Forscher am Personality Disorder Institute die Rechnung geprägt, dass wenn jemand im Rahmen einer Arbeit den eineinhalbfachen Satz bekommen würde, wie er aus der Sozialhilfe gegenwärtig erhält, die Motivation zu arbeiten stark ansteigt. Bleibt der Lohn darunter, ist das nicht der Fall.[7] Ein denkbar unideologischer Weg, der auch die Diskussion um mögliche Faulheit umgeht.

Den Abstand des 1,5-fachen herzustellen schafft man auf zwei Wegen, nämlich durch ein ein Absenken der Sozialhilfe und ein Mehr an Arbeitslohn. Doch neben der Art und Weise des oft entwürdigenden Umgangs mit den Bedürftigen ist auch das, was sie an Geld erhalten nicht eben üppig, dass es in allen Fällen zu Teilnahme am kulturellen Leben befähigt, ist eher zu bezweifeln. Gleichzeitig werden in vielen Bereichen der Arbeitswelt nicht mal annähernd ausreichende Löhne gezahlt. Das ist keine gute Kombination.

Weniger Bürokratie könnte auch dadurch entstehen, dass Bürger sich selbst organisieren und in einigen Bereichen des Lebens, die bürokratisch ausgebremst werden, voran gehen und ihre Erkenntnisse und Ziele in gelebtes Leben und gemeinschaftliche Projekte überführen.

Quellen