Grenzen setzen, wie geht das eigentlich? Am besten lernt man vielleicht anhand von Beispielen, sich von Menschen mit destruktiven Verhaltensweisen und allgemein problematischen Konstellationen abzugrenzen. Wir veranschaulichen dir mittels verschiedener Situationen aus dem Alltag, wann eine Abgrenzung ratsam wäre und wie du diese umsetzt.

Grenzen setzen: Vier Beispiele für Abgrenzung

Sich abzugrenzen bedeutet im Grunde nichts anderes, als auf sein Bauchgefühl zu hören. Spürt man aufgrund des Verhaltens einer anderen Person einen Stich im Bauch oder ein Gefühl von »irgendetwas gefällt mir daran nicht«, sollte man zumindest erst einmal darauf hören. Natürlich musst du nicht sofort reagieren. Aber die Situation ist es dennoch wert, noch einmal im Anschluss darüber nachzudenken, warum dieses ungute Gefühl in dir aufkam.

1. Gefühl, eine Last zu sein

Steinboden mit blauem Schriftzug 'Privat'

Wenn Menschen sich nicht respektvoll verhalten, solltest du Grenzen setzen. © Giò under cc

Vielleicht wird dir häufiger das Gefühl vermittelt, eine Last zu sein. Die andere Person scheint ständig in Eile, wenn du dich bei ihr meldest. Immer wird dir ihrerseits das Gefühl gegeben, sie in ihrem Alltag zu stören. Fragst du nach einem Termin für ein Treffen, wirkt sie ebenfalls deutlich beansprucht, kann keinen deiner vorgeschlagenen Termine wahrnehmen und macht selbst auch keine terminlichen Gegenvorschläge.

Gibt dir eine Person das Gefühl, eine Last zu sein, und das nicht etwa über einen kurzen Zeitraum, in dem sie tatsächlich mehr zu tun hat, sondern für eine längere Zeit, solltest du lernen, Grenzen zu setzen. In den allermeisten Fällen ist es so, dass sich eine Person für eine andere Zeit nimmt, wenn sie Zeit mit dieser verbringen möchte. Geschieht dies nicht, beispielsweise beim Dating, kann es sein, dass du nur hingehalten wirst und als eine weitere Option für den betreffenden Menschen dienst.

Dahingehend kannst du Grenzen ziehen, indem du dich letztendlich nicht mehr meldest.

  • Für den Fall, dass du die Möglichkeit eines Treffens nicht gänzlich ausschlagen möchtest, sagst du beispielsweise: »Ich hätte gern ein Treffen mit dir gehabt. Aber wie es scheint, hast du gerade viel zu tun. Melde dich gern, wenn es dir passt.«
  • Für den Fall, dass du eine endgültige Abgrenzung vornimmst: »Ich sehe, es ist momentan zeitlich ungünstig bei dir. Du hast viel zu tun. Dann wünsche ich dir erst einmal viel Kraft und Ausdauer für die nächste Zeit. Mach es gut.«

2. Angst davor, dich mitzuteilen? Grenzen setzen

Mann mit einem Rollkoffer in einem Bahnhof und ein anderer Mann, der zurückblickt

Ist eine Person ständig in Eile und hat nie Zeit, kannst du sie ziehen lassen. © Isengardt under cc

Auch wenn du bei einer bestimmten Person Angst davor hast, dich mitzuteilen und über deine Wünsche oder Gefühle zu sprechen, ist das ein klarer Signalgeber für dich, Grenzen zu ziehen. (Damit ist also nicht gemeint, dass du vielleicht generell vorsichtig in puncto Vertraulichkeiten anvertrauen oder wenig gesprächig bist. Sondern es bezieht sich tatsächlich auf eine bestimmte Person.) Im privaten Rahmen, innerhalb von Freundschaften, Partnerschaften oder im Familienkreis, sollte eigentlich nahezu alles besprochen werden können, ohne jegliche Ressentiments. Hast du allerdings das Gefühl, »zu viel« für die andere Person zu sein, solltest du handeln. Auch wenn du gegängelt oder bloßgestellt wirst, ist Handlungsbedarf angeraten. Selbst wenn die Person im Anschluss alles bloß als Spaß deklariert.

Vielleicht suchst du bei einer Person etwas, was sie gar nicht fähig ist zu geben oder nicht geben mag. Möglicherweise vermittelt sie dir ein ungutes Gefühl, wenn du dich offenbarst, weil sie selbst nicht die Bereitschaft für Nähe hat. Vielleicht ist sie jemand, der insgesamt viel beurteilt, wertet und abstraft. Nie kann man es ihr recht machen. Du befürchtest, bestimmte Themen anzusprechen, weil du Angst vor einer Eskalation hast. Oder die andere Person ist nicht interessiert an deinen Bedürfnissen und etwaigen Kompromissen, weil sie beispielsweise selbstbezogen und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Es gibt viele Möglichkeiten, warum man Angst davor hat, sich mitzuteilen. Schütze dich, indem du eine Grenze ziehst.

  • Du bestimmst, was du welcher Person in deinem Umfeld erzählst. Du bestimmst, wie nahe du jemandem stehst. Weder bist du jemandem verpflichtet, noch musst du einer anderen Person übermäßig viel Verständnis für ihr dysfunktionales Verhalten entgegenbringen. Du kannst einen anderen Menschen nicht ändern, aber deine Beziehung zu ihm.
  • Vielleicht versuchst du zunächst, der Person dennoch deine Wünsche mitzuteilen, und schaust dann, wie sie reagiert. Bemerkst du wenig Interesse und keine Verhaltensänderung, ist es Zeit auf Abstand zu gehen. Ziehe dich einfach mehr aus der Konstellation zurück oder entferne dich aus der Situation. Gib weniger Privates preis.
  • Nicht immer ist ein endgültiger Cutt möglich, gewollt oder notwendig. In dem Fall kannst du in Gesprächen mit der Person oberflächlicher bleiben und in kurzen, neutralen Sätzen antworten: »Danke, dass du mir davon erzählt hast«, »Das freut mich zu hören«, »Das klingt gut, ich gratuliere dir«. So bleibst du freundlich, aber bist nicht mehr so stark in das Gespräch eingebunden.
  • Wenn du freundlich eine solche Grenze für dich ziehst und insgesamt auch die betreffenden Kontakte nicht mehr so häufig werden lässt, läufst du nicht Gefahr, passiv-aggressive Bemerkungen fallen zu lassen, etwa weil du dich nicht traust, etwas offen anzusprechen. Durch die Grenzziehung bleibst du respektvoll und mehr bei dir.

3. Jemand geht in Konkurrenz zu dir

Hüte dich vor Menschen, die stets und ständig in Konkurrenz zu dir gehen. Das stört deinen inneren Frieden. Du bist ständig wachsam und auf der Hut, wenn du etwas erzählst. Vielleicht bist du sogar selbst angestachelt und ihr liefert euch einen Schlagabtausch. So oder so, es tut dir nicht gut. Zudem lässt es auch einen Menschen nicht besonders gut dastehen, wenn er von einem Konkurrenzdenken geleitet ist. Gerade im beruflichen Umfeld kann man sich vor dem Kontakt zu so einer Person nicht unbedingt schützen. Obwohl die räumliche Distanzierung nicht möglich ist, kannst du dich dennoch auf andere Art abgrenzen.

  • Eine Nichtantwort ist manchmal auch Antwort genug. Das heißt nicht unbedingt, dass du gar nichts sagen sollst. Ein längerer Blick des Schweigens hilft manchmal als Erwiderung, um deinem Gegenüber klarzumachen, dass du auf dieser Ebene nicht agieren möchtest. Auch ein freundliches Lächeln und der Übergang zu einem anderen Thema kann Wunder bewirken.
  • Sollte die Person ihr Konkurrenzdenken in unterschwellig abfällige Spitzen verpacken, kannst du sie bitten, es noch einmal zu wiederholen: »Ich habe nicht ganz verstanden. Kannst du es bitte noch einmal sagen?« Dadurch ist dein Gegenüber automatisch gezwungen, sich mehr zu reflektieren. In den seltensten Fällen werden beim zweiten Mal die Beleidigungen wiederholt.
  • Lässt das Konkurrenz-Gestichel nicht nach und hast du das Gefühl, die Person hat ein Problem mit dir, kannst du sie freundlich darauf ansprechen: »Ich höre da zwischen den Zeilen noch etwas anderes heraus, was nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Möchtest du darüber reden?« So gerät sie automatisch in die Defensive und wird zukünftige verbale Attacken vermeiden.

4. Du wirst übergangen

Frau macht verärgertes Gesicht und schreit

Zu Menschen mit destruktiven Verhaltensweisen geht man besser auf Distanz. © Petras Gagilas under cc

Hast du das Gefühl, in einer bestimmten Situation oder Konstellation immer übergangen zu werden, solltest du ebenfalls Grenzen ziehen. Wenn deine Bedürfnisse, Gedanken und Meinungen nicht zählen, brauchst du sie auch nicht preisgeben. Auch wenn dir in einem Gespräch jedes Mal nicht zugehört wird, sobald du etwas sagst, solltest du handeln. Hört der andere Mensch dir nur pro forma zu und lediglich oberflächlich, damit er im Anschluss selbst etwas sagen kann, kannst du dir deine Energie sparen. Du musst dich nicht darum bemühen, jemanden zu erreichen. Wer an deiner Meinung interessiert ist, der wird dich fragen. Wer nicht daran interessiert ist, den wirst du auch nicht mit tausend Worten überzeugen können.

Natürlich kann es im Einzelfall sein, dass jemand mal gedanklich abgelenkt ist und dir deshalb nicht zuhört. Solches Benehmen ist sicherlich zu verzeihen. Tritt das jedoch häufiger mit einer bestimmten Person auf, hat es also Methode, sind Abgrenzungen erforderlich.

  • Wenn du merkst, dein Gegenüber hört dir nicht zu, kannst du leiser sprechen und das Gespräch versiegen lassen. Anschließend verabschiedest du dich freundlich aus dem Gespräch: »Ich werde dann mal wieder gehen. Ich habe noch etwas zu tun.«
  • Bei einem zukünftigen Austausch bleibst du von vornherein freundlich, aber sachlich und kurz angebunden. Lass dich nicht wieder catchen und in ein längeres Gespräch verwickeln. Nur um dann, wenn du bei einem Dialog wieder dran wärst, dir eine weitere »Watsche« abzuholen.
  • Merke: Je weniger du sagst, desto mehr hat das, was du sagst, Gewicht. Im beruflichen Kontext kann es also durchaus hilfreich sein, nicht gleich hervorzupreschen, sondern sich zurückzuhalten und mit wenigen Worten auf den Punkt seine Meinung abzugeben. Deine wichtigste Botschaft solltest du dabei an den Anfang stellen. Menschen schätzen in der Regel die Wertigkeit deiner Meinung höher ein, wenn du sie mit der Anfangsbotschaft bereits beeindruckt hast.

Grenzen setzen: Kenne deinen Wert

Beim Grenzensetzen geht es darum, dass du deinen eigenen Wert kennst. Du musst niemandem etwas beweisen und kannst auf dein Bauchgefühl vertrauen. Lass dich nicht verunsichern und bleibe freundlich in deiner Distanzierung. Bleibst du respektvoll, kann dir niemand etwas vorwerfen.
Manche Menschen überdenken ihr Verhalten, wenn sie deine Abgrenzung spüren oder du ihnen eine konstruktive Rückmeldung zu ihrem Benehmen gibst. Sie ändern dann ihr Verhalten dir gegenüber, weil sie sich selbst hinterfragen und zu einer Reflexion bereit sind, und begegnen dir zukünftig mit einem besseren Auftreten. Jeder macht mal einen Fehler, ist mal unhöflich oder weniger empathisch. Eine solche Rückmeldung zu einem Verhalten kann eine Chance auf persönliches Wachstum sein. Dadurch kann sich eine soziale Beziehung und die an ihr beteiligten Personen entwickeln und aneinander reifen.
In vielen Fällen ist es jedoch so, dass unhöfliche Menschen auch weiterhin mit ihrem dysfunktionalen Benehmen fortfahren, da sie sich damit im Recht fühlen. Du bist nicht dafür verantwortlich, sie zu erziehen. Noch wäre das überhaupt möglich. Bei diesen Personen hilft dir also nur, für dich einzustehen und das Grenzensetzen zu lernen. So passt du auf dich auf und handelst eigenverantwortlich.