Überdruss oder Entwicklung?

Eine typische Geste der Verweigerung. Forest Runner under cc

Es gibt auch ein natürliches Ende einer Auseinandersetzung mit einem Thema. Wir verweigern uns dann nicht aus Trotz, Protest oder Prinzip, sondern weil wir mit einem Thema durch oder fertig sind. Ein merkwürdiges Gefühl habe ich dabei an mir selbst erfahren. Vor längerer Zeit interessierte ich mich sehr intensiv für ein Thema, das mein Leben stark bestimmte. Ich weiß nicht mehr aus welchem Anlass, aber irgendwann schrieb ich über das Thema einen Text und als dieser beendet war, hatte ich das Gefühl, mit dem Thema abgeschlossen zu haben. Ich war erstaunt und etwas verwirrt, merkte, dass irgendwas anders war und fühlte mich … ein wenig wie ein Verräter an meinem damaligen Lebensthema.

Aber es half nichts, auch Versuche der Wiederbelebung wollten nicht richtig fruchten, das Thema liegt mir noch immer am Herzen, aber es ist zu Ende bearbeitet gewesen und eine gewisse Trauer gehörte dazu. Andere Abschiede gingen deutlich leichter, folgten aber dem gleichen Muster. Irgendwann ist man fertig mit dem, was einen früher interessiert hat und man lässt es dann einfach sein. Etwas ’sein‘ zu lassen hat ja durchaus eine doppelte Bedeutung. Einerseits – und wohl häufiger – ist damit gemeint, dass man etwas bleiben lässt: Lass‘ das sein. Doch es bedeutet auch etwas seiend zu lassen, etwas einfach geschehen und bestehen zu lassen, vielleicht auch, sich selbst zu überlassen. Gewisser Dinge werden wir überdrüssig und auch das ist ein organischer Weg, sie sein zu lassen. Da fehlt dann nichts, wenn man mit etwas durch ist.

Manchmal ist es nicht so ganz klar, ob man nicht mehr kann oder nicht mehr will. In einer Phase der Jugend, tanzten wir die Nacht durch, gingen im Pulk, die nass geschwitztenen Klamotten dampften, in der Morgendämmerung nach Hause, aßen Nudelsuppe, gingen irgendwann schlafen, nur um am frühen Nachmittag Billard zu spielen und uns wieder zum Vorglühen zu treffen, dann einige Kneipen mit zu nehmen, um erneut in unserem favorisierten Tanz- und Nachtclub (wie er heute nachträglich genannt wird) bis zum Ladenschluss durchzumachen. Am nächsten Tag: The same procedure … . Ich bin froh diese Zeiten erlebt zu haben und habe ebenso wenig den Drang dies heute noch mal zu erleben. Aber vielleicht ist es gerade das, dass man etwas erlebt und ausgekostet haben muss, um davon tatsächlich frei zu werden, statt dem nachzutrauern, was man früher vielleicht gerne erlebt hätte. Ist es Überdruss gewesen? Nicht wirklich, aber irgendwann war die Zeit einfach vorbei, man verweigert sich der Fortsetzung, aber ohne faden Beigeschmack. Es bleibt eine liebe Erinnerung. Natürlich auch hier unter Ausblendung aller Schattenseiten.

Verweigern kann man sich auch durch die Erfüllung seiner Pflichten. Einmal dadurch, dass man tut, was man tun soll, aber frei von jedem Engagement. Man erfüllt seine Aufgabe, das war’s. Viele machen ihre Arbeit mehr oder weniger widerwillig, ein paar im Zustand der inneren Kündigung. Die Nummer ist für sie durch, frei von jeder Leidenschaft oder Identifikation erfüllt man seinen Dienst nach Vorschrift. Eine weitere Variante ist die subversive Wende des scheinbaren Opportunisten, der der Obrigkeit das Gefühl gibt, alles übergenau ausführen zu wollen und genau dadurch das System auflaufen lässt. Man kann ihm eigentlich nicht böse sein, er scheint ja bemüht, aber irgendwie umständlich, tollpatschig oder begriffsstutzig zu sein. Jedenfalls sind Nachfragen, um es auch ganz genau zu machen und jede Frage bis ins Detail zu klären, Sprengstoff in einem System. Nicht nur Warum-Fragen haben das Potential dazu, auch die Frage danach, wie man es denn nun ganz genau richtig machen soll.

Das Setzei

Manche Menschen sind mit wenig zufrieden. Man weiß nicht warum, aber man weiß, dass es sie gibt. Sie sitzen einfach da und tun nichts. Sie schauen vielleicht in die Gegend, aber reagieren im Grunde auf nichts und kommentieren auch nichts. Das tun sie dann aber mit einer gewissen Ausdauer. Hand aufs Herz, falls Ihnen gerade jemand einfiel, war das ein Mann oder eine Frau? Vermutlich ein Mann, wie er hier.

Irgendwie scheint es mehr als ein Klischee zu sein, dass Männer eher die Tendenz haben, einfach mal nichts zu tun. Frauen sind tendenziell in dieser Hinsicht aktiver, sehen Dinge, die es noch zu tun gäbe oder die man machen könnte, wo Männer eher zufrieden zu sein scheinen. Wie gesagt, tendenziell, es gibt immer Ausnahmen, vermeintliche Ursachen gibt es wie Sand am Meer. Auf jeden Fall gibt es aber Menschen, die sich dem Aufruf des ewigen Tuns auch dann verweigern, wenn sie bei Bewusstsein sind.

Weitere Varianten sind Menschen, die das Glück haben mit dem was sie haben und sind zufrieden zu sein. Sie sehen und wissen, da gibt es anderes und es ginge auch anders, doch sie sind mit ihrem Zipfel Welt vollkommen einverstanden und sind im Leben angekommen. Das gilt auch für Menschen, die nach einigem Herumprobieren ihr Ding, ihren Stil gefunden haben und sich den immer neuen Modeerscheinungen weitgehend verweigern. Das sind die eher positiven Seiten der Nichtstuer.

Die andere gibt es auch. Es sind jene Nichtstuer, die andere für sich springen lassen, weil sie selbst zu bequem sind oder es als unter ihrer Würde empfinden, niedere Arbeiten zu verrichten – dafür gibt es doch andere – und solche, die untätig sind, aus Angst, etwas falsch zu machen. ‚Wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen‘, lautet ihre ängstliche Rechnung, wobei es zwischen Ängstlichkeit und Bequemlichkeit nicht selten einen fließenden Übergang gibt und die Rechnung in der Regel nicht aufgeht, denn nun ist man von anderen abhängig.

Eine weitere Art der Verweigerung ist die Resignation. Man hat es, dem eigenen Empfinden nach, versucht – weit über die Komfortzone hinaus – und irgendwann hat man es sein lassen, weil man der Auffassung ist, dass es nichts bringt. Man hat resigniert, das Feuer, jedenfalls für diese Sache, ist erloschen.

Sich der Verweigerung verweigern

Einmal eingebunden in die Vernünftigkeiten, die den Lebensweg prägen, die immer auch erzählen, was man vom Leben zu erwarten hat und was ganz normal ist, weil es einfach bei jedem so ist – und jeder, der was anderes behauptet, ist ein Träumer, der sich was vor macht – und auch gar nicht anders sein kann, sonst würden es ja viele machen, gibt es immer Gründe, etwas nicht zu tun. Der Vernünftige hat zu akzeptieren, dass die Welt nun mal ist, wie sie ist, auch wenn man es vielleicht gerne anders hätte. Aus diesem Grund muss man auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn man wegschaut und meint, hier sei nichts zu ändern, das tun die anderen schließlich auch.

Manche Menschen verweigern sich dieser Verweigerung, vielleicht gar nicht so oft aus Gründen, über die sie lange nachgedacht haben, sondern aus dem spontanen Impuls heraus, hier etwas machen zu müssen, was implizieren würde, dass man sich das auch zutraut. Vielleicht können sie es einfach nur nicht haben, einen Menschen oder ein Tier zu sehen, das leidet, vielleicht sehen sie es als eine Frage des Anstandes, des Prinzips oder auch der Verweigerung gegenüber dem Wegschauen. Einfach, weil man in so einer Welt nicht leben will. Manche wollen am nächsten Morgen in den Spiegel schauen und in der Nacht ruhig schlafen können, wohl dem, dessen Gewissen sich noch meldet. So ist die Verweigerung dann auch ein Stück weit Selbstfindung.

Es gehört tatsächlich etwas dazu, sich der Verweigerungshaltung zu entziehen und zu arbeiten, wenn andere nur gelangweilt ihre Zeit absitzen. Manchmal bis zum Boreout, da hat man die Alternative, schon im Eigeninteresse, selbst in der Hand. Richtig blöd ist die Situation, wenn motivierte Menschen von ihren Vorgesetzten ausgebremst werden, diese Menschen resignieren in der Folge häufig und machen nur noch Dienst nach Vorschrift.

Doch auch sich dem Kollektiv zu verweigern, kann über das Ziel hinaus schießen. Querulanten kann man nichts recht machen, niemand. Sie finden den Fehler auch dann, wenn es keinen gibt. Nervensägen, Querulanten und Systemsprenger haben alle ihre jeweilige Geschichte und ihre Motive, aber es ist gut, dass es sie gibt.