Das Fazit meiner bisherigen Recherche ist: Wenn wir der typischen Ernährungsweise der Deutschen weiter folgen, werden sehr viele von uns sehr viel früher sterben, als wir bisher angenommen haben, an Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen u.ä. Die Ernährungsempfehlungen einiger Organisationen wirken auf mich wie ein Tanz um den heißen Brei. Mein Eindruck war, dass man sich bedeckt hielt, was den Fleischkonsum betraf. Was ich an Studien zum Fleischkonsum gelesen habe, bestätigte mich. Dort betonte man nicht etwa die gesundheitsfördernde Wirkung von Fleisch, vielmehr schienen die Ergebnisse zu sagen: Du kannst ein bisschen Fleisch essen, aber mehr wäre schädlich und verringert deine Lebenserwartung deutlich (z.B. Karolinska Institutet, 2016). Kann mein Körper demnach mehr Fleischkonsum nicht kompensieren? Eines ist klar, so viel Fleisch, wie wir heute verzehren, gab es niemals zuvor. Wir essen viel zu wenig „Grün“. Unweigerlich stellte sich mir die Frage, in Anbetracht des Leids der Tiere und der drohenden Gesundheitsgefahren, warum ich überhaupt Fleisch essen sollte? Geht es um die tierischen Proteine? Um eine ausreichende B12-Aufnahme? Auch Milch als gesunde versus schädigende Komponente der Ernährung rückte immer mehr in meinen Fokus. Ist Milch gesund?
Auch wenn ich nicht alles, was ich gelesen habe, vollständig darstellen kann, da dies den Rahmen sprengen würde, so will ich doch versuchen, eine Zusammenschau zu geben.

Ist Milch gesund? Und Fleisch? Forschungslage

Als Wissenschaftlerin bin ich immer auf der Suche nach Metaanalysen, die eine Zusammenfassung über mehrere Studien liefern. Außerdem sind Langzeitstudien von großer Bedeutung, da diese über mehrere Jahre gehen. Zudem Studien mit großer Stichprobe. Was ich an Studien zu Fleisch- und Milchkonsum und Gesundheit las, überstieg meine Erwartungen. In Anbetracht der Fülle liefere ich nachfolgend eine Kurzzusammenfassung:

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Diabetes und Krebs

Straße Mc Donalds Menschen

Fastfood: Fleisch, Fett und Zucker – eine explosive Kombination © daneshjai under cc

  • hoher Milchkonsum (2-3 Gläser pro Tag) scheint das Risiko für Eierstockkrebs und Prostatakrebs zu erhöhen, wobei dem zu hohen Calciumspiegel eine besondere Bedeutung zukommt (Havard T.H. Chan School of Public Health, 2017)
  • eine gut kombinierte pflanzenbasierte Ernährung (Hauptkomponenten: Obst, Gemüse, Nüsse, Früchte, Getreide, Samen, Hülsenfrüchte) kann kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen verhindern; bei Patienten mit Krebs hat eine Umstellung von fleisch- auf pflanzenbasierter Ernährung einen positiven Effekt (Szabó et al., 2016)
  • eine pflanzenbasierte Ernährung kann u.a. Bluthochdruck, vaskuläre Demenz, Krebs und Diabetes verhindern (jawohl, Diabetes, auch ich war überrascht, dachte ich doch immer Diabetes und Zucker stehen in einem großen Zusammenhang); manche dieser Erkrankungen können durch eine pflanzenbasierte Ernährung sogar rückgängig gemacht werden (Böni, 2016); Tierprotein erhöht das Risiko für Diabetes, pflanzliches Protein senkt dieses (Shang et al., 2016)
  • verglichen mit Nichtvegetariern haben Vegetarier kein verringertes Risiko für Brustkrebs, Veganer dagegen haben ein verringertes Risiko für Brustkrebs (sind demnach die Östrogene in der Milch das Problem?) (Penniecook-Sawyers et al., 2016); eine Studie fand, dass sich das Brustkrebsrisiko bei Frauen durch Milchkonsum um das Siebenfache erhöht (Galván-Salazar et al., 2015)
  • höhere Wahrscheinlichkeit für Dickdarm- und Enddarmkarzinomen bei Menschen jüngeren/mittleren Alters; verglichen mit den 1950 Geborenen scheint sich das Risiko für die um 1990 Geborenen um das zwei- bis vierfache erhöht zu haben; die von den Forschern genannten Gründe beziehen sich auf eine faserarme, d.h. wenig pflanzliche, Ernährung sowie Bewegungsmangel (Siegel et al., 2017)
  • pflanzenbasierte Ernährung scheint nicht nur das Risiko für Typ-2-Diabetes zu minimieren, sondern auch deutlich vorteilhaft bei der Behandlung dieser Erkrankung zu sein (McMacken & Shah, 2017)
  • in Japan zeigt die Umstellung von einer eher pflanzenbasierten Kost hin zu einer Ernährung mit viel Fleisch, Milchprodukten und Zucker einen rasanten Anstieg der Alzheimer-Erkrankungen (Grant, 2016)
  • das Wachstum von Prostatakrebszellen konnte achtmal besser gestoppt werden durch das Blutserum der Probanden in der Experimentalgruppe, bei welcher auf pflanzenbasierte Ernährung umgestellt und Stressmanagementtraining vorgenommen wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei welcher dies nicht erfolgte (Ornish et al., 2005)
  • hoher Milchkonsum und wenig pflanzliche Ernährung erhöht das Gesamtmortalitätsrisiko bei Frauen um das Dreifache (Michaëlsson et al., 2017)
  • Herzerkrankungen bei achtjährigen übergewichtigen Kindern, erste Ergebnisse (Jing et al., 2015)

Osteoporose und Zahngesundheit

  • ältere Menschen, die wenig Obst und Gemüse verzehrten, hatten ein größeres Risiko für Hüftfrakturen (Benetou et al., 2016), höherer Obst- und Gemüseverzehr scheint die Knochendichte zu verbessern (Liu et al., 2015)
  • höhere Aufnahme von Früchten und Gemüse, Betacarotin, Vitamin C etc. reduzierte Parodontitis (Zahnfleischrückgang) bei Nichtrauchern (aber nicht bei Rauchern) (Dodington et al., 2015)

Psychisches Wohlbefinden

übergewichtige Figur 1,46 Billion

Übergewicht: Was tun wir unseren Kindern an? © Next TwentyEight under cc

  • Veganer berichten eine geringere Stressanfälligkeit sowie weniger Ängste als Mischköstler (Beezhold et al., 2015)
  • bessere Stimmung und weniger Wechseljahresbeschwerden bei Veganerinnen (Beezhold et al., 2016)

Unweigerlich musste ich an den Kommentar eines Arztes aus einer der Dokus, die ich gesehen hatte, denken. Er sagte, dass wir uns in zwanzig Jahren darüber wundern würden, wie wir das unseren Kindern antun konnten. Mit „das“ meinte er die fleisch- und milchhaltige Ernährung, wobei ich bestimmte Kohlenhydrate auch nicht rausnehmen möchte.
Ich fand kaum Studien, die in ihren Ergebnissen untermauerten, wie gesund Milch oder Fleisch seien oder (keine einzige dazu!), dass Fleischesser länger leben würden als Pflanzenesser.

Wie hielten es die Neandertaler?

Studien zu Neandertalern, welche bisher als Raubtiere betrachtet wurden, scheinen die Menge an pflanzlicher Ernährung unterschätzt und die Menge an fleischlicher Ernährung überschätzt zu haben. Einige Studien deuten darauf hin, dass die Menge zur Aufnahme von tierischem Protein begrenzt zu sein scheint. Es scheint ein physiologisches Limit zu geben, was die Nahrungsaufnahme durch Fleisch und tierische Produkte betrifft. Ein Limit für tierisches Protein. Aus diesem Grund haben sich offenbar Neandertaler zudem pflanzliche Nahrungsquellen erschlossen (Fiorenza et al., 2015).

Meine Überlegungen wurden rebellischer Natur. Wer profitiert davon, dass wir stressgeplagten Menschen tierische Produkte (natürlich auch Zucker etc.) konsumieren, die uns tagtäglich in der Werbung vorgespielt werden. Oder anders gefragt: Welcher Industriezweig profitiert nicht davon? Bedenkt man, dass eine ungesunde Ernährung mehr Krankheiten, eine schlechtere Haut, unangenehmere Körperausdünstungen, schlechtere Zähne, mehr Bequemlichkeit und mehr Unwohlsein hervorrufen kann.
Während die Ernährungsempfehlungen tatsächlich auf weniger Fleisch abzielen (im Einklang mit der Forschungslage), wird dennoch zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung täglicher Milchkonsum empfohlen (Milch, Joghurt, Käse etc.) Die Sachlage bei Fleisch scheint klar: zu viel ist nicht gut. Aber was ist denn nun mit Milch? Können die darin enthaltenden Nährstoffe die gesundheitlichen Nachteile aufwiegen?

What about milk?

Wie ich einem Artikel in der ZEIT (Wagner, 2009) entnahm, verbraucht im Schnitt jeder Deutsche etwa 85 Kilogramm Frischmilcherzeugnisse pro Jahr – damit liegt Deutschland an der Weltspitze. Gerechtfertigt wird dieser Konsum damit, dass man Kalzium für Knochen und Zähne bräuchte. Und wie die ZEIT berechtigt annimmt: „Wenn das stimmte, dann müssten wir eigentlich die besten Knochen der Welt haben. Aber das Gegenteil ist der Fall: In Japan und China, wo traditionell wenig bis gar keine Milch getrunken wird, sind die Osteoporoseraten viel niedriger als hierzulande. Überhaupt leiden die Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika weniger an Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes oder auch Krebs. In diesen Gegenden der Welt hat es die Menschheit auch ohne das Milchverträglichkeitsgen weit gebracht.“

Ernährungswissenschaftler sagen, dass wir das Kalzium genauso gut aus pflanzlichen Lebensmitteln aufnehmen könnten, aus dunkelgrünem Gemüse, Nüssen, Samen, ja sogar Mineralwasser. Diese würden zumindest nicht den Körper „übersäuern“ (im Gegensatz zu Fleisch, Milch, Eiern und diversen Kohlenhydraten). Milch ist ein industriell verarbeitetes Massenprodukt und hat längst nichts mehr mit der glücklichen Kuh auf der Weide zu tun. Und vergessen wir nicht die Wichtigkeit von Vitamin D bei der Kalziumaufnahme (Wagner, 2009, Havard T.H. Chan School of Public Health, 2017). Dass heißt, oftmals ist es entscheidender raus in die Sonne zu gehen, als Unmengen von Milch zu trinken.

Optimale Nährstoffversorgung oder „Meine aktuellen Grübeleien“

Milch Kühlregal

Rechtfertigen diese Mengen von Milch die Massentierhaltung? © Solveig Osk under cc

Ich könnte also meine Kalziumversorgung auch über pflanzliche Produkte gewährleisten, ohne ein Osteoporose-Risiko einzugehen, zudem verringert sich vermutlich meine Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken.
Und was ist mit den anderen Nährstoffen, die tierische Produkte enthalten? Einige von ihnen scheinen in pflanzlichen Produkten oft sogar höher konzentriert zu sein. Zum Beispiel enthalten 100 g Kürbiskerne mehr Proteine als 100 g gekochtes Schweinefleisch oder Rindfleisch. Wie man seinen Nährstoffbedarf über pflanzliche Produkte decken kann, haben die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sowie die American Dietetic Association (Craig et al., 2009) aufgeführt. Müssen wir uns also in Anbetracht der Massentierhaltung und der derzeitigen „Qualität“ der tierischen Produkte genauso wie die Neandertaler wieder neue Nährstoffquellen erschließen?

Vitamin B12 versus Futtermittelzusätze bei Tieren

Kritisch wird es beim Vitamin B12, welches der Mensch über tierische Produkte aufnimmt. Doch mittlerweile gibt es dafür Präparate und mit Vitamin B12 angereicherte Produkte. Dazu kommt, dass in den Futtermitteln der Tiere aus der Massentierhaltung auch Vitamine und Mikroorganismen zugesetzt werden (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, 2017), weil die Tiere eben nicht mehr auf der Weide stehen, sondern in Hallen. In meiner Naivität fragte ich mich: Was macht es für einen Unterschied, ob ich oder das Rind Ergänzungspräperate zu sich nimmt? Zudem: Würde ich mich ausgewogen pflanzlich ernähren, hätte ich deutlich mehr natürlich aufgenommene Nährstoffe, bis auf B12. (Dafür bräuchte ich mir aber auch keine Sorgen um Wachstumshormone, Beruhigungsmittel und ähnliches machen, die den Futtermitteln der Tiere zugesetzt werden und unweigerlich auch in meinen Organismus übergehen.)

Ernährungswandel notwendig

Würden wir es schaffen, die Tiere artgerecht zu halten, um von den in der Werbung angepriesenen Vorteilen tierischer Produkte profitieren zu können? Würden wir es überhaupt schaffen, deutlich weniger Fleisch, Milchprodukte und Eier zu essen? So wie es Jahrtausende vor unserer Zeit geschah. Aber wie soll das aussehen? Fleisch für alle nur noch an bestimmten Tagen? Würde jeder zu jeder Zeit wenig Fleisch/Milch/Eier konsumieren wollen, wäre die Verfügbarkeit im Supermarkt erwünscht und wir würden an der industriellen Tierhaltung wenig ändern.

Albert Einstein soll einmal gesagt haben: „Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.“
Derzeit sind wir in unserer Gesellschaft an einem Punkt, in welchem wir eine hohe gesundheitliche Aufklärung haben, zudem eine gute Versorgungslage. Wäre es nicht an der Zeit den nächsten Schritt zu gehen? Für einen respektvollen Umgang mit den Tieren – und auch für die Rettung unseres Planeten, wie der nächste Teil unserer Serie zu „Ernährung & Klimawandel“ zeigt.

Quellen