Es sieht nicht heiß aus – in vielen deutschen Betten. Sexuelle Unzufriedenheit scheint bei einigen Paaren durchaus ein Problem zu sein. Doch welche Gründe für schlechten Sex gibt es?

Mögliche Gründe für schlechten Sex

Eines vorweg: Wir werden hier keine Ratschläge geben, wie man die sexuellen Vorlieben einer Frau herausfinden kann (in verschiedene Richtungen vortasten, auch mal was Schmutziges riskieren und auf kleinste Signale achten, nicht alles bereden!), oder wie Frau einen Deep Throat hinbekommt, ohne zu würgen (z.B. auf dem Rücken liegend, Hals strecken). Wir werden nicht darüber sprechen, wie Frauen und auch deren Männer beim Sex zu intensiveren Orgasmen kommen (weibliche Beckenbodenmuskulatur abwechselnd anspannen/locker lassen, regelmäßig trainieren), oder wie Mann verhindert, dass er zu früh ejakuliert (erneut Beckenbodentraining, dieses Mal beim Mann, oder/und Orgasmustraining mit Start und abruptem Stop kurz davor). Das alles werden wir nicht tun. Denn bei gutem Sex geht es um soviel mehr. Stattdessen werden wir versuchen, den tieferliegenden psychologischen Ursachen, warum es in einigen deutschen Betten mit dem erfüllten Sex nicht klappen will, auf die Schliche zu kommen, und diskutieren einige mögliche Gründe für schlechten Sex.

Kann Frau den Sex haben, den sie will?

Frau lasziv auf dem Teppich

Gründe für schlechten Sex liegen oft in der Psyche bei Männern und Frauen. © Trang Angels under cc

Herausfordernd formuliert: Ja. In der heutigen Zeit. In westlichen Gesellschaften. Es geht um sex worth wanting, das heißt, um »Sex, der es wert ist, gewollt zu werden«. Nicht die mangelnde Lust der Frau ist das Problem, sondern dass sie »diesen« Sex, den sie haben kann, nicht möchte. Ein offensiverer Umgang mit der Sexualität bei der Frau könnte also ein Schlüssel für besseren Sex sein. Denn (Achtung Klischee!) Männer wollen ja immer, irgendwie.

Orgasmus: Did you come?

Die in den letzten Jahrzehnten zugenommene Fixierung auf den weiblichen Orgasmus in den Medien, der Forschung etc. hat sicherlich – vor allem für die Damen – Vorteile. Frauen sollten diese nur als solche anerkennen. Denn selbst heutzutage sieht es noch so aus, dass es für beinahe alle Frauen beim Sex wichtig zu sein scheint, dass der Mann einen Orgasmus bekommt, wie eine finnische Studie zeigt. Die Hälfte der befragten Frauen hält diesen sogar für »sehr wichtig«. Den eigenen Orgasmus bewertet dagegen ein Großteil der Frauen als weniger wichtig. Manche sehen diesen sogar nur als Bonus/Zusatz zum männlichen Orgasmus an, wie Salisbury und Fisher in einer qualitativen Studie herausgefunden haben.
Das Hinarbeiten auf den männlichen Orgasmus scheint ein Jahrhunderte altes Erbe zu sein, das (überspitzt gesagt) in unseren Genen nahezu verankert ist – und dem wir entgegenwirken könnten/müssten.

Orgasmus, die Zweite: Challenge angenommen!

Die Studie von Salisbury und Fisher gibt noch weiteren Aufschluss. Als Hauptsorge beim fehlenden weiblichen Orgasmus während des Geschlechtsaktes wurde sowohl von den Männern als auch von den Frauen ein negativer Einfluss auf das männliche Ego benannt.
Eine weitere Studie untersucht den tatsächlichen Einfluss des weiblichen Orgasmus auf die Männlichkeit. Es zeigte sich, dass Männer sich männlicher fühlen und einen höheren sexuellen Selbstwert berichten, wenn sie sich vorstellen, dass eine Frau während eines Sexualkontaktes mit ihnen einen Orgasmus hatte. Offenbar geht es bei dem weiblichen Orgasmus also auch um die Erfüllung der Männlichkeit. Der weibliche Orgasmus wird demnach tatsächlich als »Applaus für den Penis« gewertet. Das könnte unliebsame Spannung in das sexuelle Beisammensein bringen. Und diesen Druck, liebe Herren der Schöpfung, sollten Frauen sich nach jahrhundertelanger sexueller Vernachlässigung nun wirklich nicht aufhalsen.

Ein Gentleman ist höflich zu einer Frau …

zwei Gesichter, sich küssend

Leidenschaft ist die einzige Maßgabe für guten Sex. © Ashley Harrigan under cc

… bis er mit ihr alleine ist. Nein, natürlich nicht! Im Umgang mit einer Frau sollte der Mann stets Respekt und Höflichkeit walten lassen. Vor allem in Hinblick auf die »me too«-Debatte sind stets die Grenzen einer Frau zu wahren. Dennoch stellt dieser provokante Ausspruch einen weiteren Schlüssel für guten Sex mit der Partnerin dar. Es mag ein alter Hut sein, aber Frauen bevorzugen nun einmal einen gleichwertigen respektablen Umgang in der Partnerschaft, kein Anranzen oder Herummeckern. Wird diesem nicht stattgegeben, wirkt sich das deutlich auf die sexuelle Lust und nachfolgende Inaktivität aus.
»Alles schön und gut«, mag der beanspruchte Ehemann nun sagen, »aber hin und wieder hab ich halt Stress auf Arbeit. Da kann ich zu Hause nicht auch noch meine Frau hofieren.« In dieser Hinsicht geben wir folgenden Zirkelschluss zu bedenken: Sex baut Alltagsstress ab und sorgt dafür, dass man eine emotionale Distanz zu den Geschehnissen des Tages aufbaut. Man wird also gelassener. Über Probleme angemessen sprechen, kann man doch trotzdem.

Und was den »weniger höflichen« (ggf. dominanten) Umgang im Bett betrifft: Das möge jedes Paar selbst entscheiden – unter Wahrung der persönlichen Grenzen beider Partner.

Sex wie im Porno?

Filmproduktionen früherer Jahrzehnte unterlagen strengen moralischen Richtlinien. Diese Zensur-Bestimmungen für Amerikas Filmindustrie (seit ca. 1930) sind mit der Zeit mehr und mehr aufgehoben/unterwandert worden. Gemäß dieser Bestimmungen galt es vor allem in den Filmen, die Institution der Ehe hochzuhalten. Leidenschaftliche Szenen sollten vermieden werden, insofern sie nicht notwendig für den Plot gewesen sind. Exzessives Küssen oder gar anstößige Körperhaltungen hatte man nicht zeigen dürfen – eine dargestellte Unschuld, die sich aufgrund der mangelhaften Aufklärung in Bezug auf Sexualität nachteilig in reale Schlafzimmer getragen haben soll. Die damals mangelhafte sexuelle Aufklärung war wohl einer der Gründe für schlechten Sex.

Heute sieht es deutlich anders aus. Pornos sind jederzeit verfügbar und, glaubt man einigen Experten, gelten sie als Maßgabe der Jugend für aufregende Sexualität. Das mag stimmen. Auch dass Mädchen (und Jungen) sich von den Künsten weiblicher (und männlicher) Pornostars eingeschüchtert fühlen. Wir befinden uns demnach in einem Zeitalter, in welchem sexuelle Aufklärung in die entgegengesetzte Richtung erfolgen muss: weg von übertriebenem Sex hin zu mehr Natürlichkeit und »Machbarkeit«. Allen jüngeren Lesern sei gesagt: Beim Sex kommt es eigentlich nur auf eines an – die Leidenschaft.

Weniger sexuell anrüchige Bilder?

Schon klar, vor dem Hintergrund der Sexismus-Debatte scheint es nicht gerade hilfreich zu sein, halbnackte Frauen auf den Covern diverser Magazine oder im Fernsehen zu sehen. Und es scheint wohl auch nicht ratsam zu sein, im Zuge der Gleichberechtigung nackte, muskulöse Männer auf den Plakaten zu bewundern. Oder?
Doch vielleicht geht es genau um diese Abgrenzung im Kopf. Möglicherweise ist diese mangelnde Abgrenzung zwischen Gender-Korrektheit und Sexualität einer der wesentlichen Gründe für schlechten Sex. Denn die Triebe und das Anspringen auf Schlüsselreize zu unterdrücken, hilft sicher ebenso wenig beim entspannten Umgang miteinander. Und ja, auch Frauen haben ein Beuteschema und befinden sich hin und wieder »auf der Jagd«. Allerdings sollten sich Männer und Frauen eines gewahr sein: Es ist die eine Sache, Attraktivität und Sexyness bei sich beziehungsweise dem Anderen herauszustellen. Eine andere ist es, den Menschen dahinter und seine Grenzen zu achten.
Wenn diesem Grundsatz Respekt gezollt wird, und Frauen sich auf ihre Weiblichkeit besinnen dürfen, genauso wie Männer auf ihre Männlichkeit, dann wäre schon einiges getan, um sich natürlich und entspannt beim Sex zu verhalten und mögliche Gründe für schlechten Sex aus dem Weg räumen zu können.

Wie könnten wir den Sex verbessern?

Audrey Hepburn

In früheren Hollywoodproduktionen galt es, anständig zu bleiben und die Ehe hochzuhalten. © Insomnia Cured Here under cc

Zwei Menschen, unabhängig von Alter oder Geschlecht, lernen einander kennen. Es fliegen mehr Funken als Fetzen, was bedeutet, dass sich nach der ersten Verliebtheitsphase kein toxisches Beziehungsgefüge und keine Couple fights einstellen. Da Verliebtheit ein hormoneller und emotionaler Ausnahmezustand ist, der auf lange Sicht so vom Organismus nicht aufrechterhalten werden kann und zu Lasten der normalen Lebensführung gehen würde, werden Serotonin, Dopamin, Adrenalin & Co. nach durchschnittlich etwa sechs Monaten auf ein gemäßigtes Level herunterfahren. Der Ausnahmezustand auf Hormon- und Transmitterebene ist beendet. Zunehmend beginnt man sich wieder wie ein normal funktionierender Mensch zu benehmen. Auch das sexuelle Übereinander herfallen im besten, einvernehmlichen Sinne lässt im Laufe der Zeit nach. Der Sex wird intimer und abgestimmter, weil man weiß, was dem anderen besonders gut gefällt. Nicht wenigen kommt dabei der sexuelle Kick abhanden, die gewisse Aufregung, das Prickeln, welches den Sex am Anfang einer Beziehung so erhebend gemacht hat.
Wir werden hier nicht sagen, dass man sich als Krankenschwester und Patient oder als Chefin und Praktikant verkleiden muss, um der Sexualität auf Paarebene wieder einen neuen Schwung zu verleihen. Wir werden auch nicht empfehlen, den örtlichen Swingerclub aufzusuchen, um im Beisein des Partners außerehelichen Verkehr praktizieren zu können. Ebenfalls werden wir nicht empfehlen, ein befreundetes, attraktives Paar bei einem Glas Wein auf einen Partnertausch anzusprechen, was bei Nichtinteresse unschöne Konsequenzen für die Freundschaftsebene haben kann. Das Einzige, was wir an dieser Stelle tun werden, ist, den partnerschaftlichen Umgang zu beschreiben, den es braucht, damit die größtmögliche Chance bestehen bleibt, die Sexualität möglichst lange frisch zu halten. Dies ist lediglich unsere Sicht der Dinge. Es gibt gewiss noch andere Varianten für eine optimale Partnerschaftsbasis, welche den Sex auf – Achtung Wortspiel! – fruchtbarem Boden sprießen lässt.

Mangelnde Eigenverantwortung ist nicht sexy!

Um die Sexualität zwischen zwei Menschen möglichst gut erhalten zu können, scheint es wichtig zu sein, dass beide Menschen nicht zu stark verwoben miteinander sind. Beide sollten ihre Leben weitestgehend parallel leben, sich für die Lösung ihrer Probleme weitestgehend selbstverantwortlich fühlen und den Partner nicht als ständig gegenwärtigen Jammerkasten betrachten. Das heißt nicht, dass man sich nicht auch gemeinsam etwas aufbauen oder eine Familie gründen kann. Doch dies geschieht vielmehr im Sinne eines Teams, welches die gleichen Lebensziele und Interessen teilt und die Verantwortlichkeiten dementsprechend gemeinsam meistert. Sobald zwei Menschen in ihren Leben einander begegnen, müssen sie nicht automatisch zu einer Einheit verschmelzen. Sie müssen nicht gegenseitig ständig Rede und Antwort stehen. Man gehört dem anderen nicht. Maximal gehört man zueinander. Den anderen als Besitz wahrzunehmen oder sich in dessen Besitz zu wähnen, ihm gegenüber zu etwas verpflichtet zu sein, wird über kurz oder lang die Sexualität abtöten. Sobald etwas zur Pflicht wird, grenzt und engt es einen Menschen ein. Man fühlt sich so, als habe man nicht mehr die Wahl. Ungeachtet dessen sollte man sich dennoch vertrauen, kann sich auf den anderen verlassen und dem anderen zuhören. Aber für den anderen die Kontrolle im Leben zu übernehmen, wird letztlich im Bett nicht zuträglich sein. Mangelnde Eigenverantwortlichkeit ist unsexy.

Im nächsten Artikel diskutieren wir die Sinnhaftigkeit von Monogamie in der heutigen Zeit.