Die Welt wird immer narzisstischer. Menschen denken nur noch an sich. Egoismus siegt. So lautet der Tonus, wenn es um aktuelle gesellschaftliche Bewertungen geht. Ob die Ellbogengesellschaft sich zukünftig tatsächlich weiter etablieren wird, ist fraglich. Nicht zuletzt ist es aber auch eine Frage der Fortpflanzung. Welche Charaktereigenschaften werden sich durchsetzen? Welche Persönlichkeit hat wie viele »Paarungsmöglichkeiten«, um die Gene und Erfahrungen weiterzugeben? Bewusst und überspitzt wird in diesem Artikel alles auf die eine Frage hinauslaufen: Was macht attraktiv?
Paarpsychologie: Was macht attraktiv?
Klar, schöner Po, tolle Haare, super Busen, Muskeln, flacher Bauch und so weiter – sicherlich alles Schlüsselreize, die auf die ein oder andere Weise ansprechend wirken. Allerdings sind wir ein psychologisches Magazin und kein Fitnessriegel. Ergründen wir die menschliche Psyche. Wer kommt wie weit mit welchen Charaktereigenschaften? Sind Egomanen oder einfühlsame Altruisten erfolgreicher bei der »Paarung«?
Fortpflanzungschancen: Der Blick ins Tierreich

Würden wir einen reichen Mann mit schlechtem Charakter anziehend finden? Was macht attraktiv? © Prayitno under cc
Da man eine Gruppe von Menschen schwerlich in ein abgegrenztes Forschungsgebiet sperren kann und sie jahre- oder gar lebenslang in ihrem Verhalten beobachten kann, riskieren Psychologen und andere empirische Wissenschaftler nur allzu gern einen Blick ins Tierreich. Bei unseren nahen Verwandten, den Schimpansen, wurde Erfreuliches festgestellt.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig beobachteten über einen Zeitraum von 22 Monaten eine Gruppe von Schimpansen in ihrer natürlichen Umgebung, dem Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste. Die Forscher Gomes und Boesch konnten zeigen, dass weibliche Schimpansen sich häufiger mit männlichen Artgenossen paarten, wenn diese ihnen von ihrer Beute abgaben. Und nicht etwa nur unmittelbar kurz vor der beabsichtigten Paarung, zum Beispiel wie bei einem Rendezvous. Nein, über den gesamten Zeitraum von 22 Monaten. Männchen, die nichts abgaben, kamen zu deutlich weniger Paarungsgelegenheiten. Interessanterweise erhielten die Weibchen auch dann noch Fleisch von den erfolgreichen Partnern, selbst wenn die Kopulation schon längere Zeit zurücklag.
Zum einen lässt diese Studie großartige Rückschlüsse zu in Bezug auf die Gedächtnisleistung bei Schimpansen sowie andere kognitive schlussfolgernde Fähigkeiten. Zum anderen sind die Ergebnisse bedeutsam für die Sozialpsychologie, im Speziellen die Paarpsychologie. Man spricht hierbei eingängig von der »Fleisch gegen Sex«-Hypothese.
»Fleisch gegen Sex«: Funktioniert das auch bei Menschen?
Anthropologische Forscher mutmaßen, dass auch in früheren Jäger- und Sammlerkulturen Männchen mit solchen altruistischen Eigenschaften größere Erfolgschancen bei der Paarung hatten. Aber wie sieht es in der »Neuzeit« aus? Viele Weibchen »jagen« sich ihr Fleisch selbst – davon abgesehen, dass manche Weibchen sich vegan oder vegetarisch ernähren und Pflanzenkraft bevorzugen. So oder so, das Weibchen sorgt eigenständig für die Ernährung und Wohlbefinden, erbeutet die Nahrung im Supermarkt und ist auch sonst unabhängig auf sich gestellt. Haben die altruistischen Männchen demnach ausgedient?
Altruismus versus Narzissmus: Fortpflanzungschancen?

Schönheit macht attraktiv. Aber reicht das? © anka nevasilyeva under cc
Die Forschergruppe um Steven Arnocky von der University of Guelph und der Nipissing University untersuchten die moderne Form von Altruismus beim Menschen in Zusammenhang mit der Fortpflanzung. Die Forscher interviewten über 800 Menschen hinsichtlich ihrer Beziehungen und ihrer Neigung, anderen zu helfen. Sie erfragten Aspekte zur Nächstenliebe, wie zum Beispiel die Bereitschaft, Blut zu spenden, Fremden auf der Straße zu helfen, Geldgewinne (in einem hypothetischen sozialpsychologischen Experiment) zu teilen sowie Klassenkameraden zu unterstützen und vieles mehr.
»Wenn du etwas haben willst, muss du etwas geben.«
Kurzum, die Ergebnisse der Humanstudie zeigen, auch beim Menschen gilt eine moderne Fassung der »Fleisch gegen Sex«-Hypothese. Im Sinne der Gleichberechtigung sogar für beide Geschlechter, Männer und Frauen. Menschen, welche anderen helfen, sind attraktiver für das andere Geschlecht, sie haben mehr Sexualpartner und häufiger Sex. Ergo: mehr Erfolg bei Dates und Sex! Abgeben, teilen, Rücksicht nehmen, Umsicht zeigen, lieben können – all das macht attraktiv. Beste Aussichten für den Altruismus. Schlechte dagegen für seinen Gegenspieler: den Narzissmus.
Obwohl es sich für beide Geschlechter gleichermaßen »lohnt«, altruistische Charakterzüge zu besitzen und diese authentisch zu zeigen, ist der Effekt bei Männern stärker ausgeprägt im Vergleich zu den Frauen. Sicherlich ist dieser Umstand, dass der Altruismus bei Männern sich deutlich positiv auf die Anzahl ihrer Date- und Sexualpartner auswirkt, auch der kulturellen Normung geschuldet. Denn der Mann in seiner Versorgerrolle hat aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Gegebenheiten noch nicht ausgedient. Ungeachtet dessen werden altruistische Eigenschaften sowohl bei Männern als auch bei Frauen vom anderen Geschlecht als anziehend empfunden. Altruismus macht attraktiv.