Sex

virtueller Sex zweier Frauen

Dem virtuellen Sex steht eine große Zukunkft bevor. © Bea Serendipitiy under cc

Beim Sex nähern wir uns dem Thema, ähnlich wie beim Schach wieder von der anderen Seite, nämlich von dem Bedürfnis derer, die die KI geschaffen haben. Ging es beim Denken darum, dass die KI den Menschen weitreichend imitieren muss, so ist das beim Sex nicht unbedingt nötig. Hier müssen nur die Bedürfnisse der User befriedigt werden. Virtueller Sex findet schon heute häufig statt, über Pornos, aber auch eine breite Front technischer Hilfsmittel, von immer echteren Puppen, bis zu immer besseren Dildos mit allen nur denkbaren Funktionen. Der nächste Schritt die gefühlsechte Stimulation der jeweiligen Geschlechtsteile in immer besser animierten VR-Räumen sein. Man kann sich drüber streiten, ob das keine Simulation jemals erreichen wird, weil Wärme, Bewegung und Geruch und das erlebbare Anwachsen der Lust des anderen eben zum Gesamtpaket gehören, oder ob es sein wird, wie beim Essen: Die Menschen wachsen mit den überreizten und eindeutigen Möglichkeiten auf, die so passend gemacht sind, dass das Original kaum besser wirkt oder sogar gar nicht mehr schmeckt. Warum noch Äpfel, wenn der Weingummigeschmack als leckerer erlebt wird, warum noch all die Mühen und Gefahren der echten sexuellen Eroberung versuchen, wenn die annähernd gefühlsechte Simulation so einfach zu haben ist? Ohne Zickereien, Potenzstörungen und immer genau dann, wenn man selbst gerade Lust empfindet.

Die Gefahr ist auch hier dass Sexsucht und Fressucht große Parallelen haben. Kinder, deren Bedürfnisse mit Essen ruhig gestellt wurden, haben später öfter das Empfinden Hunger zu haben, egal ob sie traurig, einsam oder unternehmungslustig sind. Jedes Bedürfnis wird als Hunger wahrgenommen und gestillt und ebenso ist die kurze sexuelle Befriedigung eine stets mögliche Entspannung, die an sich harmlos, kostengünstig und kalorienfrei ist, nur wird die Wahrnehmung anderer Bedürfnisse so überhaupt nicht mehr geschärft.

Aber wer stets unter seinen Möglichkeiten bleibt, sei es bei dem, was bei sexuellen Begegnungen, als auch insgesamt im Leben, kommt nicht in den Genuss dessen, was Kernberg hier beschreibt, man steht noch nicht einmal vor der Tür:

„Ich stimme Ihnen zu, dass Selbstreflexion und eine ehrliche Suche nach den unbewussten Motivationen das Wissen und den Sinngehalt des Lebens bereichern. Man sagt: „Nur ein erforschtes Leben ist lebenswert.“ Und dabei hat die Psychoanalyse geholfen. Diese forschende Selbstreflexion nach unbewussten Motivationen kann nicht nur zu größerer Selbsterkenntnis führen, sondern kann auch helfen, sich – zumindest teilweise – von den destruktiven Aspekten unterdrückter Konflikte zu befreien. In dieser Hinsicht helfen die Selbstreflexion und die ehrliche Suche nach den eigenen Motivationen der Spiritualität, doch macht dies nicht unbedingt glücklich; es bringt auch den Schmerz und Kummer der Entdeckung, dass wir weniger ideal sind, als wir von uns glauben möchten.“[8]

Der Lohn ist nicht unbedingt ein Feuerwerk, sondern ein Kurs in Demut. Wer will das schon, gerade wenn die Lust und der kurze Kick auf der anderen Seite so leicht zu haben sind? Es ist gut möglich, dass technische Utopien sich in der Sexualität mit am stärksten durchsetzen und unser Sexualverhalten weiter in einzelne Segmente zerfällt. Das ist im Einzelfall schön, für die Menschen, die sonst kaum oder keine befriedigenden sexuellen Kontakte haben, aber es bleibt unter dem was möglich wäre und erfüllt damit den technischen Begriff der Perversion, der sich nicht dadurch auszeichnet, dass eine bestimmte sexuelle Verhaltensweise angeprangert wird, sondern dadurch, dass man sich nur noch auf diese Verhaltensweise fixiert und die Fülle, die eine lebendige Sexualität anzubieten hätte, nicht lebt und erlebt.

Technische Utopien vernachlässigen andere Bereiche

Technische Utopien hängen nicht in der Luft, sondern sind von Entwicklungen in anderen Bereichen abhängig und setzen oft in naiver Weise voraus, dass sich all diese Bereiche gleichmäßig linear oder sogar exponentiell weiterentwickeln. Alles wird immer kleiner und zugleich leistungsfähiger, längst hat man aber auch erkannt, dass die Bedingung intuitiver werden muss, so dass auch all die technischen Entwicklungen von der Gesellschaft dankend und offen angenommen werden. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, man muss sich nur noch entscheiden, ob man dazugehören will oder abgehängt wird.

Aber das stimmt nicht. Ohne Netzausbau kein Internet der Dinge, ohne reiche und nachhaltige Energiequellen keine ewig wachsende Automatisierung, ohne Konzepte gegen den Klimawandel, immer geringere Akzeptanz, da diese Probleme uns erhalten bleiben. Dazu kommt eine gesellschaftliche Regression breiter Bevölkerungsschichten, eine Spanne zwischen Arm und Reich, eine Stagnation oder sogar ein Rückschritt bei den Programmen und die ernstzunehmende Frage, wie man regressive Massen kontrollieren will, wenn man ihnen die Arbeit wegnimmt und ihnen am Ende ein Leben in Armut anbietet. Ein Blick über die Grenzen nach Frankreich zeigt, wohin die Reise gehen kann. Ohne dezentrale Energieversorgung und Online-Netze laufen die Gefahren auf ein Fiasko zu. Online-Sicherheit gibt es nicht, das mag manchmal ärgerlich sein, im Falle internationaler Spannungen ist das ein Sicherheitsrisiko erster Klasse, die Antwort ist, dass man keine hat und lieber so tut, als existierten die Probleme nicht.

Technische Utopien können uns helfen und unsere Gesellschaft tatsächlich lebenswerter machen, aber so wie man die Kunst des Programmierens offenbar nicht den Laien überlassen sollte, so sollte man an die dringend notwendigen Visionen für eine bessere Welt nicht die Technik-Utopisten lassen. So genial sie auf ihrem Gebiet sein mögen, so naiv sind oft ihre gesellschaftlichen und politischen Vorstöße, noch bei Hawking war das die schwächste Seite. Wir müssen die besten Kräfte bündeln, breit diskutieren, wo die Reise hingehen soll und das Ergebnis den Leuten vorlegen, die helfen können, weil sie die besten nehmen, nicht jene, die die besten Beziehungen haben. Dafür brauchen wir wache Menschen, wie Sie zum Beispiel, die dafür Sorge tragen, dass die besten Utopien in reales Leben verwandelt werden, erst dann sind sie viel wert.

Quellen