„Ich glaube nur, was ich mit eigenen Augen sehe und auch das nur bedingt, weil ich mich irren könnte.“ Ungefähr das ist die Maxime der Skeptiker. Dass unsere Sinne uns täuschen können, ist richtig und bereits Descartes baute seine Lehre darauf auf. Dass dies aber zwingend heißt, dass wir tatsächlich immer getäuscht werden, ist damit keineswegs gesagt.
Auf der einen Seite ist Skeptizismus der Motor zur Erforschung und Verbesserung der Welt, was meint: Annehmen, dass es anders und besser gehen könnte und das bedeutet, den Status quo in Frage zu stellen, den Erkenntnisfortschritt in Gang zu halten.
Im Positiven ist der Skeptiker ein neugieriger Mensch. Er glaubt nicht, dass die Dinge einfach so passieren, will verstehen, erkennen, wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Doch der faustische Drang ist nicht unbedingt das, wofür alle Skeptiker stehen.
Skeptiker als Ideologen
Oft sehen Skeptiker sich selbst als Hüter der Vernunft an. Ihre Skepsis ist in der Selbstwahrnehmung die andere Seite dessen, was sie als Aberglauben bezeichnen und nahezu alle Arten von Glauben sind für sie kategorisch irrational und ein Irrtum.
Der Skeptiker sieht sich gerne als objektiv, vorurteilsfrei und nicht selten ohne jedes Weltbild an. Ihn interessieren, wie er sagt, nur Fakten und wie die Dinge wirklich sind. Alles andere sei Gefühlsduselei oder Metaphysik.
Doch hier mutiert der Skeptiker – oft ohne es zu durchschauen – zum Ideologen. Er gibt durchaus einem Weltbild den Vorrang und dieses Weltbild ist obendrein auch noch metaphysisch, einfach weil kein Weltbild ohne Vorannahmen existieren kann. Es muss zunächst formuliert werden, was gelten soll, das ist Metaphysik.
Das Weltbild des Skeptikers ist in der Regel den Naturwissenschaften nahe, er vertritt einen Naturalismus, oft mündend in einen Physikalismus, meint, die Welt sei aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt und nur sinnvoll von unten nach oben (bottom up), vom Kleineren zum Größeren, zu erklären.
Der Skeptiker wird als Szientist oder Ideologe entlarvt, wenn man schaut, wogegen er eingestellt ist. Das ist manchmal eine ganze Menge. Nicht nur Religion und was bei ihm unter Esoterik fällt sind ihm suspekt, bereits Sozialwissenschaften passen nicht mehr in sein Weltbild, von hermeneutischen Wissenschaften und der Psychoanalyse ganz zu schweigen.
Mancher Skeptiker ist also inzwischen fast besser über das zu definieren, was ihn nicht interessiert und was er, nicht selten mit einer gewissen Großspurigkeit, ablehnt, als dass er noch der neugierig „Wissenwollende“ ist. So sprechen manche schon vom Skeptikersyndrom.
Die Grenzen überschritten
Dass diese Mixtur, wenn sie sich zu einem intoleranten und nicht selten einseitig wissenschaftsgläubigen Weltbild verhärtet, kurioserweise Züge einer Glaubensgemeinschaft annimmt, ist eine der ironischen Wendungen eines übertriebenen Skeptizismus.
Philosophisch sind die Grenzen bereits vorher überschritten. Als eine der Konsequenzen aus den Irrtümern des Cartesischen Skpetizismus beschreibt Amerikas Starphilosoph Robert Brandom die Einstellung, dass der Zweifel um des Zweifels willen (paper doubt) nicht gilt. Auch Zweifel müssen rational begründet sein.
Psychologisch beschreibt der Skeptiker mit zunehmender Verschlossenheit einen Bogen von der zugewandten Neugier zum Misstrauen, das eine durchaus paranoide Komponente annehmen kann. Besonders wenn sich die Idee der vermeintlichen Täuschung verhärtet, ist die Gefahr gegeben, in paranoide Denkmuster abzurutschen, in denen es keine Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit mehr gibt und keinen Versuch, den anderen nicht irgendwie hinters Licht zu führen.
So ist die positive Seite des Skeptikers sicher der neugierige Wissensdrang. Der neugierige Skeptiker hinterfragt die Welt und die bisher gefundenen Möglichkeiten sie zu erklären und technisch mit ihr umzugehen immer wieder aufs Neue. Ein kreativer Geist der Evolution, der nie ruht, nie mit dem Etablierten zufrieden ist und gerade aus seiner kreativen Unruhe Befriedigung zieht und der Menschheit einen Dienst erweist.
Die negative Seite des Skeptikers ist der verhärtete Ideologe, der auf einer kleinen Scholle im Meer des Wissens sitzt, Statistiken und vermeintlicher Objektivität mehr vertraut, als dem, was er selbst sieht und den vieles, was nicht unter die selbstbeschränkende Sichtweise eines externen Zugangs zur Natur (Habermas, Nachmetaphysisches Denken: Philosophische Aufsätze, S.29) fällt, in einem Gespinst des Zweifels um seiner selbst willen versinken lässt.
Der Skeptiker, der die Waage halten will, muss lernen, immer wieder auch die eigenen Denkvoraussetzungen zu hinterfragen, so bleibt er lebendig und undogmatisch.