- Kein Mensch hat nur Schwächen
Eine ebenso banale Botschaft, aber die Schwachen leugnen sie, aus einer Mischung aus echter Frustration und Gewohnheit. Sie wissen zwar oft, wo die Reise hingeht, sind aber der ehrlichen Auffassung, dass sie nie und nimmer dazu in der Lage sein werden und richten sich daher in ihrer eben noch tolerierbaren Minimalversion der Welt ein. Sie verlassen das Haus nicht, gehen nicht unter Menschen, bleiben auf ihrer privaten Scholle und sind alleine oft kaum lebensfähig.

Verlässlich zu sein, auch wenn es nicht immer Spaß macht, ist wichtig. © Michael Beat under cc
Das normale Leben ist für sie unendlich weit weg, weil schon die ersten und kleinsten Schritte auf diesem Weg sie überfordern und das nicht gespielt, sondern wahrhaftig. Sich ins Gedrubbel der Stadt zu stürzen, ist für sie oft Folter, Shoppen ist kein Genuss, sondern eine Bedrohung und es können nahezu alle Bereiche des Lebens betroffen sein, die dann zur Qual werden. Das kränkt, deprimiert und es ist fast folgerichtig, wenn man innerlich mit dem Thema normales Leben abschließt, denn das wird, so meint man, ohnehin nichts.
Dazu kommt, dass man just die Aktivitäten, von den man sich vollkommen überfordert fühlt, in ihrer Bedeutung überhöht. Man hat eventuell Höhen- oder Flugangst, eine soziale Phobie, die es einem unmöglich macht, vor vielen Menschen eine Rede zu halten, aber vielleicht muss man das ja gar nicht? Denn es gibt Tausende Berufe und Aktivitäten, die das gar nicht erfordern und gar nicht so selten, hat man das etwas verschrobene Ideal im Kopf, man müsse unbedingt das, was man so gar nicht kann tun und möglichst glänzend beherrschen, sonst hätte man sein Leben verspielt. Das, was man nicht kann, ist auf einmal der wichtigste Bereich der Welt. Rein technisch entspricht das den überwertigen Ideen, die bei ich-schwachen Menschen häufig vorkommen, aber noch etwas anderes ist auffällig:
Die Starken, wie die Schwachen unter den Ich-Schwachen fokussieren sich auf einige wenige Bereich, die sie zu den wichtigsten Bereichen des Lebens erklären: Für die Starken sind es jene Bereiche, die sie gut bis ausgezeichnet beherrschen. Keine noch so absurde Kombination von Eigenschaften ist davor gefeit als die perfekte Kombination überhaupt idealisiert zu werden und für die Schwachen ist es ebenso: das was sie nicht können und was sie vielleicht nie erreichen werden, ist genau das, was das Leben lebenswert macht. Für die Starken sid die wirklich wichtigen Fähigkeiten und Eigenschaften genau jene sind, die sie sich selbst zuschreiben, während der Mangel an eben diesen auf Seiten der Schwachen, zu der Überzeugung führen kann: „Ach, mein Leben ist ohnehin zerstört.“ Alles, was nun noch folgen könnte, ist ein fader Ersatz, ein Plan B, der irgendwie nur noch rettet, was zu retten ist und mit einem gelungen Leben nichts mehr zu tun hat.
Auf dem Weg zur Ich-Stärke ist es daher von fundamentaler Bedeutung, diese Muster aufzuknacken. Es gibt es auch ein gutes Argument, was dafür spricht: Sie sind falsch. Es sind über Jahre verfestigte Muster, die sich selbst speisen und am Leben erhalten. Denkerisch kann man sich das klar machen, aber der geübte Starke oder Schwache hat durch die jahrelange Gewohnheit
für jedes Argument auch ein Gegenargument parat und in seiner Welt immer ein Heimspiel, das seine Letztbegründung in einem: „Ich bin eben anders“ oder: „Keiner versteht, wie ich wirklich bin“ findet.
Der Weg zur Ich-Stärke ist nie nur theoretisch zu gehen, die Praxis ist unerlässlich. Doch auch sie ist alleine nicht genug, denn man findet ohne größere Not keine rechte Motivation, um etwas zu ändern. Die Starken fühlen sich wunderbar und leiden höchstens daran, dass die Welt nicht so vollkommen und perfekt ist, wie sie sich empfinden; die Schwachen wären schon eher motiviert, sind aber ob des langen Weges völlig verschreckt, wenn schon der Weg zum eigenen Briefkasten eine manchmal unüberwindbare Hürde darstellt.
Man muss die ausgefeilten Abwehrstrategien der eigenen Psyche kennen und erkennen, dann hat man eine Chance weiter zu kommen und die Ich-Schwäche in Ich-Stärke umzuwandeln und es gibt zahlreiche Hilfen auf dem Weg zur Ich-Stärke, in der nächsten Folge stellen wir sie vor.