Sport, Hobbys, Kunst, Babys und Flows

Wenn einen Spiel und Sport absorbieren, kann man erleben, wie es sich anfühlt im Tunnel oder Flow zu sein. © Mike Poresky under cc
Ein ähnliches Ansehen haben Sport und Hobbys. Sport ist dann in Ordnung, wenn man ihn für etwas macht. Selten, weil man damit Geld verdient, eher, zum abnehmen oder weil der Arzt es dringend empfohlen hat. Aber einfach so, weil es Freude macht? An sich das beste Motiv, ebenso wie dies bei unseren Hobbys der Fall ist. Beim Sport und Hobby machen manche Menschen Flow-Erfahrungen, das sind oft eindrucksvolle Zustände der Verschmelzung, mit seinem Sportgerät oder dem, was man gerade macht, umso mehr, je mehr man es ohne Widerstände, also aus Spaß macht. Musik, Tanz und andere Formen der Kunst können dazu gehören.
Auch der Welt der Säuglinge wird nachgesagt dass, sie Verschmelzungszustände mit der Mutter erleben, oder sogar auf den ziehenden Wolken der Herrlichkeit, einer Einheit mit dem Kosmos, unterwegs seien, wenn sie nicht gerade schreien und weinen.
Spirituelle Praktiken
Zu guter Letzt gibt es da natürlich noch spirituelle Praktiken, also Übungen, die zu einem großen Teil darauf abzielen oder es wenigstens in Kauf nehmen, dass man Verschmelzungserfahrungen macht. Für Menschen, denen das irgendwie was gibt, was auch immer das ist.
Dennoch, so ganz, seien wir ehrlich, wissen wir nicht, was wir damit anfangen sollen. Das liegt vielleicht an unserer antrainierten Art zu denken und zu empfinden. Es muss eben immer etwas bringen. Wenn man damit Geld verdienen kann, warum nicht? All das zuvor Genannte ist nicht entwertet, aber es ist irgendwie das, worum es im Leben nicht geht, nicht gehen sollte. Es steht in der zweiten Reihe, man kann das machen, wenn man mit dem, um was es wirklich geht fertig ist. Dann kann man spielen, sich ablenken, weg träumen, Sex haben und meditieren oder ein Gläschen zur Entspannung trinken.
Nach getaner Arbeit darf man sich selbst in die Entspannung entlassen, damit man wieder fit, gestärkt und ausgeruht dem nachgehen kann, worum es eigentlich im Leben geht.
Wo kommen sie eigentlich her, unsere Ideale und Werte?
Es wäre ein eigenes großes Thema die Entstehung dieser Werte nachzuzeichnen. Wir müssen uns hier mit einer extremen Kurzfassung begnügen. Man kann sich drüber streiten, ob es eher die Ideale der Aufklärung waren oder die praktischen Möglichkeiten die mit der Industrialisierung Einzug hielten, die die wesentlichen Veränderungen brachten. Vermutliche eine Kombination beider Aspekte, kombiniert mit weiteren Komponenten. Immer mehr Menschen konnten ihr Leben nun besser planen, man war nicht mehr den Widrigkeiten der Natur ausgesetzt, dafür gab es Arbeit und Sicherheit, elektrisches Licht, neue Transport- und Kommunikationswege, einen Fortschritt eben, der erreichbar war, an dem die Menschen direkten Anteil hatten.
Die Natur war stets die große Unbekannte, willkürlich und launisch. Im Großen und Ganzen zwar berechenbar, Tag und Nacht, die Jahreszeiten und Wetterphänomene waren einigermaßen konstant, aber eben auch nur einigermaßen, wovon Unwetter, Ernteausfälle und so weiter künden. Nun war alles anders, wurde planbar, der neue Takt war nicht der der Natur, mit ihren sich verändernden Tageslängen, sondern der des Beginns der Arbeitszeiten. Arbeitstagen von 14 Stunden wurden die Regel, Frauen und Kinder inklusive. Unter diesen Bedingungen wurde Gott kaum noch gebraucht und wurde aus Gewohnheit weiterhin verehrt, nun aber eher zur Erbauung und als Träger eines sich ebenfalls verändernden Wertefundamentes. Doch Industrialisierung und Glaube gingen durchaus auch Hand in Hand.
Bereits Luther trieb die Alphabetisierung des Volkes voran, in der Absicht, dass man die Bibel lesen kann, doch geistiges Training durch den evangelischen Einfluss brachten es mit sich, dass auch Bildung zu einem wichtigen Rohstoff wurde und noch heute sind die evangelischen Regionen Europas bei weitem wohlhabender als die katholischen. Obendrein wurde der Wert der Arbeit von Luther betont, ebenso die Bedeutung der Zeit und der Mäßigung, der Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit. All das zusammen mit den Werten der Aufklärung von ‚Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‘ und eines Jahrhunderte dauernden Ringens der katholischen Religion, die diese Werte mühsam den Königen und Kaisern abtrotzten – ohne dass dies groß bekannt ist und nicht ohne selbst daraus Kapital zu schlagen – bereiteten vor, was wir heute noch vorfinden.
Erste ökoromantische Retrobewegungen, spirituelle und marxistische Bewegungen kritisierten die Ausbeutungen, sowie den Verlust der Natürlichkeit und erstritten im Zuge von gut 100 Jahren geringere Arbeitszeiten, bessere Arbeitsbedingungen und besseren Lohn.
Doch es blieb dabei. Eine Welt der Effizienz, der Rationalität und des Materialismus war geboren. Betrand Russell, der Logiker, Philosoph und Nobelpreisträger bringt es so auf den Punkt:
„In seiner ganzen Auffassung von der materiellen Welt ist der Cartesianismus streng deterministisch. Lebende Organismen unterliegen genau wie die tote Materie physikalischen Gesetzen; zur Erklärung des Wachstums der Organismen und der tierischen Bewegungen bedurfte es nicht länger wie in der aristotelischen Philosophie einer Entelechie oder Seele. Descartes selbst ließ nur eine geringfügige Ausnahme zu: die menschliche Seele kann willentlich die Richtung, nicht aber die Quantität der Bewegung der Lebensgeister ändern. Dies aber widersprach dem Geist des Systems, und da sich herausstellte, dass es auch im Widerspruch zu den Gesetzen der Mechanik stand, wurde es fallengelassen. Daraus ergab sich, dass alle Bewegungen der Materie durch physikalische Gesetze bestimmt wurden und dass infolge ihres Parallelismus geistige Vorgänge in gleicher Weise bestimmbar sein müssen. Aus diesem Grunde hatten die Cartesianer Schwierigkeiten wegen der Willensfreiheit. Und so war es für alle, denen Descartes‘ Naturwissenschaft wichtiger erschien als seine Erkenntnistheorie ein leichtes, die Auffassung, dass Tiere Automaten seien, zu erweitern: warum sollte man nicht auch dasselbe vom Menschen behaupten? Warum nicht das ganze System zum konsequenten Materialismus vereinfachen? Im achtzehnten Jahrhundert hat man diesen Schritt dann tatsächlich getan.“[1]
Das Tier, der Mensch, die ganze Natur von den Sternen zu den Steinen über das Leben bis zum Bewusstsein war eine große Maschine. Ein klug ineinander greifendes Räderwerk, zunächst noch geschaffen von einem rationalen Schöpfer, auf den man in der Folge verzichtete, zugunsten der Idee der Systeme und ihrer Selbstorganisation. Im Ganzen tot und ungerichtet, also frei von Absichten, folgt sie zufälligen und statistischen Ereignissen, die sich gelegentlich als Muster stabilisieren. Wir erinnern uns:
Leistung, Fortschritt, Wachstum, Wissenschaft und Technik, Moderne, Humanismus, Fleiß, Vernunft und Differenzierung, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat.
Das waren die neuen Werte in einer Welt, deren Interpretation auf Rationalität, Nutzen und Effizienz lag. In der das Verschlafene, Verträumte, Abwartende, Passive, aber auch Spiel und Entspannung keine Werte an sich mehr waren. Sie waren die Kirsche auf der Sahne, die Belohnung nach getaner Arbeit, bestenfalls. Ironischerweise leben diese Werte von dem, was sie eigentlich überwinden wollen und fußen mehr auf Assoziation als auf Rationalität. Sie betonen eine innere Verwandtschaft von Wissenschaft, Fortschritt, Wachstum, Menschlichkeit und dergleichen, aber dass dies nur Beschwörungsformeln sind, sehen wir in unseren Tagen, wenn nämlich diese Werte Abstand von einander nehmen, Rationalität nicht human sein muss, Effizienz keinen Fortschritt darstellt, Technik uns nicht zwingend mehr Freiheit bringt. Der Ruf nach Freiheit muss die Demokratie nicht stützen.
Der Bruch liegt jedoch bereits im Anfang, an dem die wirklich wichtigen Werte und Praktiken, gegen die weniger wichtigen ausgespielt wurden. Wir dürfen nicht verschweigen, dass der Gewinn dieser neuen Sphäre eines materialistischen und rationalen Weltbildes immens war. Als man die mörderischen 80 Stunden Arbeitswochen endlich Schritt für Schritt verbessern konnte und ein lebenswertes Leben führte, stieg die Lebenserwartung schnell und kontinuierlich von unter 40 Jahren auf um die 80 unserer Tage, trotzt zweier Weltkriege.
In den Weltkriegen begegnet noch eine andere Art der Verschmelzungen. Jene kürzlich erörterten Effekte der Massenregressionen, die wesentlichen Treiber der Weltkriege. Denn auch hier, in den Regressionen, begegnen uns Verschmelzungen und Einheitserfahrungen, im Taumel der Massen.