Warum sollte es überhaupt zu einem Bewusstseinswandel kommen?

… und hier die berühmt berüchtigten Favelas aus Rio in Brasilien. © eflon under cc

Unser Wissen schreitet voran, auch unsere moralisches Empfinden/Gewissen scheint unter der Vielzahl der gelebten Selbstwidersprüche inzwischen zu ächzen. Gründe für einen Wandel unserer Lebensweise drücken aber im Moment auf nahezu allen Ebenen des Bewusstseins durch. Es dämmert, dass wir überall von einander abhängig sind, ob wir es nun unter dem Aspekt der Migration (ob aus nationalistischen oder humanistischen Gründen), unter wirtschaftlichen oder ökologischen Aspekten betrachten, allein faschistische Modelle vom großen und ewigen Kampf – aus dem man dann nicht mehr heraus findet – scheinen eine Alternative zu sein.

Einschränkend ist hier die Verabsolutierung einer Idee, aber immer mehr Menschen sind heute schon zu einer Gesamtschau fähig, ihre Stimmen werden lauter und kräftiger und sie haben ganz einfach oft die besseren Erfolge. Autokratie und ignorante Selbstherrlichkeit hat sich in der Corona-Krise nicht bewährt, dafür aber gleich noch mehrere Probleme im Schlepptau offen gelegt.

Kurz und gut, die Welt, wie wir sie kannten funktioniert nicht mehr so richtig überzeugend. Viele werden die Sehnsucht verspüren, zu dem unbeschwerten Zustand zurück zu kehren, der die Vor-Corona-Zeit kennzeichnete, aber so unbeschwert wurde der zu der Zeit gar nicht erlebt, sondern als eine Zeit nagender Unzufriedenheit, hoch emotionaler Debatten und einem hohen Aggressionspotential.

Wie lange müssen wir denn zurück spulen, um eine Zeit zu finden, in der alle zufriedener waren? Einerseits muss man bei solchen Fragen vorsichtig sein, weil jede dazu neigt, die eigene Kindheit und Jugend zu verklären, als eine Zeit in der alles noch so schön und unbeschwert war, andererseits ergibt sich aus den Aussagen und realen Daten überhäufig das Bild, dass die 1970er und 80er Jahre im deutschen Westen eine goldene Zeit waren. Eine Zeit ohne Smartphones, ohne Mehrfachreisen an alle nur erdenklichen Orte, es gab deutlich weniger Autos, mit deutlich weniger PS, im Fernsehen gab es noch Sendeschluss, vor allem aber einen kollektiven Zukunftsoptimismus und die realistische Option, dass ein Alleinverdiener, der nicht mal Akademiker sein musste, eine Familie sehr gut ernähren kann. Fast alle gesellschaftlichen Indikatoren, wie die Wahlbeteiligung, zeigen, wie groß die Zufriedenheit war und vieles von dem, was heute als Selbstverständlichkeit angesehen wird, galt als Besonderheit und wurde gewertschätzt. In dieser Zeit ist der eigentliche Mainstream langsam zerfallen und das Besondere wurde zum Zentrum des Lebens und der Ansprüche. Der Ödipuskomplex wurde weniger gelebt, es gab also Veränderungen Innen und Außen.

Wir können die Zeit nicht zurück drehen, niemand wird auf sein Smartphone verzichten, es täte der Welt gut, wenn wir bessere Mobilitätskonzepte hätten und auch mit deutlich weniger Informationsinput haben wir in nicht allzu ferner Vergangenheit sehr gut gelebt … vermutlich besser als heute. Vergessen wir die inneren Bereiche von Psyche und Kultur nicht. Die Zeiten für einen neuen Aufbruch stehen im Grunde günstig, weil der ‚Weiter so‘- Modus in der Krise ist.

Übertrieben oder Überfällig?

Der Bewusstseinswandel wird fundamental sein und wenn er gelingt, ist die Welt nicht mehr zu klein, wir werden vermutlich noch mehr Menschen auf der Welt haben und sie werden besser leben, weil Wohlstand anders als nur über Konsum, Status und Besitz definiert wird. Sehr viele Menschen sind reif sich erneut die Fragen zu stellen:

  • Was ist mir wichtig?
  • Warum ist mir das wichtig?
  • Will ich damit etwas anderes erreichen oder verbergen?

Das sind keine unerreichbaren Reflexionsleistungen und statt diverser Umwege kann man vieles auch direkt angehen. Wer eine Beziehung will, will eine Beziehung. Wenn man meint, diese erst eingehen zu dürfen, wenn er einen bestimmten Status vorweisen kann, macht womöglich sehr lange Umwege. Dass Einkommen oder sozialer Status dann auch noch eine Rolle spielen kann, ist eine Sache der Absprache zwischen den Partnern, aber als Voraussetzung für Beziehungen reicht im Grunde die Liebe, alles andere sind künstliche Hürden.

Die Fundamente des Glücks sind intakte Beziehungen, einen Sinn im Leben zu finden, Gesundheit und ein Wohlstand, der einem ein gesundes, selbstbestimmtes Leben und die Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe ermöglicht, sowie eine soziale Rolle mit der man selbst und andere einen gewissen Wert verbindet. Das alles ist zum Greifen nahe und es liegt mehr als wir glauben (wollen) an uns, indem wir einfach zugreifen und das was glücklich macht direkt ansteuern.

Da intakte Beziehungen, Sinn und dergleichen zum eigenen Glück gehören, wird man über kurz oder lang ein weiteres Mal finden, dass es einem selbst gut geht, wenn es anderen gut geht. Egoismus und Aggression sind nicht die bessere Strategie, das wissen wir längst.

Das macht den Platz auf der Erde wieder größer, vor allem aber werden immer mehr Menschen davon berichten können, dass der Durchbruch zu neuen Werten und einer veränderten Lebensweise keine Einschränkung, kein Verzicht oder gar Verbot ist. Vielleicht haben dann 10, 12 oder sogar 20 Milliarden Menschen auf der Erde Platz, weil dann im positiven Sinne ein Aspekt oder Bereich den andere mitreißt. Aus Abwärtsspiralen werden Aufwärtsspiralen, auch hier.

Andernfalls kann es sein, dass wir das Limit schon überschritten haben, die Zahl der Krisen weiter steigt und wir immer neue Frustrationen erleiden: Seuchen, Wirtschaftskrisen, Aggressionen im Übermaß, Überwachungsstaaten und eine vermüllte und vergiftete Welt, in der man nicht leben will.

Die Frage, ob wir zu viele Menschen sind, ist unentschieden. Der nüchterne Blick aus der Ferne, der entscheidet, wie es denn nun wirklich ist, die manchmal überbetonte Sachlichkeit ist Schnee von gestern, eine Position, die aus Irrtümern konstruiert ist, was im Umkehrschluss heißt, dass das Spiel offen ist und wir alle Mitspieler sind. Es liegt an uns, ob wir eine bessere Welt hinbekommen und es liegt weit mehr daran, dass man sich traut die richtigen Fragen zu stellen, seine Vision von Welt selbst zu leben, anstatt Ausreden zu suchen, warum gerade ich, gerade heute, gerade das nicht kann. Die richtigen Fragen und die direkten Wege, meine Werte und Visionen zu leben, ist ebenso wirksam und direkt, wie ein Umstieg aufs Fahrrad oder Sonnenkollektoren auf dem Dach. Alles Dinge, die man machen kann und vielleicht sollte, aber der andere Schritt sollte nicht vergessen werden und ein schöner Indikator, den man ernst nehmen kann und sollte, ist die eigene Lebenszufriedenheit.

Eine schönere, gerechtere und bessere Welt verträgt mehr Menschen und wenn Frauen es selbst bestimmen können, bekommen sie weniger Kinder, was dann langfristig das Bevölkerungswachstum bremst, eine Tendenz die heute schon zu sehen ist, weil wir global betrachtet (mindestens) zwei gegenläufige Trends haben. Fortschritte zum Besseren für weite der Teile der ärmeren Teile der Welt, aber eine wachsende Verelendung sehr armer Menschen, sowie eine Regression der Mittelschicht in vielen Bereichen, die heute in den privilegierten Ländern schlechter leben als vor 40 bis 50 Jahren, etwas, was wir sofort ändern sollten und können.

Die Schaffung einer besseren Welt, ausgehend von dem was die Menschen tatsächlich auch glücklich macht, entscheidet darüber ob wir zu viele Menschen auf der Welt sind. Im Augenblicklich fühlt sich die Welt eher zu eng an, mit einer Zwangsdistanz, die viele immerhin lehrt, wie wichtig uns die anderen sind. Sorgen wir uns um sie, dann geht es uns bald wieder besser. Nur reicht es nicht, diesem Punkt einfach zu glauben, man muss ihn verstehen, wenn man sich in der Nähe befindet, dies verstehen zu können. Der Lohn ist auch hier ein doppelter, denn hat man es verstanden, ist das eigene Leben postwendend ein sehr sinnvolles.

Quellen