Roter Hofnarr auf Stuhl

Alles ist möglich. Matejkos Bild zeigt einen nachdenklichen Hofnarren. © RasMarley under cc

Den Begriff der Narrenfreiheit kennen wir alle. Sie kommt all jenen zu, die aus irgendwelchen Gründen befreit zu sein scheinen, von den Normen und Konventionen des Alltags. Doch die Abkehr von den Normen allein ist es nicht, die den Narren kennzeichnet, denn auch Verbrecher halten sich nicht an die herrschenden Normen und wo diese noch dem internen Kodex einer Ganovenehre folgen, ist spätestens beim harten Psychopathen Schluss, der nur noch auf eigene Rechnung spielt.

Aber der Narr ist niemand der uns auf den ersten Blick Angst einjagt, eher jemand, den wir nicht ernst nehmen. Er ist harmlos, vielleicht irgendwie lästig, aber eben doch nur ein Narr. Zunächst.

Narren, Trickster und Grenzgänger

Narren begegnen uns in immer anderen Rollen und Gestalten. Immer sind es Figuren, die Grenzen überschreiten und diese nicht respektieren. Aber nicht in vordergründig aggressiver Weise sondern in einer Art der freiwilligen oder unfreiwilligen Komik. Schon durch seine Kleidung und vielfältigen, immer auch symbolischen Attribute macht der Narr deutlich, dass er erkennbar anders ist und sein will.

Und weil der Narr es scheinbar nicht ernst meint, kann man ihm auch nicht so richtig böse sein, das ist ein Teil der Narrenfreiheit, die er hat, mehr oder minder ungestraft seine Meinung zu sagen. Doch die Rolle des Narren ist nie so ganz eindeutig festzulegen. Er ist oft ein wenig tölpelhaft und ungeschickt, zumindest scheinbar, hat aber auch einen unverstellten Blick von außen, der stets geschätzt wurde. In dieser Rolle ist er der einzige, der der hohen Gesellschaft, inklusive dem Herrscher die Meinung sagen darf. Der Hofnarr hatte ursprünglich diese Funktion eines sozialen Korrektivs, nicht des Unterhalters, auf den man besonders deshalb gut hören konnte, weil er ja ein Narr war, von dem sich niemand was annehmen musste.

Aber Narrenfreiheit finden wir auch bei einer anderen, archetypischen Figur, dem Trickster. Er bekommt die Freiheit vielleicht nicht zugesprochen, aber er nimmt sie sich. In der Mythologie sind sie oft Halb- oder Zwischenwesen, zwischen Mensch, Tier, Gott oder Geistern und Dämonen, was ihren Charakter, der oft ausgesprochen zwei-felhaft und zwie-spätlig ist, unterstreicht. Ihre oft großen Verdienste sind unbestreitbar, doch gleichzeitig scheuen sie beim Erreichen derselben vor kaum einem Mittel zurück. Dennoch erscheint der Trickster als jemand, der unterm Strich oft Gutes im Schilde führt. Als Archetypus strahlen der Trickster und der Narr bis in unser Leben und seine Rollen hinein.

Wie man mit der Narrenfreiheit in Kontakt kommt

Ein markantes Zeichen des Narren ist das Verfehlen der zugedachten sozialen Norm und Konventionen. Er fällt aus der Rolle, wobei genau das seine Funktion ist. Dabei ist unklar, ob jemand die Konventionen nicht einhalten kann, weil der unwissend, dumm oder verrückt ist, nicht einhalten will, weil er ignorant oder unhöflich ist, oder der Akt der Grenzverletzung ein bewusstes Zeichen ist, was jemand setzt, um andere aufzuwecken, ihrer Starrheit einen Spiegel vorzuhalten.

Persönlich kommt man zum Beispiel in Kontakt mit dem Archetypus, wenn man ein Ziel im Leben, was überaus wichtig erschien, nicht erreicht hat. Eine große, aber unerwiderte Liebe, eine Ausbildung oder soziale Position, die einem überaus wichtig erschien, irgendein großer Traum, der so endgültig geplatzt ist, dass man sich nicht mehr einreden kann, dass er sich doch noch irgendwie und irgendwann erfüllen wird. Auf einmal steht man da mit diesem Gefühl von: Und jetzt? Gerade ist der eine große Punkt, auf den so viel, wenn nicht alles im Leben zulaufen sollte, geplatzt. Eine Situation von Verzweiflung, Ohnmacht und gleichzeitig auch unendlicher Freiheit. Vielleicht kann man sie nicht genießen, bemerkt sie kaum, aber sie ist da. Man ist frei und ungebunden, gerade weil man sein Ziel nicht erreicht hat. Irgendwie ist man völlig am Boden, kann auch in der eigenen Wertevorstellung kaum noch tiefer sinken, andererseits hat man genau deshalb die Narrenfreiheit erreicht. Es kann einem nichts mehr passieren, weil schon alles passiert ist und jetzt sowieso alles egal ist.

Es gibt andere Wege. Vielleicht ist man von je her jemand, der nichts so richtig ernst nehmen kann, solche Menschen gibt es. Oder man wird durch ein schwere Erkrankung zu jemandem, dessen Wertesystem fundamental verschoben wird. Doch der Narr und der Trickster sind keine Gescheiterten, wir wissen es zumindest nicht. Sie haben sich nur an dem Platz im Leben eingerichtet, von dem aus man nicht tiefer sinken kann. Man ist ein Narr oder zwielichtig. Mit ihnen will niemand konkurrieren, um den Posten reißt sich keiner.

Noch der Grenzgänger irritiert bei uns, die wir es gerne wohlgeordnet haben und in U und E trennen. Von allen sozialen Zwängen und Vorgaben befreit, aber dafür auch der Möglichkeit des sozialen Aufstiegs beraubt verkündet der Narr seine Sicht auf das Geschehen, seine Wahrheit oder Narrheit. Man weiß nicht so genau was es ist, hat jederzeit die Möglichkeit sich vor Lachen auszuschütten und den Narr zu verspotten, aber manchmal bleibt das Lachen auch im Halse stecken oder der treffliche Witz wirkt nach.

Doch der Narr ist kein Berater, er ist auch ausschweifend, ein Lüstling, ein Bruder Leichtfuß, jemand der über Konsequenzen scheinbar oder tatsächlich nicht nachdenkt. Jemand, der naiv und unbeschwert in den Tag geht in der Gewissheit, dass er dort schon alles finden wird, was er heute braucht. Jemand der keine Risikoversicherungen abschließt und der immer im Hier und Jetzt lebt. Der uns erinnert, dass man auch so leben kann, auch dann, wenn man es nicht sollte, aber was juckt den Narren das schon? Kinder und alte Menschen sind mit diesem närrische Archetypus ganz natürlich in Kontakt, weil sie bestimmte Konventionen noch nicht kennen oder wieder vergessen haben, oder sich einfach nicht mehr für das Ereifere und Getue derer, die um Positionen ringen interessieren, weil sie es hinter sich haben.