Prüfungsangst bringt in Leistungssituationen eine emotionale und kognitive Mehrbelastung mit sich und erschwert für die Betroffenen das Vorankommen im Leben. Klassische Prüfungssituationen wie Klausuren, Abschlussprüfungen, der Erwerb des Führerscheins, Bewerbungsgespräche, aber auch Aufnahmetests für verschiedene Ausbildungsberufe oder Studienrichtungen werden für Menschen mit Prüfungsangst zu einem vergleichsweise größeren Hemmnis. Die Angst beeinflusst nicht nur die eigene Leistung, sondern sie kann schlimmstenfalls einen entscheidenden Einfluss auf den Lebensweg nehmen.
Prüfungsangst: Ab wann klinisch bedeutsam
Ein bisschen Nervosität ist in Leistungssituationen immer dabei. Eine gewisse Anspannung hilft, sich in herausfordernden Situationen zu fokussieren. Klinisch bedeutsam wird die Prüfungsangst, wenn sie einen hohen Leidensdruck und Einschränkungen für das eigene Leben mit sich bringt.
Anzeichen von Prüfungsangst
Die Prüfungsangst wird in Deutschland derzeit nach dem ICD-11, der internationalen Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, als soziale oder spezifische Phobie diagnostiziert. Typische Anzeichen, die in der Vorbereitungszeit sowie unmittelbar vor der Leistungssituation auftreten können, sind ein gesteigerter Herzschlag, Schweißausbrüche, innere Unruhe, deutliche Anspannung, Übelkeit und Verdauungsbeschwerden. Auch können Schwindel, Zittern, ein abwechselndes Hitze- und Kältegefühl, Schlaflosigkeit und Beklemmung vorkommen. Betroffene leiden unter gesteigerter Angst und Panik, Versagensängsten sowie Gefühlen von Minderwert, Kontrollverlust, Ausgeliefertsein und Ausweglosigkeit. Ferner sind mögliche Symptome ein unkontrollierbares und katastrophisierendes Gedankenkreisen um die Prüfungssituation, Reizbarkeit, Depersonalisation und Derealisation genauso wie Konzentrationsstörungen bis hin zum Blackout. Im Verhalten zeigt sich manchmal ein übertriebener Aktionismus verbunden mit hektischem Lernen versus Prokrastination und Handlungsunfähigkeit. Betroffene können nicht auf eigene Ressourcen zurückgreifen, sie isolieren sich zunehmend und vermeiden häufig die angstauslösende Situation.
Prüfungsangst als Hemmnis für den Lebensweg
In der heutigen Zeit ist ein Vorankommen im Leben ohne das vorherige Vorzeigen der eigenen Leistungsfähigkeit nahezu unmöglich. Bereits in der Grundschule entscheidet sich, ob der Weg zum Abitur angetreten werden darf. Später ist die Wahl eines Ausbildungsberufes mit Bewerbungsgesprächen und teilweise Intelligenz- und Wissenstests verbunden. Auch bei vielen Studiengängen gibt es heutzutage Aufnahmeverfahren, um die individuelle Eignung der Bewerbenden für einen Studienplatz zu prüfen.
Warum Aufnahmetests an Unis zunehmen
Die zunehmenden Auswahlverfahren an den Universitäten haben zum Ziel, nur diejenigen Bewerbenden zuzulassen, die sich als wirklich interessiert, motiviert und geeignet erweisen und eine höhere Wahrscheinlichkeit zum erfolgreichen Abschluss des Studiums mitbringen. Immerhin liegt die Zahl der Studienabbrechenden für Bachelorstudiengänge bei etwa 29 Prozent (Stand 2017).
Auch wenn die Abiturnoten oft als guter Prädiktor für den Studienerfolg gelten, könnte die Vorhersagekraft durch weitere Kriterien wie zum Beispiel Leistungsmotivations- und studiumsnahe Leistungstests verbessert werden. So fand der Psychologieprofessor Lothar Schmidt-Atzert von der Universität Marburg in einer Studie aus dem Jahr 2006 in Bezug auf das Psychologiestudium heraus, dass eine geringe Informiertheit und eine höhere emotionale Labilität, gekennzeichnet durch Nervosität, Ängstlichkeit und Unsicherheit, mögliche Risikofaktoren für einen Studienabbruch sind.
Demzufolge nutzen auch vor dem Antritt des Psychologiestudiums sowie anderer Studiengänge immer mehr Hochschulen in Deutschland Studieneignungstests, deren erfolgreiche Absolvierung das Ranking im Auswahlverfahren für einen Studienplatz verbessert. Für viele Prüfungsängstliche bestehen damit schon beim Auswahlverfahren schlechtere Chancen. Eine bestmögliche Vorbereitung auf solche Tests ist für sie umso wichtiger.
Optimale Vorbereitung gegen Prüfungsangst
Die bisherige Studienlage deutet darauf hin, dass eine gezielte Vorbereitung unter Anleitung externer Anbieter auf Eignungstests – wie beispielsweise den „Mediziner-Test“ für medizinische Studiengänge (TMS) oder aber auch Aufnahmetests für das Psychologie-Studium (Studieneignungstest für den Bachelor-Studiengang Psychologie (Ba-Psy-DGPs) in Deutschland oder der Psychologie Aufnahmetest in Österreich) – einen positiven Effekt auf das Abschließen in einem solchen Test haben kann. Studierende, die sich intensiv auf Studierfähigkeits- / Studieneignungstests vorbereiten, erzielen oftmals bessere Testergebnisse. Zudem könnten sie dadurch auch besser auf die zukünftigen universitären Anforderungen vorbereitet sein, was schlussendlich ihre Chancen auf einen erfolgreichen Studienabschluss erhöht. Weitere Forschungen, auch dahingehend wie sich diese Effekte gezielt auf eine bestehende Prüfungsangst auswirken, stehen noch aus.
Desensibilisierung durch Übung
Durch Fachwissensvermittlung, Testsimulationen und andere Übungseinheiten werden Vorbereitende ohne den erwarteten Leistungsdruck sukzessive an die Eignungstest-Situation herangeführt. Auch in der Vorbereitung auf klassische Prüfungssituationen könnten Testsimulationen durch die Beantwortung von früheren Prüfungsfragen in der Lerngruppe oder die Absolvierung von Probeklausuren in der entspannten Umgebung des eigenen Zuhauses zu einer besseren Vorbereitung und einem geübteren Umgang mit den aufkommenden Ängsten in einer Leistungssituation beitragen.
Im Prinzip ähneln solche Strategien der testnahen Vorbereitung einer Systematischen Desensibilisierung, bei der man Schritt für Schritt an den angstauslösenden Reiz herangeführt wird. So wird bei einer bestehenden Höhenangst nach und nach die Höhe gesteigert, der sich Betreffende dann mit verschiedenen psychologischen Werkzeugen wie Atmungs- und Entspannungstechniken im Gepäck stellen müssen. Die psychologische Methode aus dem Bereich der Verhaltenstherapie findet unter anderem bei spezifischen Phobien und auch bei Prüfungsangst Anwendung.
Entspannung für ruhigere Baseline
Angst und innere Unruhe sind im Grunde nur dann zu bewältigen, wenn Betroffene sich der Situation stellen und die damit verbundenen unangenehmen Gefühle aushalten. Wird parallel dazu an der Entspannung durch regelmäßige Yogaeinheiten, Sport, Meditation und andere Entspannungstechniken gearbeitet, profitiert das autonome Nervensystem insgesamt von einer ruhigeren emotionalen Baseline. Eine psychotherapeutische Unterstützung zur Aufarbeitung hemmender Glaubenssätze (wie beispielsweise „Ich bin nicht gut genug“) und von Versagensängsten sowie Minderwertigkeitsgefühlen, deren Ursprung in der Regel in der Kindheit zu verorten ist, kann zudem angeraten sein.
Es ist wichtig, einen psychologisch gelasseneren Umgang mit Fehlern zu finden, diese als normal und menschlich anzusehen und sich in Anbetracht von Fehlern oder Misserfolgen nicht als Person abzuwerten. Statt eines Perfektionsstrebens, welches vielen Prüfungsängstlichen zueigen ist, sollte ein „Gut genug reicht völlig aus“ angestrebt werden.
Kontraindiziert ist dagegen ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf die Leistungssituation. Es wirkt sich negativ auf die individuelle Selbstwirksamkeit und das persönliche Kontrollerleben aus und steigert stattdessen das Empfinden von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein. Eine schrittweise Steigerung und Annäherung an die angstauslösende Eignungs- beziehungsweise Prüfungssituation vermittelt mehr Kontrolle und eine Anerkennung dafür, dass man sich seinem Problem stellt. Jenes fördert das Selbstbewusstsein und zeigt auf, an welchen Stellen (beispielsweise Zeitmanagement, allgemeine Stressbewältigung und positives Selbstbild) Betroffene darüber hinaus ansetzen können, um die Hürde der Prüfungsangst in ihrem Leben zu beseitigen.