Manipulativ und perfide sind indirekte Einflussnahmen, die du kaum bemerkst. In Partnerschaften mit einem toxischen Beziehungsmuster, in familiären Beziehungen etwa mit einer narzisstischen Mutter oder einem narzisstischen Vater, unter missgünstigen KollegInnen oder mit passiv-aggressiven Vorgesetzten kann uns verstecktes manipulatives Verhalten begegnen. Inzwischen bemerken viele zwar häufiger die offensichtlichen Einflussnahmen in einem Gespräch, doch die indirekten bleiben uns nicht selten verborgen.
Manchmal fühlst du dich nach einem Gespräch irgendwie „schlecht“, benutzt und abgewertet, ohne zu wissen, warum das so ist. Vielleicht hast du sogar ein Verhalten an den Tag gelegt, dass du im Nachhinein völlig unverständlich findest. Oder Zusagen getätigt, bei denen du dich im Anschluss fragst, wie du sie schaffen sollst. Wie kam es dazu? Wann gestaltet sich ein Gespräch oder eine Situation manipulativ?
Wenn jemand manipulativ ist
Verhält sich jemand dir gegenüber manipulativ, begegnet er dir oft mit einem Lächeln. Manipulation ist eingebettet in ein Gespräch voller Verständnis. Vermeintlich. Es sind kleine verbale Speerspitzen, die du in deiner Magengegend fühlst, doch du kannst sie kaum ausmachen. Schlimmer noch, du denkst häufig, dass du es dir nur einbildest und du das Gesagte bestimmt falsch verstanden hast. Natürlich gibt es manchmal Sätze, die anderen, genauso wie auch dir, in einem freien Gespräch herausrutschen können und bei denen man erst danach bemerkt, wie sehr eine andere Person dadurch verletzt wurde. Doch in dem Fall entschuldigt man sich und erklärt sich gegebenenfalls.
Bleiben solche verbalen unterschwelligen Verletzungen allerdings umkommentiert und geschehen sie öfter, wird es Zeit, genauer hinzuschauen. Denn es könnte sein, dass sich dir gegenüber eine andere Person manipulativ verhält.
Manipulatives Verhalten bei labilem Selbstwert
Ist eine Person manipulativ, steht hinter dem Verhalten meist ein labiler Selbstwert. Die Person, welche sich unterschwelliger Manipulationen bedient, neigt dazu, in einem Gespräch alles auf sich zu beziehen und ist darum bemüht, ihren Selbstwert zu schützen. Sagst du etwas, das mit ihrer Einstellung oder ihrem Verhalten nicht in Einklang ist, wird sie sich automatisch verteidigen oder in den verbalen Angriff gehen. Sie wird dich infrage stellen. Erzählst du voller Stolz von einem deiner Erfolge, kann es sein, dass sie mit Anzweifeln und Untergrabungen deine Leistung niedermachen wird. Was auch immer es ist, was hinter dem Motiv, sich manipulativ zu benehmen, steht, es dient dem Zwecke, die Manipulierenden selbstwerttechnisch zu erhöhen und dich abzuwerten.
Manipulativ verhalten: vier Anzeichen
Wer eine andere Person emotional erreichen möchte, um sie zu untergraben und sich selbst zu stabilisieren, wird sich auf die eine oder andere Art verdeckter Einflussnahmen bedienen. Woran kannst du ein beeinflussendes Verhalten zu Gunsten der eigenen Vorteilsnahme erkennen? Wann ist jemand manipulativ? Wir haben vier Anzeichen, die dir in deiner Erkenntnis helfen können.
1. Etwas geben, viel bekommen
Personen, die sich verdeckter Einflussnahmen bedienen, versuchen dich nicht selten „zu kaufen“. Oder anders gesagt: Sie geben dir etwas und erwarten etwas dafür zurück. Oft ist es eine Form der Erpressung, wenn sich jemand manipulativ verhält.
Beispielsweise könnten Eltern indirekt Macht über den erwachsenen Nachwuchs ausüben wollen. Sie erwarten sozusagen, dass die Kinder für sie da sind, und ihre Zeit und Kapazität den Eltern zur freien Verfügung steht. Bsp.: „Du schaffst es nicht einmal vorbeizukommen, obwohl wir dir Geld für dein Studium geliehen haben? Du wirst doch trotz deiner Prüfungen kurz Zeit für uns finden.“ Oder in der Art eines stillen Vorwurfes: „Dein Vater und ich, wir kommen schon zurecht. Wir sind ja oft allein. Es geht schon irgendwie.“
In der Arbeitswelt kann eine geringe Gehaltserhöhung dazu führen, dass wesentlich mehr Verantwortung auf den Arbeitnehmenden lastet. Vorgesetzte könnten die Gehaltserhöhung als Druckmittel verwenden. Bsp.: „Wir setzen auf Sie, weil wir große Stücke auf Sie halten. Deshalb geben wir Ihnen vorab schon einen Vertrauensvorschuss. Enttäuschen Sie uns nicht.“
2. Verbale Attacke und Rückzug
Ein bewährtes Mittel für indirektes manipulatives Verhalten ist, wenn die Person etwas Verletzendes sagt und im Anschluss deine Verletztheit nieder redet, indem sie dir deine Gefühle abspricht. Menschen, die solche Taktiken an den Tag legen, haben im Laufe ihres Lebens feine Antennen ausgearbeitet, mit denen sie genau spüren, was ihrem Gegenüber wichtig ist, und in diese Selbstwert-Kontingente grätschen sie mit Abwertung rein. Salopp gesagt.
Beispielsweise könnte eine Mutter im Gespräch mit ihrem erwachsenen Sohn sagen, wenn dieser ihr von seinen beruflichen Erfolgen berichtet: „Ja, aber es ist schon schade, dass damals das internationale Unternehmen XY deine Bewerbung abgelehnt hat. Jetzt musstest du so einen krummen Weg gehen. Vielleicht hättest du mehr erreichen können.“ Echauffiert sich der Sohn daraufhin, weil er verletzt ist, rudert die Mutter zurück: „Das weiß ich doch. Ist doch alles gut. Und du hast ja auch viel erreicht. Ist doch gut. Warum regst du dich so auf? Hab‘ dich nicht so.“
Oder PartnerInnen untergraben deinen Selbstwert, indem sie dich zunächst vor dem gemeinsamen Freundeskreis bloßstellen und anschließend auch noch vor allen anderen aufziehen mit deiner „übertriebenen Sensibilität“. Bsp.: „Jetzt stell dich nicht so an. Das ist doch eine coole Story. Warum bist du denn jetzt eingeschnappt? Ist doch ok, wenn du in der Nacht mit deinem heftigen Schnarchen einen ganzen Wald absägst. Das liegt an deinem Übergewicht. Hat doch auch der Arzt gesagt.“
3. Manipulativ: die Opferdarstellung
Die Manipulierenden stellen sich häufig als Opfer dar. Niemand kümmert sich um sie, so jammern sie. Es würde ihnen so schlecht im Leben ergehen. Alle nutzen sie nur aus. Die Umgebung ist eine feindliche. Die Klagesätze hört man entweder direkt oder sie schimmern als Einstellungen bei anderen Themen durch.
Menschen mit destruktiven Verhaltensmustern nutzen die Opferdarstellung oft, um zum Beispiel für ihr respektloses Verhalten Empathie bei ihren PartnerInnen in einer Liebesbeziehung zu erwirken. Nach einem Streit sagen sie dann zum Beispiel: „Meine Mutter hat mir früher nie Zuneigung gezeigt. Sie war eiskalt. Ich habe nie erfahren, wie es ist, geliebt zu werden.“ Dennoch bedienen sich diese Menschen tags darauf wieder ihrer üblichen manipulativ schadhaften Beziehungsmuster und es ist so, als hätte das Gespräch über die Vergangenheit nie stattgefunden.
Auch das ist manipulativ, dahingehend, dass deine Empathie als Einfallstor genutzt wird und die Erklärung für das fortwährende desolate Kommunikationsmuster der Person herhält.
4. Deine Probleme klein reden
Wenn du von deinem Problem erzählst und dein Gegenüber schwächt dein Problem ab, dann wirst du, streng genommen, gerade das Ziel einer Manipulation.
Beispielsweise könnte deine Mutter, wenn du ihr von deinem hektischen Alltag erzählst und damit begründest, warum du nicht so viel Zeit für Besuche hast, dir entgegnen: „Wir haben das früher auch alles geschafft.“ Mit dem Unterschied, dass sie vielleicht früher halbtags gearbeitet hat, nur ein Kind anstatt drei Kinder hatte und die Großeltern vielleicht mit im Haus wohnten und einen Teil der Betreuung übernahmen.
Ein weiteres Beispiel aus der Arbeitswelt: „Ja, aber das sollten Sie hinbekommen. So schwer ist das wirklich nicht. Das Meiste werden Sie wissen, denke ich. Wir hatten so einen Auftrag schon einmal vergeben und derjenige musste dazu nicht viel recherchieren. Das ging ziemlich schnell mit einem guten Ergebnis. Also das bekommt man so hin.“ Diese Form der Manipulation am Arbeitsplatz ist besonders perfide, da sie zweierlei beinhaltet. Einerseits wird dir klar gemacht, dass deine Bedenken bezüglich des Recherche-Aufwandes unbegründet sind und die Aufgabe für andere Menschen kein Problem darstellen würde. Zum zweiten wird dir suggeriert, dass du unintelligenter bist als gedacht, wenn du für diese Arbeitsaufgabe so lange brauchst und auch noch recherchieren musst. Bei dieser Form des Drucks, der beispielsweise bei Freiberuflichen, bei denen es um die Honorarhöhe für eine Arbeitsleistung geht, ausgeübt wird, wird deine zu leistende Arbeit vorab klein geredet und so seitens von AuftraggeberInnen die Höhe des Honorars gedrückt und die Zeitspanne für die Erfüllung der Aufgabe verringert.
Manipulativ beeinflusst: Was tun?
Manche Menschen ziehen sich aufgrund von sozialen Verletzungen zurück. Viele glauben, sie müssten Beziehungen entweder über sich ergehen lassen oder alleine bleiben. Doch es gibt auch die Möglichkeit der Mitgestaltung und Abgrenzung, trotz der Angst vor Verletzungen. Und genau dafür benötigt man etwas psychologisches Handwerkszeug.
Behalte deine Energie bei dir
Wichtig ist es, die Manipulationen beim Gegenüber zu belassen und deine Energien für dich zu behalten. Du musst nicht versuchen, andere verbal und emotional zu erreichen, die Manipulationen aufzudecken oder darauf verletzt zu reagieren. Auch musst du nicht auf das Verständnis der GesprächspartnerInnen hoffen und bist nicht auf die Anerkennung angewiesen. Du kannst und darfst eine Interaktion, sei es in der Partnerschaft, Familie oder bei der Arbeit, mitgestalten und musst nichts über dich ergehen lassen. Bleibe bei dir und deinen Werten, in deinem eigenen Interesse und ohne dass du dich selbst oder dein Vorankommen boykottierst. Was du versuchen solltest, ist, dich davon nicht beeinflussen zu lassen, deine Wertigkeit nicht von der Meinung des Gegenübers abhängig zu machen und dich stattdessen an deinen eigenen Werten und Grenzen zu orientieren. Es ist nicht ganz einfach und erfordert etwas Praxis, aber sich sinnlos darüber aufzuregen und in einen Streit verwickeln zu lassen, kostet genauso viel Energie. Also kannst du deine Energien genauso gut auf dich verwenden.
Möglicher Praxisleitfaden
- Erkenne die manipulierenden Verhaltensweisen.
- Gehe nicht weiter darauf ein und grenze dich innerlich ab.
- Orientiere dich an deinen eigenen Werten und Verhaltensmaßstäben.
- Solltest du dich überrumpelt fühlen, antworte, dass du derzeit dazu noch nichts sagen kannst und du Bedenkzeit brauchst. Verlasse das Gespräch lieber früher als später, um dir Pausen zum Nachdenken einzuräumen.
- Übe dich in respektvoller Kommunikation, sodass du dir selbst und niemand sonst dir Unhöflichkeit vorwerfen kann. Formuliere klar, was du benötigst (Bsp. etwas mehr Zeit bei der Arbeit), und verurteile oder bewerte nicht. Du wirst überrascht sein, was an Verhaltensspielräumen bei anderen möglich ist, wenn du dir selbst eine Daseinsberechtigung in diesem Leben erlaubst und deine Bedürfnisse anerkennst, anstatt sie zu verstecken oder dich dafür zu entschuldigen.
- Bespreche mit FreundInnen, die dir wohl gesonnen sind, schwerwiegende und wiederkehrende Manipulationen bestimmter Personen, sodass du dich an einer gesunden Reflexion eichen kannst. Besprecht auch mögliche selbstwertstützende Reaktionen und Abgrenzungen deinerseits.
Suche dir gegebenenfalls zeitweise eine professionelle psychologische Unterstützung in der Form einer Therapie, eines Coachings oder einer Beratung, um zukünftig solide und ruhig auf jemanden reagieren zu können, der dich manipulativ zu beeinflussen versucht.