So kennt man den Sadomasochismus, doch oft kommt er viel weniger plakativ daher. © Julian Povey under cc

Der Sadomasochismus hat durch Fifty Shades of Grey einige Aufmerksamkeit gewonnen. Weniger bekannt ist, dass dieser nicht nur auf den sexuellen Bereich beschränkt ist, sondern es darüber hinaus einen charakterologischen Sadomasochismus gibt.

Der Mensch strebt nach Lust und will Unlust oder Leid vermeiden. So kann man es sich vorstellen, es klingt logisch und so dachte auch Freud. Bis er mit dem Phänomen des Sadomasochismus konfrontiert war. Der ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen aus dem, was andere normalerweise meiden – Schmerzen, Erniedrigung, Demütigung – , eine merkwürdige Form der Lust zu ziehen scheinen.

Sadismus und Masochismus sind die zwei Seiten einer Medaille

Das erscheint seltsam, wurde jedoch von mehreren Forschern erkannt. Manchmal fügt sich ein Individuum selbst Leid und Schmerz zu, in dem es sich selbst erniedrigt oder das Leben schwer macht. Etwa in dem man turmhohe Ansprüche an sich stellt, an denen es scheitern muss. Wenn man dann gescheitert ist, hat man die erneute Gewissheit, dass man ein Nichtsnutz ist. Man hat ja mal wieder alles versaut.

Es kann auch sein, dass man sich in einer Beziehung, sei in einer intimen Partnerschaft oder auch Beruf quälen und demütigen lässt. Dann fügen andere einem das Leid und den Schmerz zu. Der Chef der einen regelmäßig zur Sau macht und einem erzählt, was für ein unfähiger Idiot man ist, oder der Partner, der einem mehrmals täglich sagt, wie dankbar man sein kann, dass sich jemand dazu herabgelassen hat, mit einem überhaupt eine Beziehung einzugehen, wo man sich doch wirklich in allen Lebensbereichen selten dämlich anstellt und als unfähig erweist. Ein so täglich gedemütigter Mensch, wird natürlich immer unsicherer und das stachelt den Sadisten nur noch mehr an, es ihm erneut genüsslich aufs Brot zu schmieren.

Die Lösung scheint ganz einfach: den Rest an Selbstachtung zusammen kratzen und gehen, man wird es überall besser treffen. Aber was, wenn die eigene Psyche das braucht? Aber braucht sie das wirklich und falls ja: wann und warum?

Ein sadistisches Über-Ich

Manchmal lässt sich jemand Schmerzen von einem anderen zufügen und das wird genau in dem Moment als richtig erlebt, wenn man der Meinung ist, man hätte es im Grunde nicht besser verdient. Was man wiederum meint, wenn man es so gelernt und verinnerlicht hat. Wie wir wissen, werden frühe fremde Meinungen, insbesondere von Menschen, mit denen man emotional eng verbunden ist, zu eigenen Gewissheiten. Man hat das Gefühl man hätte es wirklich nicht besser verdient, weil man im Grunde und unwürdiger Nichtsnutz ist, dem man immer wieder auf die Finger hauen muss, damit er keinen Blödsinn macht.

Das ist die depressive Komponente, die wir beim Sadomasochismus finden. Die gemeinsame Wurzel des Sadomasochismus ist ein sadistisches Über-Ich. Das Über-Ich ist die bewertende Instanz in uns, die uns dazu bringt, uns auch dann an Regeln zu halten, die wir als sinnvoll und richtig eingesehen haben, wenn niemand hinschaut und uns kontrolliert. Je nach dem, wie das Über-Ich gestrickt ist, ist es auch jene Instanz, die uns erlaubt Regeln zu brechen, wenn wir sie immer schon beknackt fanden und das gut vor uns und anderen begründen könnten. Das wäre ein gesundes und differenziertes Über-Ich. Ein kaum ausgebildetes Über-Ich, würde uns gestatten alle Regeln zu brechen, wie es uns gefällt, weil wir überzeugt sind, anderen weder etwas zu schulden, noch dass diese uns irgendwas zu sagen haben. Bei allen Forderungen ist man erst mal aus Prinzip dagegen.

Das Über-Ich kann allerdings auch ein wenig zu streng werden. So einem Über-Ich kann man wenig recht machen, es findet immer ein Haar in der Suppe, kaum jemals ist etwas wirklich gut gelungen und seine Strenge richtet es zwar einerseits gegen andere, aber es lässt beim eigenen Ich keinesfalls Fünfe gerade sein. Wir haben es mit Menschen zu tun, die selbst ihre schärfsten Kritiker sind und wenn alle mit ihnen sehr zufrieden sind, haben sie selbst doch noch immer das Gefühl, etwas allenfalls befriedigend gemacht haben.

Diese Menschen leiden gerade dann, wenn man ihnen helfen kann oder sie Zuspruch oder Lob bekommen. Aber nicht weil sie neidisch darauf sind, dass andere in der Lage sind, sich mit und für ihre Mitmenschen zu freuen, was dem Problem der Narzissten entspricht, sondern weil sie wirklich glauben, sie hätten kein Lob verdient. Sie haben ein chronisch schlechtes Gewissen und Schuldgefühle, wenn sie zu gut behandelt werden. In Probleme in der Therapie haben wir gestreift, dass diese Menschen eine Therapie nicht abbrechen, weil sie meinen sie brächte nichts, sondern in dem Moment, wo sie bemerken, dass der Therapeut ihnen tatsächlich helfen kann. Dann bekommen sie ein schlechtes Gewissen, weil sie meinen, das nicht verdient zu haben.

Das Über-Ich bewertet das eigene Ich und andere Menschen in ähnlich strenger Weise. Das ist auch dann der Fall, wenn die Strenge allmählich in Sadismus übergeht. Dann ist man nicht mehr nur unzufrieden, sondern die Möglichkeit andere durch ein Ausbleiben von Lob, Kritik oder reine Willkür quälen zu können, spielt auf einmal die entscheidende Rolle. Es geht nicht mehr um Kritik an der Sache, sondern um Kritik, um ihrer selbst willen, man nörgelt, weil man es kann und weil es einem Lust bereitet andere zu demütigen. Man tut in der Regel das, was mit einem selbst getan wurde, ohne sich daran zu erinnern.