
Der 11. September – ein Bild des Terrors © TheMachineStops/upstateNYer under cc
Terrorismus und die latente Angst vor ihm sind zum festen Bestandteil unseres Weltbildes geworden und alle paar Monate schwappt die Angst vor Terroristen wieder an die Oberfläche. Die Bilder vom attackierten World Trade Center sind in einer massenmedialen Zeit längst Teil der kollektiven Psyche geworden, „der 11. September“ zum stehenden Begriff. Anders Breivik und der rechtsextrem motivierte Terror schockten in letzter Zeit die Öffentlichkeit erneut.
Doch neben der Frage nach den politischen und soziologischen Ursachen des Terrorismus, lohnt auch ein Blick aus der Sicht der Psychologie auf das Phänomen. Unabhängig davon, ob im öffentlichen Bewusstsein nun gerade rechtsextremistischer, linksextremistischer oder islamistischer Terrorismus oder eine andere Form dominiert, gibt es in der Psyche aller Terroristen erstaunliche Ähnlichkeiten.
Dabei scheint es sich um eine Mixtur aus einem bestimmtem Weltbild und einem spezifischen Selbstbild zu handeln, das Terroristen eint.
Der amerikanische Denker Ken Wilber schreibt dazu (vgl. S.86):
„Bei meiner Forschung zu ‚Die Vielen Gesichter des Terrorismus‘ habe ich die ca. fünfzig letzten größeren terroristischen Akte weltweit untersucht, von den Bombardierungen von Abtreibungskliniken des Südens durch Protestanten über die buddhistischen U-Bahn-Attacken in Tokio bis zu separatistischen Sikhs in Indien und muslimischen Terrorakten inklusive 9/11.
Erstaunlicherweise hatten sie alle identische psychographische Züge: bernsteinfarbener Glauben und eine von Rot getriebene Gefühlslage. Und sie alle sagten genau das Gleiche, warum sie es taten (auch wenn sie nicht die gleichen technischen Begriffe verwendeten): ‚Die orange Welt will meinem heiligen bernsteinfarbenen Glauben keinen Raum geben, und daher werde ich sie in die Luft jagen, wo immer ich kann!'“
Wir werden im Folgenden versuchen die nur für Insider verständlichen Farbangaben in eine allgemeine Sprache zu übersetzen.
Das Weltbild der Terroristen
Terrorismus ist sehr oft getrieben von der Idee, dass es ein Weltbild gibt, das als ein erlösendes, ultimativ heilbringendes (miss)verstanden wird. Wenn nur alle nach dieser, alle Probleme ein für alle mal lösenden, Idee leben würden, dann wäre die Welt ein besserer Platz. Dem Terroristen geht es nicht einfach um Gewalt, Mord oder pure Lust an der Zerstörung, er verbindet seine Ideen mit dem Rückgriff auf eine alles dominierende und überragende Ideologie, die, wenn auch hochideologisch und unausgegoren, die eigenen Motive legitimieren soll und oft genug verklärt. Das ist der von Wilber erwähnte „bernsteinfarbene Glaube“.
Dass die Gesellschaft („die orangene Welt“) diese Ideen als wirr, einseitig und totalitär zurückweist bestätigt den Terroristen nur weiter darin, auf dem richtigen Weg zu sein. Denn die Masse, die Normalität, das konventionelle Zusammenleben wird von ihm immer entwertet. Aus der Sicht des Terrorismus erscheint Normalität in seiner verzerrten Sichtweise immer als der eigentliche Irrsinn, als der Fehler, der bekämpft gehört, als Verführung, Verdummung und bewusste Manipulation der breiten, konventionellen Herde.
Radikal wie er ist, will der Terrorist nicht allein mit Worten „aufklären“, sondern mehr: Zeichen setzen. In einer Mischung aus paranoider und narzisstischer Logik geht es ihm, neben der Idee, der er sich verschrieben hat, immer auch ein gutes Stück weit um ihn selbst. Er ist es, der die Welt verändert, er ist es, der sich wie niemand sonst in den Dienst der „guten Sache“ stellt, der zu größeren Opfern als jeder andere bereit ist. Und nur diese Radikalität und dieses eine Weltbild – wie auch immer es inhaltlich gestaltet ist – ist es Wert gelebt zu werden und nur wer derselben Meinung ist, hat ein Recht zu leben.
Otto Kernberg, der renommierteste Experte für schwere Persönlichkeitsstörungen:
„Die Verpflichtung gegenüber einer Ideologie, die sadistische Perfektionsansprüche stellt und primitive Aggression oder durch konventionelle Naivität geprägte Werturteile toleriert, gibt ein unreifes Ich-Ideal und die mangelnde Integration eines reifen Über-Ichs zu erkennen. Die Identifizierung mit einer „messianischen“ Ideologie und die Akzeptanz gesellschaftlicher Klischees und Banalitäten entspricht daher einer narzisstischen und Borderline-Pathologie.“
Die Klischees, die hier gemeint sind, entsprechen einem idealisierenden Denken, das grandios ist, nur gut oder böse, richtig oder falsch, dafür oder dagegen kennt und toleriert und an sich differenziertere Zwischentöne und Grautöne als verweichlicht oder lauwarm entwertet.
Quellen:
- Otto F. Kernberg, Ideologie, Konflikt und Führung, Klett-Cotta /J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger (2000), S.297f