Psychotherapie kann sagenhaft wirksam sein

Wenn alles gut geht, lässt man sich vom anderen tauchen und bleibt dabei tief entspannt. © Therme Loipersdort under cc

Es wird oft betont, wo die Schwierigkeiten bei einer Therapie liegen können, was alles schief gehen kann und dergleichen. Das ist sicher wichtig und richtig, doch sollte man bei all dem nicht übersehen, dass Psychotherapie ungeheuer kraftvoll und wirksam sein und dem Leben eine völlig neue Wendung geben kann.

Es ist etwas seltsam immer wieder zu hören, welche psychischen Krankheiten angeblich unheilbar sind, höchstens gelindert werden können. Tatsächlich werden wir immer besser, verstehen auch die Innenwelt zunehmend besser und können vermutlich auch bald das Zusammenspiel von therapeutischen und außertherapeutsichen Maßnahmen immer besser koordinieren, wenn wir dem Trend etwas entgegen setzen, das alles schnell und billig sein muss.

Was Psychotherapie ebenso vermag, ist lang tradierte Ketten des Leidens zu beenden. Es ist gut bekannt, das Muster, konstruktive aber auch zerstörerische oft von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Das Opfer von gestern ist leider oft der Täter von morgen, ohne es zu wollen und zunächst ohne es beeinflussen zu können. Es ist wunderbar, dass man dieses Band zerschneiden kann, was schon seit Generationen seine Wirkungen immer weiter gibt, einfach dadurch, dass man selbst therapiert wird und damit als weiterer Überträger ausfällt.

Dass man überhaupt Muster, die sich Jahrzehnte eingegraben haben in doch recht kurzer Zeit verändern kann ist gleich das nächste Wunder, aber es geht.

Wann braucht man eine Psychotherapie? Bei zu viel und zu wenig Strukturierung

Im Grunde ist das keine schlechte Antwort, nur weiß man in der Regel wieder nicht, was bei einem selbst der Fall ist.

Zu viel Strukturierung tötet die Spontaneität und Kreativität, wird ausgelöst von einem lastenden Über-Ich und seinen Repräsentanten in der Welt. Eltern, früher besonders der Vater, Lehrer, Arzt, Pfarrer, Ordnungshüter, Staat. Autoritäten eben. Doch auf die wird heute weitgehend gepfiffen.

Sind wir nun so richtig befreit, wo immer mehr nach eigenen Regeln leben? Wer jede Einschränkung als tiefe Kränkung erlebt, wird über kurz oder lang die Erfahrung machen, dass das Leben sich nicht seinen Wünschen anpasst, sondern bestimmte Leitplanken natürlich gesetzt sind. Irgendwann müssen wir schlafen, brauchen Auszeiten, dann aber auch wieder Anregung. Man kann vieles ausprobieren, seine Grenzen austesten. Das macht Spaß und gehört zum Leben irgendwie dazu, beim Atmen müssen sind die Grenzen schon nach wenigen Minuten erreicht.

Sich von jeder Art Struktur und Regeln beengt zu fühlen ist eher ein Hinweis auf eine schwere Persönlichkeitsstörung, als ein Ausdruck großer Freiheit. Sich einem System einfach anzupassen oder zu ergeben ist mitunter der Verzicht auf die Errichtung eines reifen Ichs, dass sich irgendwann fragt, was es eigentlich selbst vom Leben erwartet.

Wo die goldene Mitte oder etwas ganz anderes liegt ist eine Antwort, die das Individuum sich irgendwann selbst geben muss, dafür wiederum ist es gut, in sich lauschen zu können und zu wissen, was man will.

Die Blumen des Guten

Immer wieder wird berichtet, dass die Arbeit im eigenen Garten einem viele Stunden Psychotherapie ersparen kann. Immer wieder gibt es Berichte, dass bei psychisch mitunter schwerst kranken oder anders veranlagten Menschen, bei Psychotikern und Autisten, der Bann gebrochen und ein Zugang ermöglicht wurde, wenn sie Kontakt mit Tieren hatten oder auf einem Bauernhof untergebracht wurden.

Als Grund der Besserung im letzten Fall wurde häufig die Mischung aus kognitiv einfacher, aber körperlich anspruchsvoller Arbeit, der klaren Struktur und dem unmittelbaren Erfolg gesehen. Das Obst ist gepflückt, die Wiese gemäht, die Tiere versorgt, der Stall ausgemistet.

Ich glaube, dass das alles stimmt, aber noch viel mehr dahinter steht. Das Leben in der Natur hat hier und da seine Tücken, ist aber in erster Linien recht gesund. Mist und Urin aus dem Kuhstall hat offenbar die Eigenschaft vor Allergien zu schützen, beim Urin reicht es, dass er mit dem Heu in der Luft verwirbelt wird. Doch die Psyche profitiert offenbar nicht nur indirekt von der Einbindung in die Rhythmen der Natur, sondern oftmals ganz direkt.

Wenn ein Kiefernzapfen auf die Gartenbank fällt oder Regentropfen auf Blätter platschen, reagiert unser Körper ganz direkt darauf, zitiert Sue Stuart-Smith in ihrem Buch Vom Wachsen und Werden – Wie wir beim Gärtnern zu uns finden, den italienischen Neurowissenschaftler Vittorio Gallese. Das ist nicht weiter verwunderlich, da wir ja über Sinnesorgane verfügen, erstaunlich ist jedoch, dass noch ein anderer Teil des Körpers reagiert: unsere Spiegelneuronen. Sie sind dafür zuständig, dass wir uns emotional auf unser Gegenüber einschwingen und merken, wie der andere gestimmt ist. Auf diese Art sind wir mit dem anderen in gewisser Weise direkt verbunden. Mit der Natur um uns dann allerdings auch. Der Kontakt mit der Natur verändert uns unmittelbar. Nun ist es nachgewiesen. Und wer würde daran zweifeln, dass der Blick in den Himmel nicht dasselbe vermag?

Wann braucht man eine Psychotherapie? Und wann nicht?

Nur wenn der Leidensdruck groß genug ist, kommt man auf die Idee eine Therapie zu brauchen und wenn man das denkt und andere Methoden schon ausgeschöpft sind, kann man darüber nachdenken eine Therapie zu machen. Auch wenn man Probleme, keine Freunde und Familie hat oder keinen Kontakt zu letzterer, ist es eine Überlegung wert. Selbst wenn man sich unsicher ist und der Therapeut sagt, man hätte kein größeres Problem, ist es nicht falsch das einmal abzuklären.

Ansonsten muss man zwar suchen und sortieren, aber unterm Strich steht uns heute ein breites Angebot an effektiven Therapiemethoden für Verfügung und auch außertherapeutische Methoden sind alles andere als zweite Wahl, man muss einfach schauen, was einem Menschen gut hilft.

Ob es Sport oder eine Selbsthilfegruppe ist, Schreiben oder Tanzen, ausreichender Schlaf, Waldspaziergänge, Arbeit im Garten oder Meditation, der Erfolg zählt. Vermutlich stellt er sich noch öfter durch die kluge Kombination mehrerer Maßnahmen ein. So wird das Leben selbst zur Therapie und gleichzeitig spannend und nicht auf Therapie reduziert. Auf diesem Gebiert ist noch viel zu entdecken. Kann die Geborgenheit wechselseitiger Übungen im körperwarmen Thermalwasser, bei dem die Hautgrenzen nahezu verschwinden, Gefühle des Urvertrauens angliedern? Auch auf diese Ursituationen, wie Schwimmen, Tauchen und das Schweben unter Wasser dürften wird intensiv reagieren. Der Körper tut es, indem er die Herzfrequenz reduziert, wenn wir tauchen. Auch dieses mal kann das Gehirn nicht unbeteiligt sein.

Für spezifische Probleme haben wir mitunter sehr gute Therapiemethoden. Diese können ergänzt werden durch einen Ansatz, der dem Leben entspricht, was man gerne führen möchte. Sich selbst zu helfen heißt der Welt zu helfen, eben weil wir miteinander verbunden sind.