Ich gebe es offen und ehrlich zu: Als das Robert-Koch-Institut 2016 seine neuesten Hochrechnungen präsentierte, war ich geschockt. Laut RKI soll jeder zweite Deutsche im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken und jeder vierte daran sterben. Wie so viele habe ich Angst vor Krebs. Und wie wohl jeder andere Mensch möchte ich nicht an Krebs erkranken. Das RKI beziffert in seinem Bericht, dass sich die absolute Zahl der Neuerkrankungen seit den siebziger Jahren verdoppelt habe und dass das Älterwerden der Bevölkerung zwar ein Grund dafür sei, es darüber hinaus noch weitere Gründe gäbe.
Neben Tabak- und Alkoholkonsum rückt das RKI in seinem Bericht unter anderem weitere Komponenten in den Fokus: zu wenig Obst- und Gemüseverzehr, zu viel Fleisch in der Ernährung und zu wenig Bewegung. Kurzum, wir Deutschen essen und sind zu schwer! Müssen wir uns also nicht nur um die nachhaltige Bewirtschaftung unseres Planeten kümmern, sondern auch um die nachhaltige Bewirtschaftung unseres Körpers? Brauchen wir eine Trendwende in der Ernährung?

Massentierhaltung ist zunehmend negativ behaftet

Neben den dramatischen Meldungen über die Gefahren für unsere Gesundheit scheinen Filmaufnahmen von Tierschutzorganisationen, welche die industrielle Tierhaltung dokumentieren, den Stein ins Rollen gebracht zu haben. Zur Prime-Time sah ich neulich bei einem öffentlich-rechtlichen Sender „die Wahrheit über den Fleischkonsum und wie wir Tiere in der Massentierhaltung behandeln“. In einer anderen Dokumentation berichtete ein ehemaliger langjähriger Schlachter von seinem Schlüsselmoment: Er habe im Schlachthaus gestanden und einem vor Angst weinenden Schwein in die Augen geblickt, daraufhin seine „Axt“ abgelegt und seinen Job gekündigt (Hope for all, 2016). Eine andere Aussage war in etwa so: „Was glauben Sie, warum Schlachthöfe nicht in der Nähe der Städte sind? Was Sie dort an Angstschreien hören, geht durch Mark und Bein.“

Küken in einem Kasten

Können wir es uns als zivilisierte Gesellschaft leisten, andere Lebewesen einzusperren? © quiddle. under cc

Fassungslos blieb ich zurück. Was mir als Städter nie zuvor so deutlich bewusst gemacht worden war, ist, dass viel mehr Tiere eine Art Bewusstsein haben, als ich es bisher angenommen hatte. Und dass ich die Trauer und die Hoffnungslosigkeit in den Gesichtern der Schweine und Kühe erkennen konnte. Man sah es ihnen an! Wie kann eine derart hochentwickelte Spezies wie der Mensch derart grausam vorgehen? Verdienen wir überhaupt die Bezeichnung zivilisierte Gesellschaft, wenn wir uns so schändlich den Schwächeren gegenüber verhalten?

Mein Ethik-Kompass war aktiviert. Nun wollte ich genau wissen, wie sich der Fleischkonsum zu unserer Gesundheit verhält.

Trendwende in der Ernährung: Haben wir die Gesundheitsgefahr durch Fleisch unterschätzt?

Als vor wenigen Jahren die Weltgesundheitsorganisation rotes Fleisch (Schwein, Rind etc.) als wahrscheinlich krebserregend und verarbeitetes Fleisch (Wurst, gepökeltes Fleisch etc.) als krebserregend einstufte (WHO, 2015), war ich wie so viele andere überrascht. Ich erinnere mich noch an den Aufschrei, der durch die Presse und die sozialen Netzwerke ging. Doch die Wogen legten sich rasch und die Meldung verschwand in Anbetracht stressiger Arbeitstage in den hinteren Regionen meines Gehirns.

Mittlerweile, so scheint es mir, häufen sich derartige Meldungen:

Was sagen offizielle Ernährungsempfehlungen?

So wird der Verzehr „inbesondere pflanzlicher Produkte“ seitens der Weltgesundheitsorganisation empfohlen (WHO, 2011), um die Wahrscheinlichkeit für Krebs und andere Zivilisationskrankheiten zu verringern. Rotes sowie verarbeitetes Fleisch sollen dagegen nur begrenzt verzehrt werden. Vollkornprodukte anstelle verarbeiteter Getreide. Aber was ist mit Milchprodukten, Eiern und anderem Fleisch? Wie viel davon kann ich verzehren oder lieber gar nichts von alldem? Fallen diese unter „gesunder Ernährung“? Leider stehen dazu keine weiteren Informationen in besagter Quelle (andere tierische Produkte werden dort nicht erwähnt) und ich bleibe ratlos zurück.
Die „American Dietetic Association“ sagt in einem Positionspapier, dass gut geplante (!) vegetarische – sogar vegane – Ernährungsweisen gesund sind und eine adäquate Nährstoffversorgung gewährleisten, auch in der Kindheit, der Schwangerschaft, für Sportler etc. (Craig et al., 2009). Darüber hinaus, dass sie gesundheitliche Vorteile in der Prävention und Behandlung von Krankheiten bieten können. Ähnliches liest man von der kanadischen (American Dietetic Association, Dietitians of Canada, 2003), der australischen und der portugisischen sowie – hier die Einschränkung: nur für Erwachsene – von der britischen Dietetic Association (DGE, 2017). Und erst kürzlich war zu lesen, dass das Bundesumweltministerium fortan auf Veranstaltungen nur noch fleischfreies Essen serviere (Handelsblatt, 2017).

Kampagne Peta Frauenrücken in Fleischstücke unterteilt

Kampagne einer Tierschutzorganisation: Der Mensch als Steak. Betrachten wir Tiere als Objekte? (All changes made to the image settings are applied to the selected photo only.) © Miel Van Opstal under cc

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat folgende Empfehlungen: fünfmal Obst und Gemüse am Tag, täglich Milchprodukte, reichlich Getreide, Fleisch begrenzt (DGE, 2017). Allerdings steht sie scheinbar mit ihren Ernährungsempfehlungen in der Kritik (Ärzteblatt, 2017), da die Empfehlungen nicht die aktuellen Forschungsergebnisse unterstützen würden.
Zu guter Letzt fand ich ein Paper, in welchem sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu pflanzenbasierter Ernährung äußert:

DGE: Positionierung zu pflanzenbasierter Ernährung

„Die Zusammensetzung der Ernährung, insbesondere die Relation von tierischen zu pflanzlichen Lebensmitteln, sowie der Verarbeitungsgrad bestimmen nach bisherigen Erkenntnissen das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten. In
epidemiologischen Studien konnte aufgezeigt werden, dass eine hohe Zufuhr von rotem Fleisch und insbesondere von Fleischerzeugnissen das Risiko für viele Krankheiten erhöht (z. B. bestimmte Krebsarten) und hohe Anteile an ballaststoffreichen Getreideprodukten sowie Gemüse und Obst viele Krankheitsrisiken senken (z. B. Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes mellitus Typ 2). Vegetarische Ernährungsformen haben hinsichtlich der oben genannten Lebensmittel häufig eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost in Bezug auf die Zufuhr von Nährstoffen und sonstigen positiv wirksamen (sekundären) Pflanzenstoffen.“ (zitiert nach Richter et al., 2016)
Jedoch heißt es, dass für eine vegetarische Ernährung gegenüber einer pflanzenbasierten Ernährung mit wenig Fleisch bisher keine Vorteile in Bezug auf die Lebensdauer nachgewiesen werden konnten. „Allerdings kann angenommen werden, dass eine pflanzenbetonte Ernährungsform (mit oder ohne einen geringen Fleischanteil) gegenüber der derzeitig in Deutschland üblichen Ernährung mit einer Risikosenkung für ernährungsmitbedingte Krankheiten verbunden ist.“ (zitiert nach Richter et al., 2016) Bei veganen Ernährungsformen sollte berücksichtigt werden, dass Nährstoffmängel drohen können und es einer hohen Informationsbereitschaft seitens des Konsumenten bedarf, so die DGE.

Ich bin verwirrt. Die Ernährungsempfehlungen erscheinen mir schwammig.

Fleisch oder nicht Fleisch, das ist hier die Frage

Zumindest scheint es Veränderungen, eine Trendwende in der Ernährung, zu geben. Ich beschloss, ein wenig auf „pubmed“ nach medizinischen Studien zu stöbern, Studien, die in renommierten wissenschaftlichen Magazinen veröffentlicht worden sind. Angestachelt sah ich mich durch ein Interview, welches ich gelesen hatte. In diesem sagte der Internist und Kardiologe Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel-Krankenhaus in Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: „Forschung braucht ein paar Jahre, bis die Daten da sind. Seit ein, zwei Jahren kommen erste gute Daten. Grundsätzlich wird es da aber keine großen Überraschungen mehr geben, was die vegane Ernährung betrifft.“ (zitiert nach RP Online, 2015)

Wie steht es denn nun tatsächlich um die Verzehrmengen von Fleisch, Milch und Co.? In einer Dokumentation hörte ich, dass Milchprodukte am Ende schädlicher seien als Fleisch. Welche Daten bezüglich pflanzenbasierter Kost gesammelt wurden, zeigt der nächste Artikel unserer Serie zu „Ernährung & Klimawandel“.

Quellen