Affären in der Ehe oder in verbindlichen Beziehungen sind häufiger Anlass für Trennungen. Um das Thema „Affäre“ ranken zahlreiche Mythen. Zum Beispiel, dass eine Affäre der Beweis dafür ist, dass in der Ehe etwas schiefläuft. Oder dass Frauen generell treuer sind als Männer, dass eine Affäre immer das Ende einer Beziehung bedeutet oder dass gelegentliche Abenteuer einer eingestaubten Partnerschaft guttun. Manche glauben auch, dass Untreue der Beweis ist, dass der untreue Partner weniger liebt als der andere oder dass die Affäre kein Einzelfall bleiben wird. All diese Mythen stimmen im Einzelfall oftmals nicht.
Woher der Wunsch nach Exklusivität kommt
Die Wünsche nach Exklusivität im Hafen der Ehe oder einer verbindlichen Beziehung mit dem Gefühl der Zugehörigkeit und emotionalen Heimat verlangt nach Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, Schutz, Vertrauen und Verbindlichkeit. Neben der emotionalen Beständigkeit geht es auch um Themen wie Sicherung der Vaterschaft und Bindung von Ressourcen, um die Kinderbetreuung zu erleichtern.
Gründe für eine Affäre
Neben dem Wunsch nach Exklusivität haben alle Menschen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt, das Bedürfnis nach Autonomie, Freiheit und Offenheit. Sich wieder einzigartig, begehrenswert und vital fühlen und den Alltag hinter sich lassen – diese Emotionen treiben Partner aus der vertrauten Beziehung hinaus ins Abenteuer. Ein guter Partner für eine Affäre bietet eine Projektionsfläche für eigene angestaute Bedürfnisse und Träume.
Im analogen Zeitalter fanden sich Affären im realen Leben durch Face-to-Face-Kontakte. Im digitalen Zeitalter sind sie dank GPS-Ortung und perfektem Match auf entsprechenden Apps und Partnerbörsen oftmals nur einen Mausklick entfernt. Im Internet ist pornografisches Material permanent abrufbar, die sexuelle Fantasie bekommt unbegrenzt Futter, die Reize sind stark und hinterlassen ihre Spuren in den Wünschen für das eigene Leben.
Attraktive Personen mit einem zeitlichen und finanziellen Freiraum, offene Augen für Gelegenheiten, Erfahrungen in der eigenen Vergangenheit mit Untreue oder Trennung der Eltern oder selber schon einmal durchlebten Affären neben einer festen Partnerschaft werden im Durchschnitt häufiger in Versuchung geraten. Der Dritte schwebt dann neben der Beziehung immer ein Stück weit mit. „Gelegenheit macht Diebe“ – dies kann aus einer Situation heraus passieren, wo in der Kernbeziehung noch alles in Ordnung ist.
Zudem kann eine Affäre Fluchtort weg von einer Partnerschaft mit chronischen Konflikten und ungelösten Problemen werden. Dies betrifft dann Partner, die sich in der Beziehung nicht mehr gesehen fühlen, nur noch funktionieren oder nur noch unfreiwillig durch äußere Umstände mit dem Partner zusammen sind. Die Affäre als kleine Insel am Rande, in der Energie und Kraft aufgetankt werden kann.
Partner mit hohen Ängsten vor dem Alleinsein suchen auch häufig nach Ablösungspartner. Hier wird festgehalten und gleichzeitig weitergesucht. Ist ein neuer attraktiver Partner in Sichtweite und steht die Beziehung zu der Affäre auf stabilen Beinen, so wird im Rahmen der überlappenden Monogamie von einer Partnerschaft in die nächste gewechselt.
Paare haben Visionen einer gemeinsamen Zukunft vor Augen, planen mit viel Idealismus und empfinden zu Beginn der Beziehung oftmals starke Gefühle. Die romantische Trias sieht Liebe, Sex und Bindung innerhalb einer Beziehung vor: Frische Paare räumen sich gegenseitig oftmals eine vollständige Exklusivität der Beziehung ein. Wenn Kinder da sind, ist das geradezu erforderlich, damit Ressourcen wie Geld, Zeit und Gefühle in der eigenen Beziehung landen. Paare grenzen sich so von der Außenwelt verlässlich ab. Am Anfang einer Beziehung wird der Treuedefinition wenig Aufmerksamkeit gewidmet, da sich alles so gut anfühlt mit dem sehnsüchtig gewünschten Partner. Diese unausgesprochenen Definitionen haben dann so lange Gültigkeit, bis einer der Partner ausschert oder für sich Freiräume in Anspruch nimmt, die so nicht abgesprochen waren.
Es ist empfehlenswert bereits zu Beginn der Beziehung genau zu besprechen, wo die Abgrenzung der Partnerschaft verlaufen soll. Was ist exklusiv und wo fängt die Untreue an? Hier kann man gar nicht zu sehr ins Detail gehen, denn im Ernstfall hat jeder eine andere Definition im Kopf und Betroffene stellen fest, dass die feste Beziehung auf zwei völlig unterschiedlichen Bühnen des Lebens gespielt wurde.
Liebe und Erotik – ein Spagat?
Der Wunsch nach Nähe und Verbindlichkeit und das Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit sind geradezu Gegenspieler. Auch der Spagat zwischen Liebe und Erotik erscheint paradox. Kann ich den Partner, den ich liebe, auf Dauer begehren? Ist Liebe ihrem „Wesen“ nach monogam? Kann man zwei oder mehr Menschen lieben?
Entspricht das romantische Konzept („alles mit einem für immer“) der „Natur“ des Menschen? Lassen sich Liebe, Bindung und Sex in verschiedenen Bereichen ausleben? Habe ich ein Recht auf die Sexualität meines Partners? Habe ich ein Recht auf die Offenheit meines Partners? Bin ich verpflichtet, meinem Partner gegenüber offen zu sein? Ist Fremdgehen legitim, wenn ich mich verliebt habe? Habe ich auch in der Beziehung ein Recht auf Privatheit?
Liebe braucht Nähe und Erotik Distanz. Der sogenannte „Coolidge Effekt“ bezeichnet den wachsenden Überdruss, wenn ein Mensch ohne Abwechslung immer wieder mit demselben Partner Geschlechtsverkehr hat. Untreue kann in der digitalen Welt mit all den Bildern und unendlichen sexuellen Möglichkeiten vorprogrammiert sein. Die Affären und Casual-Dating läuft stärker als je zuvor in der Partnerschaft mit.
Dem Versuch, diesen Spagat zu meistern, stellen sich Paare mit zahlreichen nichtmonogamen Lebenskonzepten: offene Partnerschaft, Beziehungen mit mehreren Menschen (Polyamorie), „Freundschaften Plus“ und Swinger. Stellen sich Paare so auf, bedarf es erfahrungsgemäß einer sehr hohen Differenzierung und hervorragender Kommunikationsfähigkeiten. Ansonsten wird die primäre Paarbeziehung auf einen harten Prüfstand gestellt.