Wenn die Eifersucht zu gering ist
Weniger bekannt ist, dass es auch eine andere Seite gibt, nämlich die, dass die Eifersucht zu gering ausgeprägt ist. Auch das kann verschiedene Ursachen haben, zum einen, dass man sich nicht traut seine Eifersucht, die sehr wohl vorhanden, deren Ausdruck nur gehemmt ist, zu artikulieren. Zum anderen gibt es aber auch Fälle, in denen Menschen keine Eifersucht empfinden.
Bei gehemmter Aggression kann es sein, dass jemand auf die Anmachversuche eines Freundes gegenüber der eigenen Partnerin überaus verständnisvoll reagiert, vielleicht aus Angst, als Trottel oder ungerecht zu erscheinen oder der sonstigen Güte des Freundes nicht gerecht zu werden.
Anders gelagert ist der Fall, wenn jemand keine Eifersucht empfindet. Für Menschen, die selbst sehr unter Eifersucht leiden, ein nahezu unvorstellbarer und fast paradiesischer Zustand, der Preis ist jedoch in pathologischen Fällen eine große Oberflächlichkeit der Beziehung. Und die finden wir typischerweise bei Menschen mit schwerer Persönlichkeitsstörung. Sie haben für die moralische Seite einer Beziehung kein Empfinden und beenden Beziehungen oft auch recht schnell, wenn der Partner nicht mehr richtig „funktioniert“ und er keinen Spaß mehr macht. Selbst sind sie nicht eifersüchtig, die mögliche Eifersucht des oder der Partner wird mit Idealen der Freiheit oder allumfassenden Liebe überspielt, oder dadurch, dass man den Partner ja vollkommen liebt, solange man bei ihm ist und das für den nächsten Partner genauso gilt und sich insofern niemand beklagen könne.
Wenn die Definition von (partnerschaftlicher) Liebe die Integration von sexuellem Begehren und Anerkennung der ganzen Person, ihrer Einstellungen, Wünsche, Werte und ihrer Art mit Welt umzugehen ist, sowie dem Wunsch, diese Eigenständigkeit des anderen zu schützen, dann ist man natürlich in Sorge, wenn dieses enge Band in der Gefahr steht, zu zerreißen. Sind nur Teilaspekte des Ganzen der Liebe interessant, geht die Beziehung viel eher kaputt oder es ist erst gar keine. (Weitergehend dazu: Liebe und Narzissmus in der Liebe)
Eifersucht überwinden?
Liebe< ist dann keine Liebe mehr, wenn sie den anderen einengt. Das Thema Nähe und Distanz ist eines, was nahezu jede Liebesbeziehung irgendwann einmal einholt. Man darf sagen, es ist ziemlich kompliziert. Das eine Extrem ist, den anderen vollständig machen zu lassen, egal was er tut, weil er eben so ist, wie er ist. Nur hat man selbst ja auch eine Meinung, Ansprüche und ist in einer Beziehung idealerweise gleichberechtigt. Nehme ich ohne Ende Rücksicht, der andere jedoch nicht, ist die Beziehung eher asymmetrisch.
Ungefähr das ist auch das Ideal jener neuen Formen der Liebe, die den anderen in seinem ganzen Sosein annehmen wollen, ohne ihn zu korrigieren, inklusive Flirts und sexuellen Beziehungen zu andere Menschen. Eifersucht wird hier natürlich als Fehler angesehen und als etwas, was es zu überwinden gilt. Ist man noch eifersüchtig, ist genau das die Aufgabe, zu lernen damit klar zu kommen, weil es ja ein persönliches Defizit ist. Man ist halt noch einschränkend, besitzergreifend oder hat seine Affinität zu unbewussten Formen des Herrschaftsdenkens noch nicht ausreichend reflektiert. Ziel ist es, das weg zu bekommen und sich einfach unbeschwert das zu gönnen, was man auch anderen gönnt.
Ein echter pluralistischer Ansatz kann jedoch denn Wunsch nach Ausschließlichkeit nicht als Fehler anprangern. Denn auch so kann man ja sein und authentisch empfinden. Die Formel, dass man nur dann authentisch ist, wenn man zu einem eng definierten Ergebnis kommt, ist ja erkennbar unsinnig. „Sei Du selbst und das bist Du genau dann, wenn Du folgendes findest.“
Der Wunsch, den anderen ein Stück weit zu verändern, so dass man selbst Leid und Sorgen reduziert, verweist ja auf ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer Beziehung auf Augenhöhe. Nicht immer ist ein Kompromiss zu finden, der beide Seiten glücklich macht, was hier richtig und falsch ist, müssen die Paare unter sich ausmachen, als grobe Leitlinie kann dienen, darauf zu schauen, dass ein Verzicht zugunsten des Wohls des anderen und der Beziehung und die Möglichkeit sich auszuleben, auch mit und durch die Beziehung, sich auf lange Sicht in etwa die Waage halten.
Kritik als Ausdruck der Liebe
Wir wollen nicht, dass der geliebte Mensch sich blamiert. Darum sagen wir ihm gelegentlich: „Du, so kannst Du nicht rausgehen.“, oder: „Das kannst Du nicht sagen.“ Auch wenn es nicht schön ist, aber es ist der Partner, der uns darauf hinweist, dass wir Mundgeruch oder Schuppen haben oder unmöglich angezogen sind. Andere tun das nicht, aber ihnen ist das oft auch einfach egal. Wenn sie es tun, dann manchmal aus einem schonungslosen Verständnis von Ehrlichkeit heraus, das kaum Rücksicht auf Takt und die Bloßstellung des anderen nimmt. Gut ist es, wenn man den anderen diskret zur Seite nimmt und ihm taktvoll sagt, was los ist.
Partner achten darauf, dass der andere geschützt bleibt und wollen sein Ansehen erhalten. Das subtile Gleichgewicht von eigenen Wünschen und dem Wunsch, den Partner auch nicht über die Maßen einzuschränken und unglücklich zu sehen, bleibt wohl am besten dann gewahrt, wenn man dem Partner offen sagt, was man denkt und gerne hätte. Es liegt jedoch am Partner, diese Wünsche zur Kenntnis zu nehmen darauf einzugehen oder es nicht zu tun. Das gilt auch für das Flirt- und Sexualverhalten. Darauf kann und muss dann erneut der andere reagieren.
So kann man es auch in Fragen der Eifersucht praktizieren, denn eine Beziehung einzugehen heißt auch für diese Beziehung, ihren Erhalt und damit natürlich auch ein Stück weit für den Partner und dessen Wohlergehen Verantwortung zu übernehmen. Affären und ihre Vermeidung sind ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung. Es ist auffällig, dass auf Sexualität scheinbar kein so großer Wert gelegt wird, sexuelle Untreue dann aber doch noch immer der Hauptgrund für Trennungen ist.
Das Konstrukt Partnerschaft ist natürlich gleichermaßen ein subtiles und dynamisches Gleichgewicht, bei dem es immer wieder Unwuchten gibt, weil Partner sich in langen Jahren der Partnerschaft verändern und entwickeln und das teilweise in unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Manchmal entwickelt sich das auseinander und die Liebe ist vorbei, doch es kann ebenfalls gelingen, diese Unterschiede zu tolerieren und gemeinsam zu wachsen. Eifersucht ist ein Alarmsignal, auf das man durchaus reagieren sollte, niemand hindert einen daran auch in sich zu gehen und zu schauen, was man selbst besser machen könnte, um wieder interessanter und attraktiver zu werden oder dem Partner das aufrichtige Empfinden zu vermitteln, es zu sein.