Technische Utopien der Mobilität

So hat man sich die Zukunft schon früher vorgestellt. © Mr Thinktank under cc
Was könnte hier möglich sein, durch eine intelligente Umsetzung von Mobilitätskonzepten? Schade, dass davon nichts zu sehen ist. Wir werden wohl auf absehbare Zeit nicht mit dem Antigravitationsgleiter durch die Lüfte schweben, aber schon ein fließenderer Verkehr wäre wünschenswert. Es ist sicher kein großer Wurf gelungen, wenn demnächst, die ohnehin umstrittenen E-Autos im Stau oder stehen, von dem Pendler und all jene, die im Stau des Morgen- und Feierabendverkehrs stehen müssen, ein Lied singen können.
Viele Innenstädte glänzen dadurch, dass sie es keinem einzigen Verkehrsteilnehmer recht machen, die Autos stehen im Stau und finden keine Parkplätze, die Nahverkehrsanbindungen sind oft grottig, Radwege voller Glas und mitunter lebensgefährlich, Fußgänger stehen in Lärm und schlechter Luft. Niemand lässt das Auto stehen, wenn alle Alternativen deutlich unattraktiver sind. Zugleich werden aber die Straßen schlechter, die Brücken unsicherer und gelegentlich hört man, das autonome Fahrzeuge, von Robotik gesteuert, die Lösung seien, da sie viel weniger Unfälle bauen würden als der Menschen, was erst mal eine Ansage ist.
Allerdings machen gerade auch autonome Autos den Verkehrsfluss nicht besser, im Gegenteil. Autonom fahrende Autos müssten so programmiert sein, dass sie sich unbedingt an die Verkehrsregeln halten und das tun sonst nur Fahrschüler bis zur Prüfung. Unser Straßenverkehr lebt davon, dass man die Regeln immer bricht, etwas zu schnell fährt, mal eine durchgezogene Linie überfährt, weil dort ein Hindernis steht und der Fahrer abschätzen kann, wie er damit umgeht. All das können autonome Fahrzeuge nicht, der Verkehrsfluss würde deutlich zäher, die Staus noch länger.
Im Zusammenhang mit Hacks, die immer wieder vorkommen, muss man damit rechnen, dass auch autonome Fahrzeuge gehacked werden und sei es nur, um zu schauen, ob es geht. An die Sicherheit der Onlinewelt glaubt in der Regel nur der, der keine Ahnung hat, für den Rest gilt, dass es absolute Sicherheit nicht gibt.
Die Programmierung der Wagen hat noch einen weiteren Haken. Es muss auch programmiert werden, wie so ein Auto im Falle eines drohenden Unfalls agieren würde. Natürlich erst mal ausweichen und den geringstmöglichen Schaden verursachen, aber was, wenn das nicht geht? Wenn einer zu Schaden kommen wird, wer sollte das sein? Das wird man im Einzelfall abwägen müssen und theoretisch würde man sagen, dass die fünf kleinen Kinder aus dem Kindergarten gerettet werden sollten, wenn im Auto nur einer sitzt. Nur, der eine ist man im Zweifel selbst. 80% sagen zwar, die Kinder sollten vorgehen, aber in ein Auto das dann tatsächlich so programmiert ist, würden sich wiederum 80% nicht hineinsetzen. Wenn man aber die Wahl hat und im Zweifel immer selbst gerettet wird, kann man ein so programmiertes Auto wirklich aus den Verkehr loslassen? Schwierig. Und das kleine Software-Update gegen Aufpreis für VIPs, das einen rettet, während die anderen dem Utilitarismus geopfert würden, wäre sicher auch nichts, was man sich wünschen kann.
Eine bessere Gesellschaft durch Technik?
Oft zeichnen sich technische Utopien dadurch aus, dass in ihnen ein gnadenlos unkritisches Bild vom Umgang mit und dem Potential der technischen Möglichkeiten gezeichnet wird. Dabei ist die Situation durchaus ambivalent. VR Therapien, die Überwachung von Patienten durch Telemedizin, eine Verbindung zur Welt, wenn man einsam ist oder für längere Zeit im Ausland, das ist schön und sinnvoll. Flächendeckende Überwachung ist eine der Schattenseiten, bis in privateste Bereiche, am schlimmsten ist das eigene Smartphone, wie jeder weiß, aber nicht wissen will, wegen der Mischung aus Überforderung, Ohnmacht und der Idee, man sei uninteressant, weil man ohnehin nichts zu verbergen hat.
Manche Menschen haben aber bei der Überwachung durch Technik keinerlei Sorgen und sehen das alles auch als großes Spiel, das ihnen Spaß macht. Ob Smartwatch, Schritte zählen, zahlreiche nützliche Apps, die eigenen Daten sind eben der Preis dafür und wenn der Spaß die Sorgen überragt, was soll’s?
In China wird das Verhalten der Einwohner gerade flächendeckend überwacht und sozial erwünschtes Verhalten belohnt, während man für unerwünschtes Verhalten bestraft wird. Ein riesiges behavioristisches Experiment, es kann durchaus sein, dass es erfolgreich ist, in dem Sinne, dass man die Bevölkerung zu dem Verhalten erzieht, das man gerne hätte. Es fängt subtil an, mit der App, die mich erinnert, dass ich dies oder das noch tun oder lassen sollte. So sinnvoll, so nützlich, so gut zu gebrauchen und Schritt für Schritt wird das Leben immer vernünftiger. Kalorien werden gezählt, dafür aber auch die ausgleichenden Schritte, man weiß irgendwann, dass man nicht so viel Alkohol trinken sollte, dafür mal wieder bei den Eltern anrufen und den Jubiläumstag nicht vergessen und so wird man immer vernünftiger, ja super, schließlich wollen wir das doch alle, oder?
Subtiler Lohn, subtile Strafe, nicht so, dass es weh tut, immer nur so, dass man es einsieht, Ja, es ist ja besser so zu leben, wie es sich statistisch optimiert eben als bester Ansatz erwiesen hat, natürlich hübsch personalisiert, auf meine Bedürfnisse zugeschnitten. Durch das Internet der Dinge, das direkt vor der Tür stehen soll.
Denken
KI (künstliche Intelligenz) kann heute besser denken, als der Mensch. Schach und Go wurden bereits erwähnt und schon die klotzigen Taschenrechner der 80er Jahre rechneten besser als wir alle. Die Domäne des Menschen schlechthin, das Kognitive, das ihn vom Tier unterschied, bei all dem steckt der Computer ihn längst in die Tasche, ob er nun geschmeidig ein Glas Wasser anreichen kann oder nicht. Aber in den letzten Jahren kommt man mehr und mehr auf die Idee, dass auch das Bild vom Menschen als rein kognitive Einheit, als Summe von Denkleistungen und Körperdaten, also Informationen – das ist es, was man auf den Computer uploaden will – ein schiefes Bild ist. Informationen kann der Computer verarbeiten und egal ob wir etwas schmecken, anfassen oder ob wir ins Wasser oder ein Buch eintauchen, das sind ja alles nur Informationen. So zumindest die Ideen von Tipler, Kurzweil und anderen. Nun hat man zwei Probleme: Erstens, weiß man nicht so genau, was Denken überhaupt ist und zweitens, weiß man nicht, ob Denken das beschreibt, was den Menschen zentral definiert.
Zum ersten Problem: Darüber was Denken ist, kann man ganze Bücher verfassen und so ist es eine Frage der Definition, ob Computer, ob KI denken kann, oder nicht. Davon hängt einiges ab, denn wir kommen ohnehin zu komischen Ergebnissen. Es gibt eine starke Fraktion, die sagt, KI könne überhaupt nicht denken. Sie folge stets nur irgendwelchen Programmen und Algorithmen, die sie ausführt, das freilich in beeindruckender Geschwindigkeit und mit gigantischer Rechenpower, so dass selbst beliebige Schachgroßmeister gegen die besten Computer keine Chance mehr haben, aber am Ende hat die KI keine Ahnung, dass sie Schach gespielt hat. Nicht von der historischen Bedeutung, den Weltmeister niedergerungen zu haben und mit der Frage, was sie nun fühlt, kann sie nichts anfangen. Die härtesten Stimmen sagen, die KI könne überhaupt kein Schach spielen.
Hier wird es dann allerdings komisch, denn wie soll man verstehen und begründen, dass eine KI kein Schach spielen kann, aber jeden Menschen, der von sich behauptet es zu können, in die Tasche steckt? Die Begründung soll lauten, dass die KI zwar etwas tut, aber nicht weiß, was sie tut, sie hat also vermutlich kein Bild von sich selbst. Aber muss man ein Bild von sich haben und wissen, was man tut, um ein Problem zu lösen, um zu denken? Kognitive Leistungen erbringen sie ja alle: Schach- und Go-Computer, solche, die das Wetter simulieren, Apps, die Bäume oder Pilze im Wald erkennen oder „wissen“, welches vegetarische Restaurant in dieser Stadt noch geöffnet hat.
Aber mit dem Wissen, ist es ähnlich wie mit dem Denken. Weiß die Wikipedia irgendwas? Ja und nein. Einerseits mehr als jeder Mensch, andererseits, auch nur das, was man in sie hineinschreibt. Jeder kann die Wikipedia befragen, also anwenden (nicht jeder kann sie korrigieren), von sich aus tut sie gar nichts. Aber auch der Mensch besteht ja einerseits aus kleinsten Programmen, von denen auch noch mehr ohne unser Wissen ablaufen, als mit. Wir stellen nicht die Pupillen eng, wenn Licht auf sie trifft, wir sagen nicht, es ist mal wieder Zeit, die Zellen zu teilen, das passiert autonom, wir beschließen nicht in die Pubertät zu kommen oder uns in einer Massenpanik wie alle zu verhalten, es geschieht einfach. Und Denken, Wissen, Lernen? Auch das tun wir einfach so, Kinder kommen auf die Welt und beginnen diese lernend zu sortieren und zu begreifen. Be-greifen ist hier wörtlich zu nehmen. Kinder müssen zwar einerseits lernen, ihren Körper von der Umgebung zu unterscheiden und die Körpergrenzen zu erkennen, indem sie merken, dass es sich anders anfühlt, in die Hand zu beißen, als in die Bettdecke, aber dann sind sie dabei die Welt sehr sinnlich zu erfahren, krabbelnd, in den Mund steckend und noch am wenigstens sprachlich.
Aber sind das, was man an Körperdaten aufnimmt, wenn man weiß, wie Legosteine schmecken und sich im Mund anfühlen, nicht auch nur Informationen, die im Hirn verarbeitet werden, wie ein Gedicht von Goethe oder eine binomische Formel? Einerseits ja, andererseits lagern sich diese irgendwo in den Tiefen unseres Unbewussten ab, zu denen wir irgendwann keinen bewussten Zugang mehr haben? Dennoch sind wir jederzeit in der Lage, etwas zu schnappen, was man uns unvermittelt zuwirft und wir „wissen“ genau, unseren Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn wir auf schrägem oder unsicherem Untergrund ins Rutschen oder Stolpern geraten. Genauer gesagt, wissen wir es eigentlich nicht, nicht mal wie wir Fahrrad fahren können, auch wenn wir es können. Wir haben es einfach geübt und uns beim Stolpern korrigiert, vielleicht nicht einmal oder sehr bewusst, in der Zeit, als wir als Kinder getobt haben und oft auf die Nase gefallen sind.