Ich hatte vielleicht einfach Glück, mein erstes Mal in Meditation war schön. Es war eine geführte Meditation, aus der Konserve, damals noch mit Kassette. Mit einem „Klack“ war es dann nach einer halben Stunde vorbei. Als ich danach die zweite Seite hörte, wusste ich am Ende, dass ich etwas Besonderes erlebt hatte. Ausgestattet mit Sendungsbewusstsein wollte ich meiner Mitwelt das Erlebnis auch zukommen lassen, das Ergebnis war, dass ich erkennen musste, dass niemand in meinen näheren Umfeld das wohl auch nur annähernd so wie ich empfand. Doch seitdem war wenigstens mein Interesse für das Thema Meditation geweckt, bis heute.

Was das für ein Empfinden war, vermochte ich anfangs noch nicht zu fassen, doch nach einiger Zeit war klar, dass es eine Art Heimatgefühl war, das ich mit der Meditation verband. Der Vorteil der geführten Meditation war ganz einfach deren Unkompliziertheit. Hinlegen, Augen schließen, zuhören, fertig.

Doch der Anfang kann auch anders sein. Die häufigere Vorstellung und vielleicht auch häufigere Praxis der Mediation ist die des Sitzens mit überkreuzten Beinen. Technisch ist das weitaus anspruchsvoller, der Rücken gerade, die Schultern aber entspannt und dann aufpassen, dass man nicht zusammensackt. Dann soll man noch auf den Atem achten, je nach Schule ganz bewusst oder mit geringer Aufmerksamkeit, gleichzeitig gibt es die Anweisung einfach alles was auftaucht mit Gleichmut zu betrachten, kommen und wieder gehen zu lassen und wenn man sich eines zu Anfang nicht gut vorstellen kann, dann, dass das irgendwen entspannt und jemals klappen könnte.

Das tut es dann auch zuverlässig bei den meisten nicht, wenn doch, ist man vermutlich ein Naturtalent für Meditation. Der Anfang ist eher so, dass man unruhig wird, vielleicht sogar leicht überfordert ist, von all den Anweisungen, die man erhält, man muss an dies, das und jenes denken, aber das ist wie Fahrrad- oder Autofahren, irgendwann Routine. Doch auch die muss man sich erst erwerben und das geht nur, wenn man sich wieder und wieder hinsetzt und das oft auftretende Feuerwerk des Körpers und der Empfindungen aussitzt. Viele Neulinge haben nach dem erstem Mal Sitzen klitschnasse Hände gehabt und das wohl, weil in der Meditation ein wesentlicher Impuls von uns bewusst unterdrückt wird, sofort zu reagieren. Wir sind es in aller Regel gewohnt, auf Einfälle, Empfindungen und körperliche Signale direkt einzugehen, sie zu agieren. Neuerdings kommt noch das Phänomen hinzu, eventuell aufkommende Langeweile sofort mit dem Smartphone zu bekämpfen. Alle paar Minuten durchbricht eine neue Nachricht unsere Alltagsverrichtungen und wir gewöhnen uns an das immer Neue (und sei dies auch noch so banal). Stille, Ruhe, Bewegungslosikgeit und keine Nachrichten, das kennen manche heute kaum noch.

In der Meditation reagiert man idealerweise auf nichts. An sich etwas Schönes in einer Zeit, in der viele Menschen über Überforderung klagen. Doch mit dieser Anweisung konfrontiert, dreht das Bewusstsein bei Vielen von uns ein wenig durch. Auf einmal scheint es das Wichtigste der Welt zu sein, dass man sich bewegt. Die Position noch mal ändert, korrigiert, dann kratzt es hier, zieht da, es schmerzt, kurz, man ist unentspannt, bis gerädert.

Impulskontrolle

Doch das ist nicht alles. Den Körper bekommt man in aller Regel schnell in den Griff. Er versucht ein wenig zu schauen, was geht, wie ernst man es tatsächlich meint, ist wie ein bockiges Kind, was auf ein Verbot hin erst recht noch mal das tut, was es nicht soll und zwar, weil es das nicht soll. Hier können wir das Kind in uns ganz direkt erleben und obendrein lenkt die Anweisung, etwas nicht zu tun, die Aufmerksamkeit genau in diesen Bereich, der vorher keinerlei besondere Beachtung erfuhr.

Doch das ist alles nichts gegen das was, wenn wir das nun einmal aus Gründen der Sprachgewohnheit trennen wollen, unser Bewusstsein, der unablässige Strom der Gedanken, so treibt. Auch hier: Wenn man zu Ruhe kommen soll, fallen einem erst mal 1000 Dinge ein, die vorher noch zu erledigen sind. Habe ich dies gemacht und das getan? Lauter Kleinigkeiten gehen einem auf einmal durch den Kopf, alle wichtiger als die Meditation, die jetzt dran wäre.

Sitzt man dann tatsächlich und gelangt zu dem, um was es eigentlich gehen sollte, sind die möglichen Störungen längst noch nicht am Ende. Unaufhörlich bestürmen einen Reize, unterschiedlicher Art und Intensität, bevor sie wieder zurückfallen, die einen früher, die anderen später. Gustav Meyrink hat das im Golem an dieser Stelle anhand einer Szene, bei einem Blick in ein Buch, schön dargestellt. Die ganze Kaskade der bunten Verrücktheiten, die im Bewusstsein auftauchen und um Aufmerksamkeit buhlen.

Das Ticken der Uhr, die Geräusche des Nachbarn, vorbeifahrende Autos, das nun vielleicht störende Zwitschern eines Vogels … muss das jetzt sein? Man will doch Ruhe haben, ärgert sich vielleicht über die vielen Quellen von Störungen, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind, und dann kann man sich noch darüber ärgern, dass man sich ärgert. Das alles muss natürlich nicht sein, ist aber eher häufig als selten. Das auszuhalten und nicht darauf zu reagieren, ist eine Übung in Affekt- oder Impulskontrolle, ungeheuer wichtig in unserer Zeit, in der die Ablenkungen zum festen Bestandteil eines oft fragmentierten Alltags und einer oft fragmentierten Psyche geworden sind. Insofern ist die Meditation hier ein durchaus nützliches Training, aber auf reine Nützlichkeiten sollte man die Meditation nicht reduzieren, ist sie doch im Gegenteil in vielen Fällen eine Praxis der Absichtslosigkeit, mindestens aber ein passiver Weg. Zur Selbsterkenntnis und allerlei mehr. Denn nach und nach wird klar, die Störungen sind eigentlich gar keine, das bin ja ich. Ich erlebe in der Meditation nichts anderes als mich selbst und das ziemlich ungefiltert. Das ist der Sinn der Übung.