Gibt es objektive Werte oder Hinweise, die potentielle Attentäter erkennbar werden lassen?

Liebe und eine positive Einstellung regiert in den meisten Menschen über Hass. © Sofia under cc

Algorithmen werden ja gegenwärtig fast wie ein Fetisch verehrt, die sollen alles besser können, regeln und wissen, als wir. Beim Terror sieht man besonders klar, dass man eben nicht weiß, wer nur Sprüche klopft oder schon dabei ist, die Knarre zu laden. Der Beweis ist leider jeder neue Amokläufer oder Terrorist, den man nicht entdeckt hat. Wenigstens für Einzeltäter, die sich selbst radikalisieren soll ja gelten, dass sie sehr deutlich, nämlich 13 mal, öfter pathologisch auffällig sind als ’normale Terroristen‘, aber auch wer einer terroristischen Gruppe beitritt, tut das nicht ohne Grund, man unterschreibt ja nicht zufällig im Baumarkt die Mitgliedschaft. Die wechselseitige Kontrolle und Versicherung zu den Auserwählten zu gehören, halten den Modus der Idealisierung (der eigenen Gruppe) und Entwertung (der anderen) aufrecht.

Aber allen Gentests und Hirnscans, Chat-Überwachungen und dergleichen zum Trotz, man weiß einfach nicht, wer als nächstes durchknallt und wer einer Terrorvereinigung angehört, kann irgendwann nicht mehr zurück, weil man gut trainierte Traditionen hat, die an Brüderlichkeit und Ehre ebenso appellieren, wie sie drohen, dass man drin hängt, weil man schnell zu kleinen Aktionen gedrängt wird, die einen erpressbar machen oder freundlich gesagt bekommt, dass man grausam stirbt, wenn man den Auftrag nicht ausführt. Als Attentäter hat man immerhin noch einen Minimalchance oder stirbt wenigstens gnädiger, schneller und wichtig für manche: heldenhafter. Viele selektieren auch mit Kennerblick, wer zu Attentaten bereit sein könnte und wer nicht.

Schwere Persönlichkeitsstörungen in denen Größenphantasien, Verschwörungs- und Verfolgungsphantasien und ein hoher Grad an Aggression oder aggressiven Phantasien – weil man meint sich wehren zu müssen – und besonders Sadismus – weil man Spaß daran hat, andere zu dominieren und ihnen zu zeigen, dass mächtiger ist – zusammen kommen, sind immer eine gefährliche Kombination.

Die große Lust Macht und Kontrolle über andere auszuüben, insbesondere indem man diese bedroht, quält und an ihre Schwächen und Abhängigkeiten erinnert, ist an sich schon gefährlich. Kinder experimentieren in jungen Jahren und sind dabei auch im Umgang mit Tieren nicht immer zimperlich, stellen dieses Verhalten aber auch irgendwann wieder ein, wenn aber ein Kind regelrechten Spaß am quälen und töten von Tieren entwickelt ist das immer ein Alarmsignal.

All dies markiert weit fortgeschrittene Eskalationsstadien von schweren Persönlichkeitsstörungen, insbesondere der narzisstischen, die in einem engen Zusammenhang mit Kriminalität steht. So schreibt Michael Stone, ein Psychiatrieprofessor der sich mit dem Thema des Bösen seit Jahrzehnten beschäftigt:

„Was die Person des Psychopathen und seine Grandiosität und Selbstzentriertheit angeht, so besteht ein enger Zusammenhang zwischen Psychopathie (am extremen Ende des narzisstischen Spektrum angesiedelt) und antisozialem Verhalten im Sinne des Gesetzes. Hierzu Samernov (1984, S.181): „Obwohl auf diagnostischer Ebene zwischen Psychopathen und Kriminellen differenziert wird, so gibt es im Grunde doch kaum Unterschiede zwischen beiden.“ Auch Coid (1998, S. 82) sieht den Zusammenhang zwischen Narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NPS) und Verbrechen, die dem Bedürfnis entspringen, Macht und Kontrolle auszuüben, sowie andere zu beherrschen, in Übereinstimmung mit der psychodynamischen Literatur zur Narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Im Folgenden möchte ich die Verbindung zwischen Narzissmus und Kriminalität anhand verschiedener Beispiele illustrieren. Ich werde zeigen, dass Narzissmus nicht notwendigerweise mit kriminellem Verhalten einher gehen muss, Kriminalität jedoch sehr wohl Narzissmus impliziert (unter Berücksichtigung oben genannter Ausnahmen).“[4]

Die betrifft vor allem die schweren Formen des Narzissmus, weniger die leichten, die sich dadurch auszeichnen, dass Menschen gerne im Mittelpunkt stehen, gelobt und beliebt sein wollen. Bei schweren narzisstischen Formen geht der Wunsch beleibt zu sein, in den Wunsch über gefürchtet zu sein.

Formen bestimmter psychotischer Erkrankungen können ebenfalls Menschen zu Gewalttaten prädisponieren, hier sind vor allem die manischen Phasen bipolarer Erkrankungen zu nennen und Formen der paranoiden Schizophrenie, die mit wahnhaftem Verschwörungs- und Verfolgungsdenken einher gehen. Oft, aber nicht immer wirr und unzusammenhängend, manchmal zu regelrechten Wahngebilden ausgeschmückt. Hierzu ein interessantes Interview mit Britta Bannenberg, einer Professorin für Kriminologie.

Daraus:

„Wir erforschen an unserem Institut seit Jahren Amoktaten und terroristische Taten. Da hat sich gezeigt: Ein Drittel der Täterinnen und Täter, die eine Amoktat begangen hatten, litt an einer paranoiden Schizophrenie.“[5]

Kann man vorbeugen?

Es ist schwer, aber möglich. Schwer ist es nicht, weil man zu wenig weiß, man weiß im Grunde genug, nur kann man das, was man weiß, nicht nutzen. Massenregressionen sind Größen, die man nicht auffangen kann. Die Bedeutung und Zahl von Persönlichkeitsstörungen ist ideologisch umstritten, zudem wechseln dauernd die Kriterien.

Nicht jeder Mensch mit einer schweren Persönlichkeitsstörung oder psychotischen paranoiden oder manischen Schüben ist oder wird ein Verbrecher, noch viel weniger werden Amokläufer oder Terroristen. Mehr noch, viele dieser Menschen leben erfolgreich unter uns, viele der narzisstisch Persönlichkeitsgestörten sogar in hohen gesellschaftlichen Positionen, in Unternehmen und der Politik und anderen Terrains der Gesellschaft die gesellschaftlich anerkannt sind. Der Einzelfall rangiert immer über statistischen Größen.

Die Idee potentielle Gefährder einfach früher herauszufischen ist in mehrfacher Weise problematisch. Wer noch nichts Schlimmes getan hat, kann nicht verurteilt werden. Man ist gerade im Begriff auch Drohungen härter zu bestrafen. Oft will man durch Beobachtung an Hintermänner heran kommen, aber bei Einzeltätern gibt es keine Hintermänner. Man kann nicht Menschen einfach so aus dem Verkehr ziehen, das würde das Klima von Angst und Misstrauen nur noch weiter anfachen. Wenn der Staat irgendwann schlimmer ist, als die Terroristen es sind, ist niemandem geholfen, ein paranoider Überwachunsgstaat ist nichts, was man sich wünschen würde.

Also haben wir doch keine Chance? Doch. Die brisante Mischung besteht so gut wie immer in der Mischung der Pathologie eines Kriminellen oder potentiellen Amokläufers oder Terroristen und dem gesellschaftlichen Klima. Ein Klima der Aggression, Verfolgungs- und Verschwörungsdenken und Misstrauen sind die Zutaten die potentielle Täter triggern und in Einzefällen zu realen Tätern machen. Wir brauchen keine Hexenjagd, sondern (wieder mehr) Ruhe, Verlässlichkeit und Freundlichkeit im Umgang miteinander.

Wenn wir alle die Alarmsignale, die man beachten sollte, besser kennen, können wir besser aufeinander aufpassen, was nicht heißt, einander zu kontrollieren. Die Lust an Macht und Kontrolle ist selbst kein gutes Zeichen, nicht ständig wegzusehen, nachzufragen und sich taktvoll zu informieren, ist etwas anderes. Menschen sind besser als Algorithmen, wir können und dürfen uns und anderen etwas zutrauen. Auch die Medien spielen eine Rolle. Dazu Britta Bannenberg:

„Ich beobachte allerdings, dass die Medien dazugelernt haben und in der Berichterstattung sensibler sind. Sie geben Tätern und ihren Machtfantasien nicht mehr so viel Raum. Leider triggert ein solcher Zeitgeist mit medial sehr beachteten schweren Gewalttaten generell hasserfüllte und psychisch gestörte Menschen, das gilt für Schizophrene, Persönlichkeitsgestörte und auch Fanatiker ohne psychische Störung.“[6]

Andauernde Empörung ist kein Ausweis allein von Menschen, die auf Missstände hinweisen wollen, es ist oft genug auch eine Legitimation für eigene, tief sitzende Aggressionen, die man besser therapieren als agieren sollte. Man kann sie in vielen Fällen therapieren. Bestimmte Dinge nicht in Ordnung zu finden, ist absolut nachvollziehbar, dagegen zu protestieren, auch lautstark, ist nicht nur unser gutes Recht, oft genug auch eine Pflicht, man muss nur auf die Mittel des Protestes achten. Wer Missstände geradezu sucht, wird immer welche finden und sich daran erregen können, alles zum kotzen finden. Da kann man dann schon mal fragen, warum denn jemand so eifrig danach sucht. Empörung um ihrer selbst willen ist keine Tugend, sondern einfach nervig, beknackt und irgendwannn auch gefährlich.

Es ist eine kleine, aber lautstarke und aggressive Minderheit, die über Social Media neue Möglichkeiten hat, Hass und Misstrauen zu verbreiten. Auch dabei gibt es immer zwei Seiten, das Angebot und jemanden, der es wahrnimmt. Es sind nicht die großen Dinge, die das Klima der Gesellschaft verändern, es ist die Summe kleiner Faktoren und Taten, Umsichtigkeiten, der Re-Etablierung von Empathie, Sorge und Mitgefühl, die unserer Gesellschaft eigentlich nicht fremd ist. Falsche Fragen bringen uns dabei nicht weiter, sodern halten nur auf. Es ist wie bei anderen Themen, nicht, die Gesellschaft oder ich, wir alle können etwas tun und im kleinsten Umfeld und erst mal bei sich anzufangen ist weder nutzlos, noch lächerlich. Wir haben Jahre des Regression, der Selbstentmündigung und der oft allzu bequem aufgenommenen Suggestion hinter uns, dass wir das alles ja nicht gewollt haben und ohnehin nichts dazu können. Die Macht der Gesellschaft besteht im Mahlstrom der Normalität, die, komme, was da wolle, einfach zäh weiter fließt. Es ist in vielen Fällen frustrierende wie zäh und träge wieder Strom ist, aber wenn man ihn dann mal zu den eigenen Gunsten nutzen kann, kann man sich auch bequem zurücklehnen und einfach tun, was dann zu tun ist, weiter machen. Die Gesellschaft sind nicht stets die anderen, sondern wir alle, Sie und ich eingeschlossen.

Quellen