Kopf mit Licht an der Stirn

Bewusstsein und Geist werden mit dem Licht assoziiert. © thierry ehrmann under cc

Die Geschichte von Geist und Welt ist insofern merkwürdig, als sie zwar einerseits immer schon (seit wir es verfolgen können) unterschiedliche Interpretationen kannte, aber dennoch ebenso stark eine rote Linie sichtbar wurde, die zuerst moderat und dann immer mehr in eine Richtung zeigte. Bis zu dem Punkt, an dem vieles anders wurde. Bis wir an der Stelle ankommen, müssen wir allerdings im gestreckten Galopp durch die Zeiten, notwendige Ungenauigkeiten bitte ich zu entschuldigen.

Geist und Welt in archaischen Zeiten

Hier ist wenig überliefert, aber was wir wissen ist, dass der Geist eine starke Rolle einnahm. Die Ahnengeister der verstorbenen Vorfahren waren in den Frühformen europäischer Kulturen ein integraler Teil der Familie, man kann sich vorstellen, dass sie dem einen oder anderen im Traum erschienen und der Ort, an dem sie im Haus erschienen und weiter lebten, war eine Feuerstelle, die nie erlöschen durfte. Es war eine verantwortungsvolle und zentrale Aufgabe, die dem Familienvater übereignet war, dafür zu sorgen, dass dieses Feuer niemals erlischt. Passierte es doch, war das Band zu den Ahnen in der Vorstellung der damaligen Zeit gerissen, was einer Katastrophe gleichkam. Es wird vermutet, dass in diesen animistischen Zeiten alle Dinge als beseelt angesehen wurden, dass die Dinge der Welt also auch Geist hatten.

Jener Geist war über lange Zeiträume mit im Spiel, in magischen oder mythischen Konstellationen. Noch als in der Achsenzeit die Philosophie und der reflexive Geist in immer konzentrierter Form die Weltbühne betraten, war er eine dominierende Größe.

Platon, frühe Philosophen und die Religion

Bei Platon hatten die Dinge der Welt mehr oder weniger Anteil an den Urideen, waren also Ausdruck derselben. Es gab immer schon auch Strömungen, die eine Dominanz der Materie sahen, doch diese waren zur damaligen Zeit eher Randgruppen, zumal in der Bevölkerung.

In der abendländischen Religion drehte sich natürlich viel um das alltägliche Leben, aber der wesentliche Bezugspunkt war das, was danach geschehen sollte. Im Jenseits sollte das Entscheidende passieren, der Rest war nur Übung, das Leben ein Probelauf für das große Finale. Interessanterweise kam gerade dadurch ein Gedanke der Gleichberechtigung in die Welt, denn wie unterschiedlich die Menschen auf Erden waren, wie schroff die Asymmetrie auch war, vor Gott waren alle Menschen, ob Kaiser oder Bettler, gleich, eine neue Idee, mit der das Verhältnis von Geist und Welt zugleich auch geklärt war. Denn Gottes Reich war zwar einerseits nicht von dieser Welt, andererseits glaubte man daran, dass er jederzeit in diese Welt eingreifen könnte, wenn er nur wollte und all die Bittgebete sind ohne dieses Selbstverständnis gar nicht denkbar.

Descartes und der Dualismus

So war es dann Descartes, dem ungewollt die Rolle zufallen sollte, das Reich Gottes und der Materie zu separieren und damit die Rolle Gottes zu schwächen. Gegen die Wissenschaft war die Kirche nie eingestellt, im Gegenteil, die gebildeten Menschen standen fast alle im Dienste der Kirche. Doch Descartes sagte nun, dass es ein ausgedehntes Reich gäbe, kurz und gut das, was die materielle Welt ist und ein eigenes Reich des Denkens. Und auch bei ihm erschien die materielle Welt der geistigen untergeordnet, war es doch Descartes, der fragte, ob man denn wirklich zweifelsfrei annehmen könne, dass die Welt existiert und ob das nicht auch eine Täuschung sein könne? Wir wissen heute, dass Descartes sich irrte, wichtig an dieser Stelle ist aber, dass er dadurch, dass er die Regeln der einen, materiellen Welt der anderen, geistigen, gegenüberstellte, die Beziehung von Geist und Welt so radikal trennte, dass sich die Frage ergab, wie denn eigentlich die eine auf die andere Welt einwirkt.

Das Problem ist bis heute bekannt. Gründe sind etwas anderes als Ursachen, Gedanken sind keine Hirnaktivität, die Regeln der Grammatik lassen sich nicht aus den Naturgesetzen ableiten. Andererseits, in uns selbst finden wir beides vor. Die materielle Welt beeinflusst uns ganz ohne Zweifel, das allerdings tun die Gedanken auch. Descartes erkannte das Problem aber und für ihn war die Zirbeldrüse der Ort der Wandlung. Dieser Schnitt, den Descartes setzte, beschäftigt uns bis heute.

Die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Welt ist seltsam ungelöst, genauer gesagt für die eine Fraktion im Prinzip beantwortet, nur im Detail noch nicht erklärt, für die andere sieht es weit offener aus, wir kommen darauf zurück.

Der deutsche Idealismus und der Materialismus

Beim Deutschen Idealismus handelte es sich zugleich um eine Art letzten Höhepunkt und darauffolgend raschen Niedergang einer Idee, dass es so etwas wie eigenständige geistige Entitäten und Seinsbereiche, Welten könnte man auch sagen, gäbe.

Kant sah die Frage von Descartes, ob es die Welt wohl tatsächlich gibt, oder ob sie nicht doch nur ein Produkt meiner Fantasie sein könne, zwar als einen „Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft“[1] an, trennte aber selbst die Welt in eine auf, die aus Dingen besteht und eine transzendentale, geistige, in der die Dinge an sich zu Hause sind.

Hegel fusionierte Welt und Geist im Begriff des Weltgeistes, der sich in einer grundsätzlichen Vernünftigkeit der Weltgeschichte offenbaren sollte.

Diese Rationalität innerhalb des Weltgeschehens wird von vielen heute noch gesehen, aber anders erklärt, doch damit kam der Geist dann auch erst mal in die Flasche und die Stunde des Materialismus begann. Wie in Die wissenschaftlich-technische Revolution ausgeführt, trat diese ihren atemberaubenden Siegeszug vor allem aufgrund der Tatsache an, dass sie ganz praktisch herzeigen konnte, was aus ihr resultiert, die Ergebnisse waren handfest und greifbar, man musste weder dran glauben, noch sich innerlich entwickeln: elektrisches Licht, Arbeit, Industrie, Geld, Nahrung und in der Folge eine rasant wachsende Infrastruktur waren ganz einfach integraler Teil der europäischen Welt. Heute reden wir von Industrie 4.0, dies war die Geburt von Industrie 1.0.

Entzauberung

Was das für das Verhältnis von Geist und Welt bedeutete, wurde von dem Soziologen Max Weber mit dem Schlagwort Entzauberung belegt. Dies allerdings, anders als oft kolportiert, mit dem Ausdruck eines Bedauerns. Das Magische, das Wunderbare und auch das Göttliche verschwand zusehens aus der europäischen Kultur, Welt wurde erklärbar und zwar recht umfassend, wenn man sie einzig und allein auf das Zusammenspiel ihrer kleinsten Teile reduziert und versteht, wie diese zusammenwirken.

Mit all dem stehen wir bereits mitten in der Moderne und nachdem dieses Denken einige Jahrzehnte Fahrt aufgenommen hatte, gab es bereits erste Gegenbewegungen. Den Romantikern war das alles zu kühl und seelenlos geworden und mit den durch ausgedehntere Transportwege immer besseren Kontakten, kamen auch indische Ideen nach Europa, Legenden und Berichte von Yogis und ihren ‚verrückten‘ Praktiken. In der Folge etablierten sich Bewegungen, die romantische Ideen, solche eines naturnahen Lebens und spiritistische Gedanken, einzeln oder kombiniert vertraten.

Ungefähr zur gleichen Zeit stieß jedoch die Forschung in neue Bereiche vor, die selbst außerordentlich rätselhaft erschienen. Ausgerechnet die härteste der Naturwissenschaften, die Physik, kam zu Ergebnissen, die kaum noch jemand nachvollziehen konnten, weil sie sich dem gewohnten Vorstellungsvermögen und der Alltagslogik entzogen. Und Sigmund Freud stieß systematisch in zuvor unbekannte Bereiche der Psyche vor, selbstglaubend, dies sei nur ein Intermezzo bis dereinst die Neurologie so weit sei, dass sie die Psychoanalyse ablöst.

Von diesen Merkwürdigkeiten abgesehen, auch die Psyche verhielt sich keinesfalls immer logisch und der Vernunft gemäß, hieß das Programm der Zeit dennoch:

„Die neue Ontologie hat einen viel umfassenderen Realitätsbegriff, der sich auf eine Stufenordnung der realen Welt bezieht. Nach Nicolai Hartmann hat sich gerade das, was einst als Reich der Vollkommenheit galt, das Reich der Wesenheiten, deren schwache und unvollkommene Abbilder die empirisch wahrnehmbaren Dinge sind, als das Reich des unvollständigen Seins erwiesen, das nur in der Abstraktion gebildet werden konnte. Dies sei der vielleicht greifbarste Gegensatz zwischen neuer und alter Ontologie.“[2]

Der Geist hatte, im Vergleich zur Welt und was seine Eigenständigkeit anging, ausgedient. Psychologische Vorgänge wurden immer mehr als biologische Vorgänge betrachte und diese als Spezialfälle eines eigentlichen physikalische Weltganzen. Was man noch nicht konnte, war die genauen Zusammenhänge zu erklären, doch das sei, so war man überzeugt, nur eine Frage der Zeit. Bei der Geschichte blieb es dann, bis hinein in die jüngste Zeit und für einen Teil der Gelehrten ist es noch heute so.