Der Wolf kann Urängste und tiefe Gefühle der Verbundenheit auslösen. © Arne von Brill under cc

Es ist zwischen 30.000 und 100.000 Jahre her, dass Mensch und Wolf enger zusammen kamen und eine seltsame Beziehung zu Tieren ihren Anfang nahm. In unserer stark an den Nutzen angelehnten Sichtweise der Geschichte mussten beide Partner Vorteile von einander haben. Der Mensch hatte Ruhe in der Nacht, weil die ersten Wölfe, die sich in seine Nähe trauten, ihn vor Feinden warnten. Dafür gab es vom Menschen Reste von dessen Beute, für das Rudel. Die Geburtsstunde des Wachhundes. So geht eine Erzählung.

In einer anderen lernte der – laut dieser Theorie sehr aggressive – Mensch sogar vom Wolf die Kooperation und ein besseres Sozialverhalten, bei der gemeinsamen Jagd. Der Rest ist bekannt, der Mensch wurde sesshaft, Arbeits- und Gebrauchstiere unterstützten ihn dabei, zogen den Pflug, transportierten ihn, bewachten und schützten ihn, sie wurden gegessen und nicht selten verehrt.

Hunde, Pferde, Ochsen, Elefanten, Katzen, Vögel und allerlei andere kleinere und größere Tiere behaupteten sich dabei und kooperierten mit uns Menschen, bis es vor etwa 200 Jahren einen weiteren Schnitt gab.

Das Haustier zum Heimtier und Nutztier

Das klassische Haustier hatte eine Mischfunktion, wir wohnten, lebten und arbeiteten mit ihm zusammen, bevor sich die Wege trennten und eine Gruppe zum reinen Nutztier wurde, wie Laborratte, Masthuhn, Milchkuh oder Schwein.

Die ältere Form der Kooperation findet man noch in den Schafherden, die nach wie vor wichtige Arbeit für uns leisten. Sie begrenzen den Wuchs bestimmter Pflanzen, wie den des Allergie auslösenden Riesenbrärenklaus oder trampeln Deiche fest, wichtige Tätigkeiten jetzt und in der Zukunft.

Eine besondere Rolle bekommt jedoch das Heimtier, das mit uns lebt und an das im Grunde keine Ansprüche mehr gestellt wird. Es muss einfach da sein, süß, zum Knuddeln oder darf sich so präsentieren, wie es ist. Es ist nicht selten in den Rang eines Familienmitglieds erhoben, ist manchmal Trost und Partnerersatz, oder einfach ein Quell‘ der Freude.
Die Beziehung zum Partner kann routiniert und eingefahren sein, die eigenen Kinder nerven in einem bestimmten Alter, aber die Freude, mit der der Hund einen jedes Mal wieder begrüßt ist echt. Überhaupt ist es wohl dieses echt sein, was uns an Tieren fasziniert. Sie tun selten so ‚als ob‘ (aber auch das gibt es), sondern sind authentisch, man sieht, wenn sie sich freuen, aber auch wenn die krank, gedrückt oder ärgerlich sind. Es ist nicht schwer die Mimik und Gestik von Tieren zu deuten, doch wie immer gelingt dies der einen besser und dem anderen schlechter.

In einem Alltag, in dem wir uns oft verstellen müssen, oder es zu müssen meinen, ein erdendes Kontrastprogramm. Man kann wieder zu sich kommen und anknüpfen an eine Welt, die es auch gibt, die der direkt gespiegelten Emotionen und einfach der vitalen Lebendigkeit.

Noch immer sind Tiere auch Prestigeobjekt, etwas zum Vorzeigen, wie in allem spiegelt sich der Mensch auch in dem Tier, was ihn begleitet, aber immer häufiger werden die Beziehungen immer inniger und man ist bereit alles zu tun, damit des dem kleinen Freund gut geht.

Der beste Freund

In der Welt der echten Freundschaft mit Tieren gelten mehr als sonst zwei Regeln: ‚Wie man in den Wald ruft, so schallt es hinaus‘ und ‚Tierbesitzer‘ oder vielleicht besser, jene, die mit ihrem Heimtier wirklich befreundet sind, wissen oft mehr als diejenigen, die meinen, dass sie viel wüssten.

Menschen, die mit Haustieren zusammen leben wussten immer schon, dass ihre Lieblinge mehr sind, als reine Reiz-Reaktions-Maschinen, auch, als die Forschung noch nicht so weit war. Es gibt noch immer die gut begründbare Lücke zwischen Mensch und Tier, aber zugleich weiß die Forschung immer genauer, was Tiere für hochkomplexe Wesen sind.

Manche Menschen, die mit Tieren zusammen wohnen lassen die Mensch/Tier-Grenze ein wenig verschwimmen und leben auf eine unverstellte Art mit den Tieren zusammen. Wie bei anderen Beziehungen auch, versteht man sich mit einigen besser, als mit anderen, manche werden zu Traumpartnern. Man weiß, was man an einander hat und spielt sich immer mehr auf einander ein. Hinter vorgehaltener Hand – manchmal auch ganz offen – gibt man zu, dass einem das liebe Tier kostbarer ist, als mancher Mensch. Man weiß, es sollte eigentlich anders sein, aber wenn man ehrlich ist, ist es nicht immer so.

Wir tun immer mehr für unsere tierischen Freunde. Galt das früher eher für etwas sonderbare ältere Damen, die ihren Kleinhund ins Regencape packten, mit einem Schleifchen im Haar versahen und im Café auf den Schoß nahmen, so ist die Bereitschaft immer mehr in das tierische Familienmitglied zu investieren, finanziell und emotional, gestíegen. Ein riesiger Markt, von Leckerlis und diversen Accessoires, aber auch Therapieangeboten.

Menschen anderer Kulturen blicken manchmal etwas stirnrunzelnd auf uns. Kulturelle Differenzen, bei denen sich oft nicht sagen lässt, wer nun richtig liegt. An die eigene Kultur adressiert müssen wir uns fragen, warum sind wir zu Menschen so hart und kalt sein können, während wir unsere Tiere so lieben? Die ewige Frage, schon Konrad Lorenz mahnte, die Tiere nicht zu lieben, weil man die Menschen nicht mag.

Dabei scheint mir der Bruch gar nicht einer zu sein, der zwingend zwischen Mensch und Tier verläuft, sondern zwischen Tier und Tier, sowie Mensch und Mensch. Wir kümmern uns nicht aufopferungsvoll um jedes Insekt und lassen Menschen achselzuckend im Meer ersaufen, sondern unsere seltsame Beziehung zu Tieren ist durch die harsche Spaltung auch quer durchs Tierreich gekennzeichnet.

Den eigenen Hund abgöttisch zu lieben, aber Fleisch aus der Massentierhaltung zu essen, das empfinden wir oft nicht als Bruch. So wenig, wie die einen Menschen zu verehren und die anderen kalt abblitzen zu lassen. Die Spaltung bleibt da, nur an anderer Stelle. Vielleicht ist es das Beste zunächst zu akzeptieren, dass wir beides in uns haben und die direkte Nähe eben unser Herz erweichen kann, während die wünschenswerte Fernstenliebe oft ein theoretisches Konzept bleiben muss.

Ein Grund, warum wir Tiere manchmal mehr akzeptieren als Menschen, ist dass wir unterstellen, dass der Mensch auch anders könnte, das Tier kann das nicht oder nur in Grenzen. Im Kern mag das stimmen, auch wenn es hier und da etwas zu kurz gesprungen ist.