Nachdem wir im vorangegangenen Teil dieser Artikelserie Theorie sowie Praxiserfahrung zu blutgruppenspezifischen Krankheitsprofilen betrachtet haben, widmen wir uns nun der Forschung diesbezüglich. Wie steht es um den Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Krankheitsrisiko?
Blutgruppe und Krankheitsrisiko: Zusammenhang?
In den letzten Jahren ist die Forschung hinsichtlich einer möglichen Verbindung zwischen den Blutgruppen und den damit verbundenen speziellen Krankheitsrisiken stark angestiegen. Strichprobenartig wollen wir nachfolgend einige Studien dazu vorstellen, wohl wissend, dass diese die Forschungslage nicht vollständig darstellen.
Non-0-Typ und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
2017 wurde von der »European Society of Cardiology« auf dem »4th World Congress on Acute Heart Failure« eine Metaanalyse vorgestellt (Zusammenschau mehrerer Studien), welche ein blutgruppenspezifisches Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen vermuten lässt. Gemäß der Forschergruppe um Tessa Kole, vom University Medical Centre Groningen, scheinen Angehörige der Blutgruppen A, B, AB im Vergleich zur Blutgruppe 0 ein höheres Risiko für Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Erkrankungen zu haben.

Blutgruppe und Krankheitsrisiko: Mit der richtigen Ernährung möglichen Erkrankungen entgegenwirken? © Andréia Bohner under cc
»We demonstrate that having a non-O blood group is associated with a 9% increased risk of coronary events and a 9% increased risk of cardiovascular events, especially myocardial infarction«, so Kole.
Eine andere Metaanalyse, welche Daten von 62.073 Frauen und 27.428 Männern untersuchte, zeigte, dass im Vergleich zur Blutgruppe 0 Blutgruppe AB das höchste Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen hatte, gefolgt von Blutgruppe B und A. Der Zusammenhang zwischen Blutgruppe und koronare Erkrankungen konnte nicht durch etwaige andere Risikofaktoren wie Rauchen, körperliche Betätigung etc. erklärt werden.
Typ B und Diabetes
Offenbar hängt auch das Risiko, an Diabetes zu erkranken, zu einem gewissen Teil von der Blutgruppe ab. Dies fand die Forschergruppe um Fagherazzi (2015) heraus. Das geringste Risiko für Typ 2 Diabetes hatten Träger der Blutgruppe 0. Am größten war das Risiko für Menschen mit der Blutgruppe B.
Blutgruppe 0 und Magengeschwüre
Menschen mit der Blutgruppe 0 haben demgegenüber ein höheres Krankheitsrisiko für Magengeschwüre, wie Studien zeigen. Einer der Gründe könnte eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber Helicobacter pylori sein, ein Bakterienstamm, welcher sich im Magen ansiedelt.
Blutgruppen und Krebs
Eine weitere Studienzusammenschau von Franchini et al. (2016) legte folgende Schlussfolgerungen nahe hinsichtlich der Blutgruppe und dem Krankheitsrisiko:
So deuten die Studienergebnisse unter anderem darauf hin, dass Träger der Blutgruppe 0 geschützter gegenüber dem Risiko zur Entwicklung von Pankreaskrebs zu sein scheinen als andere Blutgruppen. Bei Lungenkrebspatienten scheinen dagegen die anderen Blutgruppen hinsichtlich der Prognosen im Vorteil zu sein, in Relation zur Blutgruppe 0.
Die Forschergruppe um Joyce Yongxu Huang (2017) zeigte, dass verglichen mit der Blutgruppe A Menschen der Blutgruppe B ein geringeres Risiko für verschiedene Krebserkrankungen hatten (Magenkrebs, Darmkrebs etc.). Scheinbar haben Menschen mit der Blutgruppe A ein um etwa 26 % erhöhtes Risiko für Magenkrebs gegenüber den Blutgruppen B und 0. Die Ergebnisse der Studie sind konsistent mit anderen Studien, welche die Wahrscheinlichkeit sowohl für asiatische als auch westliche Bevölkerungsgruppen untersuchten.

Ungeachtet möglicher blutgruppenspezifischer Risiken: Sport tut jedem Menschen gut. © Ernst Moeksis under cc
Dagegen fand die Studie von Nell et al. (2015) keinen Unterschied zwischen den Blutgruppen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten euroendokriner Tumore (in Lunge, Thymus, Pankreas, Gastrointestinaltrakt).
Mehr Forschung hinsichtlich biochemischer Individualität
Viele Mediziner haben die Bedeutung der Blutgruppe als ein Faktor für bestimmte Erkrankungen erkannt. Die Forschung dazu wächst. Neben der Blutgruppe könnten wahlweise noch andere Faktoren zusätzlichen Aufschluss geben (Rhesus-Faktor, Sekretor versus Nicht-Sekretor etc.). Würde man die Risikowahrscheinlichkeit für bestimmte Erkrankungen auch auf biochemischer Ebene noch stärker untersuchen, könnte dies gegebenenfalls von enormen Nutzen sein. Die Bestimmung der Blutgruppe erfordert verhältnismäßig wenig Aufwand und könnte als ein möglicher Prädiktor in die Ergebnisse mit einfließen. Sollte sich ein Einfluss der Blutgruppe auf diverse Krankheitsrisiken bestätigen, brächte dies für Prävention und Intervention viele Vorteile mit sich. Eventuell ließen sich zudem ein Stück weit die widersprüchlichen Ergebnisse verschiedener Studien zur gesunden Ernährung (vegan versus Milchprodukte und wenig Fleisch, Kohlenhydrate ja versus nein) erklären. Außerdem ließe sich tatsächlich eine auf den Stoffwechsel abgestimmte Diät entwickeln, um so präventiv bestimmten Zivilisationskrankheiten entgegenwirken zu können. Das alles ist jedoch bisher eher hypothetisch zu sehen. Dennoch zeigt ein Blick auf den Forschungsstand, dass man die Blutgruppe als ein Faktor der biochemischen Identität nicht von vornherein abtun sollte.
Nicht zuletzt muss erwähnt werden: Unabhängig davon, welcher Blutgruppe man angehört, niemand von uns ist einem möglichen Zusammenhang von individueller Blutgruppe und Krankheitsrisiko hilflos ausgeliefert. Zum einen sind die Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens für bestimmte Erkrankungen zwischen den Blutgruppen nicht derart horrend, wie es vielleicht auf den ersten Blick den Anschein macht. Zum anderen werden der Lebensstil, der Umgang mit Stress, ausreichende Bewegung und die Ernährung immer eine entscheidende Rolle spielen.