Wassertropfen, in schwarzweiß.

Der Tropfen, der als Essenz von Leben zu Leben weitegegeben wird, ist ein Bild des tibetischen Buddhismus. © Noah under cc

Die Konzepte von Karma und Psyche passen ausgezeichnet zusammen, nur irgendwie beide nicht mehr in unsere Zeit und der Karmabegriff nicht einmal (außer in bestimmten, kleinen Kreisen) in unsere Kultur. Zumindest auf den ersten Blick. Wenn wir versuchen, die Begriffe Karma und Psyche näher zu bestimmen, können wir feststellen, dass je nach Definition sich Karma eigenartigerweise sogar aus dem Naturalismus, dem Weltbild hinter den Naturwissenschaften, ableiten lässt. Aber der Reihe nach.

Karma

Karma heißt wörtlich Tat. Eine Tat, die Folgen hat, karmische Folgen. Der Begriff stammt aus dem indischen Kulturbereich in dem sich drei religiöse Strömungen entwickelten (und vermutlich wurden noch mehr davon beeinflusst), der Hinduismus, der Buddhismus und der Jainismus. Das zeigt bereits, dass der Karmabegriff von Anfang an vielschichtig war und so ist es bis heute geblieben. Die hinduistische Vorstellung von Karma impliziert einen bleibenden und den Tod überdauernden Persönlichkeitskern, der von Leben zu Leben, über die Lehre der Wiedergeburt oder Reinkarnation weiter gegeben wird. Dieser Begriff eines festen Kerns, ist unserer Vorstellung von Seele nahe verwandt.

Die buddhistische Vorstellung von Karma ist in weiten Teilen anders. Der Buddhismus lehnt das Konzept des Ich, sowie auch das einer Seele in letzter Konsequenz ab. Kein fester Kern, nichts was überdauert, mindestens nichts Persönliches. Was bleint ist ein Bündel vorläufiger Eigenschaften, die sogenannten Skandhas, die wir als aktuelle Verdichtungen, Bündelungen wahrnehmen und denen wir, nach buddhistischer Lehre fälscherlicherweise, das Attribut ein Ich zu bilden, zuschreiben. Das neue Leben, an das man auch hier glaubt, ist eine eher unpersönliche Summe aus Ergebnissen und Versäumnissen vorheriger Inkarnationen, aber in der Regel nicht mit der Vorstellung verbunden, dass ich weiter existiere, geht es dem Buddhismus doch gerade darum, dieses Ich, oder mindestens die Anhaftung an das Ich als leiderzeugende Illusion zu entlarven. Und manche buddhistische Traditionen, wie Zen, lassen die Frage nach der Wiedergeburt offen und weisen sie, als in letzter Konsequenz irrelevant zurück.

Psyche

Psyche bedeutet in etwa Seele oder Windhauch, bezeichnet etwas Leichtes, Ungreifbares und ist in dieser Form immer mehr kritisiert worden. Nach unserer heutigen, vom Naturalismus geprägten Überzeugung, ist die Seele nichts, was man ernsthaft postulieren kann und auch die Psyche gilt eher als Sammelbegriff für das Erleben und Verarbeiten von Eindrücken, als „Ort“ des Denkens und Fühlens. Wir gehen nicht davon aus, dass eine Seele oder Psyche ohne Körper existiert, mit Ausnahme einiger weniger Forscher. Unsere Vorstellung vom der Psyche gleicht heute eher dem Buddhismus, einer Summe von Leidenschaften, die mal mehr, mal weniger in der Vordergrund treten, als der Idee einer fixen Seele. Nur, dass nach dem Tod eben alles aus ist, nichts bleibt von uns, außer vielleicht einer diffusen Vorstellungen von Energie, aber diese Energie bildet nichts ab, was einem Ich oder Wesenskern auch nur entfernt gleicht, sondern zerfällt in 1000 Fäden.

Starres Karma

Die Vorstellungen vom Karma sind verschieden. Eine ist die von Karma als etwas Starrem, Definitiven, Determinierten. Kurz gesagt, geht es dabei um die Überzeugung, dass alles im Leben haarklein vorherbestimmt ist. Was immer passiert, jede Begegnung die stattfindet, ob man versehentlich ein Glas umstößt, alles steht vorher schon fest, nichts ist an diesen Abläufen zu ändern. Das klingt weit weg und ist uns doch halbwegs nahe, wie wir gleich sehen werden.

Der große indische Weise Sri Ramana Maharshi ist auch der Auffassung, dass es bestimmte tradierte Leidenschaften (Vasanas) gäbe, die in einigen Fällen so stark sind, dass, auch wenn man – beispielsweise bei einer Geschäftseröffnung – nach menschlichem Ermessen alles richtig macht, man nicht auf die Füße kommt, wenn man sozusagen karmische Altlasten hat.[1] Doch da auch Ramana Maharshi davon ausgeht, dass das Ich letztlich nur eine Illusion ist, die man überwinden kann und sollte, ist das nicht weiter schlimm. Der Karmabegriff von Ramana Maharshi ist dem entsprechend auch noch halbwegs starr und es gibt noch andere Vertreter eines starren Karmabegriffs.

Dynamisches Karma

Fast noch weiter verbreitet bei uns ist allerdings ein dynamischer Karmabegriff. Reizvoll daran ist, dass er die Möglichkeit bietet, mit seinem Karma und der Welt zu kommunizieren. Manche Antroposophen haben eine solchen Karmabegriff. Tendenziell sehen sie Karma als ein ganz großes Schwungrad des Lebens, doch man kann den Karmabegriff auch viele enger fassen. Der Diplom-Psychologe und Esoteriker Thorwald Dethlefsen hat diesen Karmabegriff vertreten und gesagt, dass Karma keine unabhängige Größe sei, die irgendwie über dem Leben schwebt, sondern dass Karma aufs Engste mit den alltäglichen Leben verbunden ist und schlicht und ergreifend alles Karma erzeugt.[2] Jede große Entscheidung und jede kleine ebenfalls. Der Karmabegriff ist hier hochdynamisch und meint im Grunde nur, dass alles in eine unablässige Folge und Ursachen und Wirkungen eingebunden ist.

Jedoch mit dem Unterschied, dass wenn einem bestimmte Zusammenhänge klar geworden sind, sie nicht mehr erlebt und gelebt zu werden brauchen. Das Karma passt sich hier also unseren Erkenntnissen an und reagiert nicht nur auf unsere Taten. Ein sehr reizvoller Karmabegriff, wenn man sich auf ihn einlassen kann. Das allerdings ist schwer, weil wir der Überzeugung sind, Konzepte wie Karma seien im Zuge modischer Strömungen aus dem Osten importiert, hätten daher für uns keinerlei kulturelle Relevanz und seien darüber hinaus auch noch bloßer Glaube und damit schlicht falsch. Dem gehen wir jetzt nach.