Wie Beziehungen funktionieren (können), ergründen unermüdlich alle hoffnungslosen Romantiker. Die Vorstellung von der einzig wahren, ewig währenden Liebe steht gegen die persönlichen Erfahrungen/Enttäuschungen mit ständig wechselnden Partnern. Oder vielmehr: Kann ich die Walt-Disney-Prinzen-Backmischung noch einmal sehen, bitte?
Vielleicht wird es Zeit für ein Resümee. Vielleicht muss der Geist einfach mal ausgemistet werden. Was ist los mit den althergebrachten Ansichten in Bezug auf die Liebesbeziehungen des Lebens?
Die Ehe: Wieso und Warum?
In den letzten Jahrhunderten haben sich die (emotionalen) Ansprüche an die Ehe natürlich weiter entwickelt. Einst galt die Ehe im antiken Rom als Zweckgemeinschaft, um durch die männlichen Nachkommen den Fortbestand zu sichern. Unfruchtbarkeit war ein Scheidungsgrund.
Fun Fact: Etymologie „Husband“ – „Husbandry“
Dieses Ungleichgewicht in einer Ehe lässt sich bis heute – fokussiert man mit emanzipiertem Blick – in der Sprache finden. So stammt das englische Wort für Ehemann, „Husband“, aus dem Altnordischen („húsbóndi“), was gleichbedeutend ist mit: „master of a house“. „Husbandry“ steht für: „Haushalt“ beziehungsweise „Haltung“. Und „animal husbandry“ bedeutet: „Tierhaltung/Tierzucht“ …
Frauen unglücklicher in der Ehe: Wieso?
Heute würden wohl haufenweise Bräute ihrem zukünftigen Gatten ordentlich den Hochzeitszylinder gerade rücken, wenn dieser ganz offenkundig mit solch veralteter Attitüde in den Stand der Ehe eintreten würde. Dennoch finden sich in so mancher Beziehung Ungleichgewichte, zum Beispiel dann, wenn man Kinder bekommt und die Frau ihre berufliche Laufbahn hintenanstellt. Viel zu oft gerät die Augenhöhe dann ins Ungleichgewicht. Dementsprechend häufiger sind es die Frauen, welche die Scheidung einreichen, welche anmerken, in der Ehe unglücklicher zu sein. Bei unverheirateten Paaren ist dies dagegen nicht der Fall, hier sind beide Partner gleichermaßen zufrieden beziehungsweise unzufrieden mit der Beziehung.
Michael Rosenfeld, Soziologieprofessor an der Stanford University, vermutet nach Auswertung einer Langzeitstudie, dass nach der Hochzeit anscheinend häufiger traditionelle Rollenbilder gelebt werden als davor. Offensichtlich, so Rosenfeld, verändere sich die Ehe als Institution nicht schnell genug, um den Erwartungen an die Gleichberechtigung gerecht zu werden. Es würde immer noch davon ausgegangen werden, vor allem seitens der Männer, dass Frauen einen Großteil der Hausarbeit und der Kindererziehung übernehmen und folglich größere Einschnitte im Leben haben.
Gesellschaft in der Verantwortung
Ganz klar ist diesbezüglich auch die Gesellschaft in der Verantwortung. So emanzipiert wir in den Köpfen sein wollen, spätestens, wenn man Kinder bekommt, droht für Frauen nach wie vor die Abhängigkeit in der Ehe: wirtschaftlicher und emotionaler Art. In der Hinsicht sollte noch einiges auf den Weg gebracht werden. Mit der Grundrente ist womöglich ein weiterer Schritt getan, damit den Frauen ihre Fähigkeit, Kinder gebären zu können, nicht zum Nachteil gereicht.
Neben weiteren notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen sind es vor allem unsere Köpfe, in denen wir etwas ändern müssen.
Wie Beziehungen funktionieren (können)
Es scheint so, als wären unsere Erwartungen an Beziehungen noch nicht zur Gänze herangereift. Wir haben kein Bild davon, was eine Beziehung eigentlich können beziehungsweise nicht können muss und wie Beziehungen funktionieren. Versuchen wir einmal, zeitgemäße Erwartungen an eine Beziehung zu postulieren. Diese gelten selbstredend für Frauen und für Männer.
Geliebt werden: Ja. Aber bitte nicht auf trotzige Art.
Die therapeutische Praxis offenbart, wie viele Ehepartner im Grunde eher unreife Bedürfnisse besitzen, die sie vom Partner erfüllt sehen wollen. Die eigene Leere soll vom Partner aufgefüllt werden.
Das Geschenk von gegenseitigem Respekt, begleitet von dem Gefühl, geliebt zu werden, ist das eine. Zu fordern, der andere solle einen gefälligst glücklich machen, ist die unreife Variante davon.
Doch dies ist gar nicht so einfach. Beinahe die Hälfte der Menschen in westlichen Gesellschaften hat einen unsicher-abhängigen Bindungsstil, der aus der Kindheit rührt. Die Angst davor, verlassen zu werden, schwingt demzufolge ständig mit. Sich aus der seelischen Verletzung heraus, einen Schutzmantel überzuziehen, ebenso.
Erwartungshaltung ade!
Sinnvoll ist es, zu versuchen, sich von der kindlich anmutenden Erwartungshaltung zu verabschieden. Der Partner ist nicht für das eigene Glück verantwortlich – auch nicht für das eigene Unglück. Die Verantwortung für das eigene Leben liegt ausschließlich bei einem selbst.
Keine Manipulation des anderen, kein Triggern von Schuldgefühlen, kein Misstrauen, keine Vorwürfe, Vorhaltungen oder übertriebene Gespräche zur Klärung von Sachverhalten. Stattdessen selbstbestimmt leben und gemeinsame Zeit in Achtung miteinander genießen.
Ergründe dich als Beziehungspartner
Anstatt die Fehler wieder und wieder beim Partner zu suchen, macht es Sinn, sich außerdem mit sich selbst zu beschäftigen. Warum fühle ich mich nicht geliebt? Liegt es tatsächlich am Verhalten meines Partners oder rührt dieser Umstand aus früheren, nicht verarbeiteten seelischen Verletzungen? Erst wenn man sich selbst lieben lernt, kann man die Liebe eines anderen glauben und annehmen.
Zwei Zutaten Liebe
Bricht man das Glück für eine Beziehung auf zwei simple Grundrichtungen herunter, so lauten diese wie folgt:
Authentisches Interessiert sein an der Person des anderen und dem, was ihn und sein Leben ausmacht. Miteinander wohlfühlen und den Wunsch nach gemeinsam verbrachter Zeit selbstbewusst kundtun.
Sowie demgegenüber das eigene Leben aufrichtig weiter zu leben und Grenzen liebevoll zu setzen, wenn man eine Verletzung durch den Partner erfährt.
Nähe und Distanz sind im Gleichgewicht zu halten. In etwa so, wie man es mit Freunden praktiziert. Durch Vertrautheit mit dem Partner läuft man nur allzu häufig Gefahr, die respektvolle Distanz zu verlieren, wie man sie etwa in gesunden Freundschaften pflegt.
Die Haltungsfrage: „Husbandry“ versus Geisteshaltung
Nimmt man alles zusammen, ist es immer ein Konglomerat an Schritten dahingehend, wie Beziehungen funktionieren können. Die sogenannte Haltungsfrage muss sich in zweierlei Hinsicht ändern. Zum einen, in dem Verständnis fortschrittlicher Beziehungen. Um emotionale Abhängigkeiten zu verhindern und ausgewogene Machtverhältnisse zu schaffen, sind beide Partner gefragt, will man althergebrachte, stereotype Ansichten über Rollenmodelle tatsächlich überwinden und den dauerhaften Fortbestand der Beziehung sichern. Im Zuge dessen ist, zum zweiten, unverzichtbar die eigene Geisteshaltung zu hinterfragen, um zu reifen. Beziehung ist eben auch Arbeit, deren Ergebnis schneller gefährdet sein kann, als man denkt. Deshalb zeigen wir im nächsten Artikel unserer Serie zu gesunden Partnerschaften auf, welche Phasen Beziehungen durchlaufen und worin die Risiken für eine Trennung liegen.