Misstrauen und Eifersucht
Einen weiteren Punkt streiften wir kürzlich mit dem Artikel über die paranoide Gruppe, die notorische Innerlichkeit dieser Menschen, die das Leben zu einem großen Teil mit sich selbst ausmachen. Am ehesten gelingen dem Paranoiker noch Beziehungen, die jedoch durch chronisches Misstrauen und Eifersucht schwer belastet werden. Eifersucht ist an sich wichtig und schützt die Beziehung, kann aber natürlich auf der anderen Seite zum Fluch werden, wenn der Partner chronisch eifersüchtig ist und jedes Vertrauen vermissen lässt, ohne das eine Beziehung nicht auskommt. Die absolute Kontrolle ist keine Basis für eine Beziehung, sondern eher für deren systematische Zerstörung. Mit dauernden Eifersuchtsattacken macht man sich und dem anderen das Leben zu Hölle und wenn es tatsächlich gelingt, den anderen an die Leine zu legen, ist das ein überaus fragwürdiger Sieg, wenn man erleben muss, wie der andere nach und nach neben einem eingeht.
Chronische Eifersucht und Misstrauen um seiner selbst willen, ist immer eine schwere Belastung für eine Beziehung und der chronisch Eifersüchtige hat und ist das Problem, wird dies aber gewöhnlich anders sehen. Oft hat er die Geschichte einer Verletzung parat, in einer früheren Beziehung. Je länger die Kette dieser Vertrauensbrüche und Verletzungen ist, die das Kontrollverhalten rationalisieren soll, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Betrogene an seinem Schicksal (wenn vielleicht auch unbewusst) mitbeteiligt ist.
Borderline-Störung
Beziehungsprobleme der eigenen Art gehören bei der Borderline-Störung sozusagen zum festen Inventar. Der Buchtitel Ich hasse dich: verlass mich nicht bringt das Stimmungschaos vieler Borderliner exemplarisch auf den Punkt. Sie können buchstäblich nicht ohne den anderen, fühlen sich aber im Moment der Nähe sofort eingeschränkt und unter Druck gesetzt. Am schlimmsten erleben sie Widerspruch, der ihre instabile Welt sofort einstürzen lässt. Einen Vorschlag abzuzlehnen heißt für sie den ganzen Menschen abzulehnen und der sind sie selbst. So wird fast jede Verweigerung eines Wunsches als das Ende der Beziehung und diese, da der andere ja das Ein und Alles ist, das Ende der Welt gedeutet.
Die Reaktion von Borderlinern kann dementsprechend heftig sein und ist eine Antwort aus Wut, Rache und völliger Verzweiflung, weil nun endgültig alles aus und vorbei ist. Zum dritten Mal in dieser Woche. Die Antwort kann nach außen gerichtete Wut sein, bei der Türen knallen und Gläser fliegen, typisch ist aber auch das selbstverletzende Verhalten, was die den Borderlinern bewusste Funktion hat, sie wieder zu „erden“. Wenn sie sich ritzen, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen oder in der zivilisierten Variante ein Glas extrascharfen Senf essen, spüren sie sich im und durch den Schmerz wieder, wissen wieder, wer und wo sie sind, tauchen aus dem Fall ins emotionale Chaos und Nichts wieder auf: Ich bin die, der es weh tut.
Die den Borderlinern halb- oder unbewusste Funktion der Selbstverletzung ist die, der Bestrafung des anderen und da schrecken sie oft vor Selbstmordinszenierungen nicht zurück. Inszenierungen, weil die Absicht dahinter oft nicht die ist, sich wirklich zu töten, sondern den anderen spüren zu lassen, wie weit er einen getrieben hat. Dennoch sind solche Differenzierungen den Fachleuten überlassen und Suizidabsichten immer ernst zu nehmen und im Zweifel ein psychiatrischer Notfall. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig falschen Alarm schlagen. Doch auch diese Inszenierungen zeugen von extremer Not und Verzweiflung, der Grund dahinter ist eine Ich-Schwäche und die ist es auch, die die Zurückweisungen so unerträglich erscheinen lassen. Beziehungen zu Menschen mit Borderline-Störungen sind daher oft nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig. Der Partner fühlt sich oft ohnmächtig und überfordert und nicht jeder ist in der Lage oder bereit, das zu ertragen.
Normale Gründe für Beziehungsunfähigkeit in späteren Jahren
Es gibt Menschen, die für dauerhafte Zweierbeziehungen einfach nicht geeignet sind, ohne, dass dies immer pathologische Ursachen haben muss. So wie das normale Ausprobieren in der Jugend irgendwann und bei einigen vielleicht pathologische Züge erahnen lässt und diese bei einigen ganz definitiv in Erscheinung treten, so können manche Menschen mit tieferen Beziehungen einfach nichts anfangen. Das kann, wie erwähnt, bei Narzissten der Fall sein, die es einfach nicht ertragen können, irgendwen zu brauchen oder bei schizoiden Menschen, bei denen nicht ganz klar ist, ob sie an der Begegnung mit anderen einfach keinen Spaß haben, oder es ihnen unendlich schwer fällt sich emotional auszudrücken und die Gefühle anderer zu erleben.
Doch wie dem auch sei, gibt es Menschen, bei denen die Zuordnung schwieriger ist. Manche wollen vielleicht die Erwartungen der Umwelt nicht einfach brav erfüllen und ein eigenes, anderes Leben führen. Dabei muss man natürlich aufpassen, dass man sich nicht aus Widerspruchsgeist selbst um Annehmlichkeiten bringt. Der konstruktivistische Psychologe und Kommunikationsforscher Paul Watzlawick sagte in einem ähnlichen Zusammenhang mal, dass man frei sei, wenn man sich im Auto anschnallt, obwohl es vorgeschrieben ist. Doch der Wunsch, nicht stromlinienförmig zu leben, wird ebenfalls eher einen geringen Anteil ausmachen, für manche Menschen sind Beziehungen einfach nichts. Sie sind in dem Sinne nicht beziehungsunfähig, Beziehungen geben ihnen einfach nichts und darum wollen sie keine eingehen.
Manche sind vielleicht mit sich und in ihrer Welt glücklich, als Genies mit ganz eigenen Interessen oder als Exzentriker, die ganz kuriose Lebensformen bevorzugen und Interessen haben. Eine gesellschaftlich akzeptierte Form ist der Mönch oder die Nonne, die bewusst weltlichen Zweierbeziehungen und größerem Besitz entsagen und ihre Leben Gott, der Spiritualität oder der Gemeinschaft der Schwestern und Brüder widmen, die zwar nicht beziehungsunfähig sind, aber sich ganz bewusst gegen eine Zweierbeziehung entschieden haben. Die Gründe für Beziehungsunfähigkeit oder -willigkeit, sind variantenreich.