Wenn der Partner Verdacht schöpft

Kann es wieder was werden oder ist das Vertrauen zerstört? © Smarak Samarjeet under cc
Affären gehören zu den häufigsten Trennungsgründen, da sie die Primärbeziehung bedrohen. Untreue bedeutet einen Loyalitätsverlust. Sie wird als demütigend erlebt und geht mit einem Kontrollverlust einher. Urängste wie Einsamkeit, Scham oder Angst treffen auf Wut und Ärger. Eine Achterbahn der Gefühle ist vorprogrammiert.
Oftmals kommen Steine ins Rollen, wenn ein Partner Verdacht schöpft. Den Abdruck von Lippenstift auf dem weißen Hemdkragen mag es noch geben. Verdachtsmomente entzünden sich heutzutage aber eher durch die Medien: eine gelesene „WhatsApp“, nicht gelöschte Chatverläufe, verändertes Verhalten am Handy oder unbekannte Adressen im Navigationsgerät des Autos führen dazu, dass der Radar des Betrogenen angeht.
Der Partner mit der Affäre wird sich fragen: Was halte ich geheim? Welche Risiken gehe ich dabei ein? Verschweige ich, leugne ich, lüge ich? Der betrogene Partner wird sich fragen: Misstraue oder vertraue ich? Will ich wirklich alles wissen? In dieser Phase sind die Sinne geschärft. Wo gelogen wird, da wird auch übergriffig kontrolliert.
Affäre aufgeflogen – und jetzt?
Ist die Affäre aufgedeckt, befindet sich das Paar in einem Schockzustand. Der Betrogene hat die Kontrolle verloren, stellt alles in Frage und überlegt, ob die Beziehung die Kränkung überleben kann. Der Betrogene wird hin und hergerissen sein, wie viel er erzählen soll. Gibt es ein Geständnis oder eher doch ein Bekenntnis?
Diese Phase des Schmelztiegels zehrt an den Kräften beider Partner. Lautstarke Diskussionen folgen einem ungewohnten Gefühl von Nähe, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsstörungen, innerer Unruhe und ständigem Gedankenkreisen. Alles sehr typisch für diese Phase.
Oftmals verändern sich die überwältigenden Gefühle mit der Zeit, von daher sei vor einer vorschnellen Entscheidung abgeraten. Je selbstbewusster ein Mensch ist, umso eher wird er sich den Themen stellen und nicht sofort in die Flucht geht. Lassen Sie sich Zeit. Gefühle regulieren sich und eine Affäre sieht in der Woche 1 völlig anders aus als im Monat 3.
Die Entscheidungsphase
In der Folgezeit kommt es dann zu interessanten Veränderungen. Häufig reagieren die Hauptakteure anders als erwartet. Es gibt seit längerer Zeit wieder intensive und ehrliche Gespräche zwischen den Partnern. Paare, die oftmals lange keinen Sex mehr hatten, schlafen wieder miteinander. Alles ist aus dem Ruder gelaufen, die Spielregeln, die vorher Bestand hatten, werden nun in Frage gestellt. Es wird nach Lösungen gesucht.
Der untreue Partner hat oftmals ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig ist er im Spagat zwischen Affäre und Partner und muss im Falle der Trennung einen Trauerprozess durchlaufen, bei dem ihm der betrogene Partner logischerweise nicht zur Seite stehen kann und will. Schuld und Scham müssen überwunden werden, damit wieder in aufrechter Haltung eine Beziehung auf Augenhöhe stattfinden kann. Gibt es eine Chance auf einen Neuanfang? Gibt es Probleme, die geklärt werden müssen? Der betrogene Partner wird sich fragen, ob er vergeben und verzeihen soll und wie er wieder Vertrauen finden kann. Er hat zahlreiche Fragen und endlose Gedankenketten werden durch seinen Kopf streifen. Der Fokus besteht darin ein Gefühl der Kontrolle zurück zu bekommen über den Zeitraum, in dem er nichts von der Affäre wusste. Gleichzeitig muss er sich vor der Fülle an Details und Bildern schützen. Keine einfache Zeit, denn es besteht die Gefahr sich in einer Chronifizierung der Kränkung zu verlieren, in der Verletzungen wechselseitig weiterlaufen und es zu ständigen Vorwurf-Rechtsfertigung-Zyklen kommt, welche die Partnerschaft nachhaltig schwächen.
Neue Spielregeln statt Schweigen
Entschließen sich die beiden Partner in der Beziehung zu bleiben, muss eine Aufarbeitung von chronischen Konflikten oder Problemen in der Beziehung und dem Gewesenen stattfinden. Es sei davor gewarnt zu schnell in eine neue Ordnung überzugehen und zu verleugnen, was passiert ist. Dies ist die Zeit für die Überarbeitung alter Spielregeln und für eine Innenschau der Beziehung. Stimmen noch die Rollenverteilungen? Wie geht das Paar mit der Exklusivität weiter um? Stimmt noch die Definition von Treue?
In allen Phasen (von der heimlichen Affäre, über die Entdeckung und Aufarbeitung der Affäre bis hin zur Neuausrichtung) kann es hilfreich sein, den Rat eines erfahrenen Paartherapeuten in Anspruch zu nehmen, dessen Rolle in der Vermittlung und Emotionsregulation besteht. Gespräche laufen unter Beisein eines neutralen Beraters strukturiert und weniger emotional ab. Der Blick nach vorn und eine systematische Vorgehensweise im Umgang mit den Situationen wird als sehr hilfreich und entlastend empfunden. Blinde Flecken für eigene Probleme in der Beziehung können aufgedeckt und nachhaltig behoben werden.
Viele Paare überwinden eine Affäre, auch wenn es allen Beteiligten viel Mühe kostet. Am Ende steht idealerweise eine ehrlichere und manchmal auch gefestigtere Beziehung. Jedes Paar, das einmal eine Affäre überwunden hat, wird den Inhalt des Spruches „in guten und schlechten Zeiten“ nun neuartig definieren und verstehen.