Ein narzisstischer Vater hat mit seinem Verhalten einen starken Einfluss auf die Familie. Ein Großteil der Kinder entwickelt eine „Angstbindung“ zu ihren Vätern, wenn diese sich dominant und selbstherrlich verhalten. Einerseits wollen die Kinder ihre Väter lieben, andererseits fürchten sie sie und können keinen authentischen Bezug zu ihnen herstellen. Mit einem narzisstischen Vater steht vielen Kindern eine lebenslange Suche nach warmer Liebe und Anerkennung bevor. Einen narzisstischen Vater erreichst du im Inneren nicht. Es bleibt das Gefühl, dass du nicht zu ihm durchdringen kannst und seinen Ansprüchen nicht genügst.

Narzisstischer Vater: Verschiedene Typen

Manche narzisstische Väter sind sehr streng. Sie neigen dazu, die Tyrannen im Haus zu sein. Bei anderen zeigt sich der Narzissmus dahingehend, dass sie sich wie große Kinder verhalten und keine richtige Verantwortung übernehmen. Sie haben keine Lust und sind nicht selten verärgert, wenn seitens der Frau Aufgaben an sie herangetragen werden. Wieder andere treten als Väter gar nicht in Erscheinung. Bei ihnen gehen Angst und Unlust vor der Verantwortung so weit, dass sie sich als Väter aus dem Leben der Kinder verabschieden.

Die Konstellation mit einem narzisstischen Vater verhält sich unter Umständen anders als mit einer narzisstischen Mutter. Auch hierzulande tragen immer noch überwiegend die Frauen die Erziehungsverantwortung, sodass sich für einen narzisstischen Vater meistens andere Beziehungsgebilde ergeben. Manchmal ist er gar nicht da oder nur sehr selten, weil er arbeiten geht. Dennoch ist sein Verhalten so dominant, dass es einen schadhaften Einfluss auf die Familie, insbesondere die Kinder, nimmt.

Kulturell bedingt steht einem narzisstischen Vater ein gewisser „Stellenwert“ zu. Er ist der Bestimmende, der Herr im Haus. Insbesondere wenn der Narzissmus des Vaters nicht nur mit emotionaler, sondern auch mit körperlicher Gewalt einhergeht, zucken die Kinder mitunter zusammen, wenn es abends an der Tür schließt. Doch auch emotionale Gewalt allein reicht bereits aus, dass der Vater mit Angst betrachtet wird.

Kinder lieber als kleine Kopien

Mann liest Zeitung und guckt streng

Ein narzisstischer Vater gibt sich gern autoritär. © vallgall under cc

Die Kinder sind für einen narzisstischen Vater keine eigenständigen Persönlichkeiten, ebensowenig wie seine Frau. Alle Familienangehörigen haben aus seiner Sicht, seine Werte und Ansichten zu teilen und zu spuren.
Entsprichst du seinen Vorstellungen, wird mit dir angegeben und du wirst gelobt. Am liebsten wäre es ihm, du würdest zu einer Kopie von ihm heranreifen, die jedoch seine Fähigkeiten und Autorität nie aberkennt und sich unterordnet.

Wagst du allerdings dagegen aufzubegehren, ist es mit der Zuneigung schnell vorbei. Jegliches Streben nach Selbstbewusstsein oder Eigenständigkeit wird untergraben. Teilweise werden Ängste und Zweifel geschürt. Du wirst in deinem Vorhaben nicht bestärkt und nicht unterstützt, so wie es eigentlich durch einen liebenden Vater sein sollte. Der narzisstische Vater sieht sich selbst als die Maßgabe für deinen Erfolg. Er bestimmt, was gut oder schlecht in deinem Leben läuft.
Viele Kinder narzisstischer Väter versuchen, ihrem Elternteil immer wieder zu gefallen. Sogar noch im Erwachsenenalter ringen sie nach der Anerkennung ihres Vaters. Bemerken narzisstische Elternteile, dass du nach ihrer Aufmerksamkeit dürstest, werden sie umso sparsamer mit ihren Reaktionen sein.

Offene oder verdeckte Abwertungen

Kinder ebenso wie der Rest der Familie werden auf die Launen eines narzisstischen Vaters geeicht. Ist er gut drauf, wird sich die Stimmung in der Familie automatisch verbessern. Ist er schlecht drauf, gehen alle in Habachtstellung. Natürlich sorgen Stimmungswechsel und die Wutausbrüche wie aus dem Nichts für eine zusätzliche Verunsicherung.

Wenn du mit einem narzisstischen Vater groß wirst, werden sehr wahrscheinlich Selbstzweifel und Minderwert dein Erwachsenenleben bestimmen.
Als Kind verstehst du die Ambivalenz hinter dem Verhalten des Vaters nicht. In manchen Momenten gibt er zum Beispiel auf einer Feier vor seinen Freunden mit dir an, indem er sagt: „Mein Sohn/meine Tochter ist mein ganzer Stolz. Er/sie ist klug und kommt nach mir.“ In anderen Momenten wieder, wenn ihr alleine seid und er verärgert ist, schimpft er dich an, dumm und überheblich zu sein, und suggeriert dir, dass du es nie weit im Leben bringen wirst. Diese Aussagen bleiben dir im Ohr und verunsichern, selbst noch im Erwachsenenalter.

Darüber hinaus sind auch indirekte Abwertungen möglich. Vielleicht sagt er zu seiner Tochter, dass alle Frauen dumm seien. Oder er spricht seinem Sohn seine Emotionen ab, indem er betont, dass nur „Weicheier“ weinen und er sich nicht so haben solle.

Jenseits der Erwartung droht Abwertung

Wenn Kinder sich nicht so verhalten, wie es ein narzisstischer Vater erwartet, werden sie herabgesetzt und bestraft. Sie werden ignoriert, bloßgestellt, als unmöglich hingestellt und über die Maßen beschuldigt. Die Gefühle der Kinder werden nicht ernstgenommen und teilweise lächerlich gemacht. Differiert die Wahrnehmung des Kindes von der des Vaters, dann ist die kindliche Wahrnehmung selbstverständlich falsch. Von einem narzisstischen Vater wirst du als Person in keiner Weise für vollgenommen, deine Souveränität wird untergraben und du wirst Stück für Stück emotional ausgehöhlt.

Die Fassade: Autorität, Show-Vater – oder abwesend

Kind mit Jacke steht auf der Straße und weint

Viele narzisstische Väter glauben, ihnen stünde ein Recht auf Bestrafung der Kinder zu. © AngelsWings under cc

Nach außen hin wirken viele narzisstische Väter durchaus moderat und freundlich. Sie geben sich als fürsorgliche Väter. Je nachdem, wie ein narzisstischer Vater sich gern selbst betrachten würde, ist er entweder autoritär, streng und emotional unterkühlt oder ein absolut spaßiger Kumpeltyp, ein Show-Vater. Während erstere kaum im Kinderzimmer zugegen sind und auch weniger mit dem Nachwuchs unternehmen, machen letztere auf dem Spielplatz die tollsten Sachen. Jedes andere Kind würde sich wünschen, auch so einen Vater zu haben.
Daheim ist er jedoch ebenso sehr wie andere narzisstische Väter auf sich orientiert. Die Kinder werden schnell als Belastung empfunden und ebenso rasch abgewertet, wenn dem Vater etwas nicht passt.
Die dritte Kategorie narzisstischer Väter glänzt, wie eingangs erwähnt, durch Abwesenheit. Sie sagen Termine ab, halten Vereinbarungen nicht ein und empfinden die Kinder als Last für ihr Leben. Ihre Selbstzentrierung geht soweit, dass sie das Wohlergehen der Kinder völlig ausblenden. Ob ihr Kind sie vermisst und sich einen Vater wünscht, der gegenwärtig ist, ist ihnen ziemlich egal.

Narzisstischer Vater: Finanziell gebend oder geizig

Die Finanzen sind bei einem narzisstischen Vater selten etwas, was leise erledigt wird. Während andere Eltern, bei ausreichender finanzieller Kapazität, ihre Kinder bei der Ausbildung unterstützen, so als wäre es das Normalste von der Welt und müsste nicht besprochen werden, weisen viele narzisstische Väter gern auf ihre Spendierhosen hin. Zum Beispiel betonen sie immer wieder, dass sie ihre Kinder noch finanziell unterstützen müssen. Einerseits feiern sie sich dafür, als fürsorgliche Väter für die Kinder da zu sein, andererseits nehmen sie die Kinder damit auch in eine gewisse Bindungsschuld. Denn für die Unterstützung erwarten sie auch etwas und werden nicht müde, dir unterschwellig ein schlechtes Gewissen einzuflüstern.

Doch das Gegenteil kann auch der Fall sein. Ein narzisstischer Vater, der geizig ist und nicht zahlt, sorgt auf andere Weise dafür, dass den Finanzen Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, nämlich dann, wenn das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, obwohl er selbst für sich spendabel ist.

Narzisstische Liebe ist nicht bedingungslos

Die Liebe eines narzisstischen Vaters ist entweder nicht vorhanden oder an Bedingungen geknüpft. Dementsprechend bestärkt und unterfüttert sie nicht die Selbstentfaltung des Kindes, sondern schwächt sein ganzes Wesen. Gerade die Kinder werden zu einem Spielball der Emotionen und Ambivalenzen des Vaters. Aus Furcht vor ihm sind sie auf ihn orientiert, sie schleichen wie auf Mäusepfoten um ihn herum und achten darauf, nichts falsch zu machen. Die Liebe des Vaters ist nicht stärkend, wie es eigentlich in einer Eltern-Kind-Beziehung der Fall sein sollte, sondern sie entspricht eher einer emotionalen Abhängigkeit.

Selbst im Erwachsenenalter sind noch viele Kinder durch die Manipulationen und den Liebesentzug so sehr abhängig von ihren Vätern, dass sie Schwierigkeiten haben, eigene Entscheidungen treffen zu können. Stehen sie vor einer Entscheidung, haben sie die erboste Mimik des Vater vor dem inneren Auge oder seine abwertende Stimme im Kopf. Durch das manipulative und degradierende Verhalten des Vater kann es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden: Einige Kinder bestehen später im Leben tatsächlich weniger, so wie es ihnen von ihren Vätern immer wieder eingetrichtert wurde.

Übervater: Das Recht, zu bestrafen

Vater steht auf dem Spielplatz beim Klettergerüst mit zwei Kindern

Auf dem Spielplatz werden manche narzisstischen Väter zu regelrechten Show-Vätern. © anjanettew under cc

Narzisstische Väter empfinden es als Recht, Kinder zu bestrafen, wenn diese sich aus ihrer Sicht fehlerhaft verhalten haben. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die narzisstische Väter zum emotionalen Eskalieren bringen. Sie fühlen sich schnell zurückgesetzt, benachteiligt, regen sich auf und geraten zügig in Rage. Das, was du zu deiner Verteidigung sagst, hat für sie keine Bedeutung. Sie überhören es schlichtweg und bleiben bei ihrer Sicht der Dinge.

Als Kind hast du keinerlei Einflussnahme. Viele Kinder sind gezwungen, sich dem narzisstischen Sturm zu fügen und abzuwarten, bis dieser vorbei ist. Sie fühlen sich ausgeliefert. Diese Angst und emotionale Anspannung kann noch lange im Erwachsenenalter anhalten, wenn die Kindheit nicht seelisch aufgearbeitet wird.

Die Rolle der Mutter bei narzisstischem Vater

Weil die Mütter selbst Angst vor den Reaktionen des Mannes haben, werden viele von ihnen zu Erfüllungsgehilfen ihrer Männer. Sie sorgen dafür, dass die Kinder nicht zu laut sind. Oder sie sagen den Kindern, dieses oder jenes lieber nicht dem Papa zu erzählen. Es kann aber auch sein, dass sie den Vater gegen die Kinder aufhetzen, um selbst nicht im Zentrum des väterlichen Grolls zu stehen. Abends erzählen sie, was das Kind für Dinge getan hat, wann es nicht gehorcht oder gelogen hat.

Im besten Fall darf ein Kind, bei dem ein narzisstischer Vater zugegen ist, die Erfahrung einer zugewandten und warmherzigen Mutter machen, die vieles ausgleicht. Häufig sind die Mütter jedoch aufgrund des Stresses daheim und der Angst vor dem Partner emotional abwesend und nicht wirklich als authentische Bezugsperson verfügbar. Sie wagen es nicht, für sich einzustehen, und manipulieren den wachen Geist ihrer Kinder eher dahingehend, dass der narzisstische Vater im Grunde ein toller Mann sei und man Verständnis für ihn aufbringen solle.